Natascha Hebestreit, Ute Eisenkolb 09/19/2020

Innovation im Home Office

Internationale Kompetenz aufbauen, von innovativen Technologien und digitalen Prozessen anderer Nationen lernen, mit Unternehmern zusammenkommen und diskutieren, ein Netzwerk aufbauen – das sind die Ziele des Zukunfsworkshops im Masterstudiengang Business Administration der FFHS. Hierfür reisen die Studierenden an Orte, die Innovation und Entrepreneurship spürbar machen und die Teilnehmenden inspirieren sollen.

Der virtuelle Zukunftsworkshop des Master of Science in Business Administration

Die berufstätigen Master-Studierenden kommen aus den ver schiedensten Branchen zusammen und können so nicht nur von ihren verschiedenartigen Kompetenzen gegenseitig profitieren, sondern auch Synergien nutzen. Ideen werden entwickelt, Geschäftsmodelle entstehen. Erfahrungen und Erkenntnisse werden mitgebracht und können häufig direkt am eigenen Arbeitsplatz oder im eigenen Unternehmen umgesetzt werden. Der Workshop führte die Teilnehmer bisher an die digitalen Hotspots von San Francisco, Shanghai, Berlin oder Tallinn. Dieses Jahr stand mit Shanghai wieder eine aussereuropäische Destination auf dem Programm. Doch es kam anders: Covid-19 zwang die Organisatoren, zunächst auf einen europäischen Ort auszuweichen, dann schliesslich ganz umzudenken und den Workshop auf virtuell umzustellen. Nichtsdestotrotz standen Innovation, die Nähe zur Wirtschaft und der direkte Austausch mit Unternehmern im Vordergrund.

Kann man einen viertägigen Zukunftsworkshop mit 41 Teilnehmern, der eigentlich im internationalen Rahmen geplant war, komplett online durchführen? Wie können gute Ideen in virtuellen Gruppen weiterentwickelt werden und Geschäftsmodelle entstehen? Wie arbeitet man kreativ und kollaborativ zusammen, wenn sich keiner direkt gegenübersitzt und man die Köpfe nicht zusammenstecken kann? Und wie können die Studierenden die Innovationskultur unterschiedlicher Unternehmen von zu Hause aus hautnah erleben? In Zeiten von Covid-19 mussten wir uns diesen Fragen stellen – und darauf Antworten finden. Es lassen sich drei Komponenten identifizieren, die wesentlich zum Erfolg des virtuellen Workshops beitrugen:

1. EIGENMOTIVATION UND EIGENVERANTWORTUNG

Die Pitches eigener Geschäftsideen, welche die Studierenden als Videos im Vorfeld des Zukunftsworkshops eingesendet hatten, wiesen bereits auf sehr vielversprechende und spannende Business-Innovationen hin. Der Aufwand und der Einfallsreichtum der Ideenpräsentationen deuteten auf EINE GROSSE ERFOLGSKOMPONENTE des Workshops: Eigenmotivation und selbstständiges Arbeiten. Bei den potenziellen Ablenkungen, die eine Teilnahme von Zuhause aus bietet, hätte ein «Dienst nach Vorschrift» nicht genügt.

2. KLARE PLANUNG UND STRUKTUR

Darauf wurde bereits im Vorfeld hingearbeitet. Die Online-Plattform ist neben dem Live-Tool ein wesentliches Element,um eine gute Vorbereitung für einen konstruktiven und schöpferischen Austausch zu schaffen. Damit stellt eine klare und detailliert geplante Struktur den ZWEITEN WICHTIGEN ECKPFEILER der virtuellen Durchführung dar. Schliesslich konnten die Teilnehmer, die verstreut im Home Office sassen und in ihren Teams arbeiteten, nicht ad hoc für eine Information oder Planänderung zusammengerufen werden. So spielte es eine grosse Rolle, jeden Morgen gemeinsam den Tagesablauf zu besprechen und danach kurze Übungen zur Weiterentwicklung der Geschäftsideen durchzuführen – mal ein Tutorial zu konkreten Kundenbedürfnissen, dann wieder eine Auseinandersetzung mit Fokus auf das eigene Wertangebot.

