05/18/2022

Natur und Ethik: Die Verantwortung des Wirtschaftsakteurs

Im Umgang mit der Klimakrise ist die Frage nach «Schuldigen» nicht ausreichend – viel mehr sind eine ganzheitliche Betrachtungsweise und kollektives Handeln gefragt. Welche Rolle die Wirtschaft, Politik und Bildung dabei einnehmen, erklärt Dr. Natascha Hebestreit, Fachbereichsleiterin Sustainability und Referentin an der Tagung «Natur und Ethik» vom 10. bis 12. Juni in Brig.

Frau Hebestreit, die Klimakrise betrifft uns alle, wenn auch nicht im gleichen Ausmass und auch nicht nach einem ursächlichen Prinzip. Welche Rolle nimmt die «Wirtschaft» unter den beteiligten Akteuren ein?
Die Klimakrise ist ein globales Problem – und sie ist nur kollektiv zu bewältigen. Niemand kann sich diesen Herausforderungen entziehen und auch wenn wir ganz richtig mit einem Verursacherprinzip nicht weiterkommen, sind die Emissionen in einigen Wirtschaftssektoren beträchtlicher als in anderen. Ich glaube jedoch nicht, dass wir so kurzfristig wie nötig auf ein ausreichendes Einlenken der Wirtschaftsakteure hoffen können. So sehr ich mir eine Einsicht von Verantwortungsträgern in der der Wirtschaft wünsche, so bedarf die Wirtschaft meines Erachtens nach einem Eingreifen der Politik. Die Wirtschaft muss stärker reguliert werden. Leider sind jedoch die heutigen Entscheidungsträger nicht diejenigen, welche am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein werden. So erkläre ich mir die Zaghaftigkeit bei der Umsetzung der notwendigen Massnahmen.

Adam Smith beschreibt in seinem Werk «Theorie der ethischen Gefühle», dass es Menschen gegeben sei ein kollektives Mitgefühl, eine ethische Verantwortung, zu übernehmen. Kann diese Verantwortung auch der «Wirtschaft» als Ganzes zugeschrieben werden?
Nein, Gefühle sind Menschen vorbehalten. Institutionen sind kalt, wie es schon Nietzsche über den Staat sagte, und Mitgefühl ist von der «Wirtschaft als Ganzes» sicherlich nicht zu erwarten. Man kann aber die Wirtschaftsakteure als Menschen adressieren. Hier sehe ich Nachholbedarf, denn bisher sind die Entscheidungsträger an unseren Eliteschulen im wirtschaftlichen Handeln ausgebildet worden. Ethische Elemente haben in ihrer Ausbildung bisher gefehlt. Dies nachzuholen haben wir uns mit dem neuen MSc Sustainability and Circular Economy auf die Fahnen geschrieben. Das ist zwar ein wichtiger Schritt, doch bis diese jungen Leute auch Entscheidungen treffen können, wird mehr Zeit vergehen als wir haben.

«Wenn sich Anreizstrukturen nicht ändern und entsprechende politische Massnahmen ergriffen werden, haben wir der Klimakrise nichts entgegenzusetzen.»

Dr. Natascha Hebestreit leitet an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) den Fachbereich Sustainability and Circular Innovation. Zuvor war sie für den Fachbereich Innovation Management verantwortlich. Zudem ist sie Dozentin für Nachhaltigkeitsmanagement und Wirtschaftsethik. Sie hat an der Humboldt-Universität zu Berlin über die Verantwortung des Wirtschaftsakteurs promoviert und studiert seit 2022 Philosophie.   

Wie können Bildung und Veranstaltungen wie die Tagung «Natur und Ethik» dazu beitragen, den Umgang mit der Natur zu verändern?
Wir brauchen eine Erweiterung des Verantwortungsbegriffs, wenn nicht gar ein ganz neues Verständnis. Das globale, kollektive und phasenverschobene Problem des Klimawandels ist als Herausforderung einzigartig in der Menschheitsgeschichte. So etwas mussten wir noch nicht bewältigen – und entsprechend müssen die Mittel dazu erst entwickelt und erprobt werden. Genau dazu sind solche Veranstaltungen da. Bildung verändert unsere Sicht auf die Welt und ihre Hauptaufgabe besteht in einer Schulung des kritischen Denkens. Aber sie ist ein dauernder Ausbildungsprozess, bei dem sich Versäumnisse nicht über Nacht aufholen lassen.

Was motiviert Sie persönlich, an der Tagung teilzunehmen?
Ich bin neugierig auf die Erkenntnisse und Forschungsarbeiten der teilnehmenden Wissenschaftler und Experten. Ich möchte Neues lernen, einen anderen Blickwinkel bekommen und meinen eigenen Standpunkt auf den Prüfstein stellen.

Internationale Tagung in Brig

Vor dem Hintergrund der Klimakrise greift die Tagung «Natur und Ethik» vom 10. bis 12. Juni in Brig naturwissenschaftliche Hintergründe sowie ethisch-philosophische Fragen auf. An drei Tagen wird je ein spezifischer Themenbereich beleuchtet und anhand von Keynotes, Workshops und Exkursionen (Tag 1 und 2) betrachtet.

Infos und Anmeldung