Als besonders hilfreich erwies es sich hier, dass die Studierendenteams nicht nur Unterstützung durch ihre Dozierenden bekamen, sondern auch von den anderen Gruppen, die sich wechselseitig in virtuellen Arbeitsräumen Feedback gaben. So konnte überprüft werden, ob ein potenzieller Kunde beim Erstkontakt mit einer Geschäftsidee den Kerngedanken auch wirklich schnell versteht. Beachtlich war dabei die Effizienz des gemeinsamen Arbeitens. So konnte beispielsweise in einer knappen Stunde eine funktionsfähige Landing Page aufgebaut und deren Link schnell im privaten Netzwerk zur Rückmeldung verschickt werden. Oder die Funktionsweise einer App für Sportwetten wurde mit einer rasch programmierten ersten Testversion verdeutlicht. Dabei waren beim Arbeiten zwei Fragen stets zentral: Versteht der Kunde mein Produkt? Und unter welchen Bedingungen würde er es nutzen? Es gehörte auch zum Lernprozess, lieb gewonnene Ideen verwerfen zu müssen und «die Unsicherheit aushalten zu können, nicht zu wissen, wie es weitergeht», wie Prof. Jan Pieper deutlich machte.

Doch es ging bei diesem Workshop nicht nur um das eigene Arbeiten, sondern auch darum, etwas von anderen zu lernen und Innovation erlebbar zu machen. Dr. Klaus Wildhirt von webstattt.io, einem Inkubator des hessischen Textilunternehmens MEWA, bot den Teilnehmenden Einblick, wie das mittelständische Familienunternehmen versucht, sich im Zukunftsfeld smarter Textilien erfolgreich zu positionieren. Der Investment Director der IBB Beteiligungsgesellschaft mbH, Stephan Schulze, liess die Studierenden in die Perspektive eines Venture Capitalists eintauchen: Wovon hängt es ab, ob jemand, der zahlreiche Geschäftsideen hört, investiert? Wie lassen sich von aussen Erfolgschancen abschätzen? Auch erfolgreiche Unternehmer wie Benjamin Hofmann, Gründer der Sneakermarke kulson.de, kamen zu Wort und motivierten die Studierenden mit ihren aussergewöhnlichen Werdegängen und Erfahrungen: «Ihr glaubt gar nicht, wie viel man einfach mal selber machen kann.» Ungewöhnliche Geschäftsmodelle, wie das von jovoto.com, auf deren Plattform Unternehmen kreative Ideen und Köpfe für Innovationsprojekte finden können, wurde den Studierenden von Rohit Sharma mittels virtuellem Gastvortrag vorgestellt und Bernhard Berus, Produktmanager bei Bosch, diskutierte in einem spontanen Brainstorming mit den Studierenden Ideen für Car-Sharing-Konzepte in post-Covid-19-Zeiten. Das breite Spektrum an externen Impulsen lieferte nicht nur Einblick in verschiedene Aspekte eines Innovationsökosystems, sondern auch Inspiration für die Geschäftsmodellentwicklung der Studierenden.

3.TECHNISCHER SUPPORT

Die DRITTE ERFOLGSKOMPONENTE war die technische Unterstützung. Dimitri Degkwitz, ein studentischer Mitarbeiter, sorgte für einen reibungslosen Ablauf und konnte auch Sonderwünsche erfüllen. Hier zeigte sich die Kompetenz der FFHS, und dass die Studierenden durch den FFHS-Online-Unterricht bereits sehr versiert im Umgang mit den technischen Hilfsmitteln waren und selbstständig für die Funktionsweise der eigenen Geräte sorgten.

Insgesamt sind der Kreativität, dem Eifer und der Interaktion durch die Online-Durchführung des Zukunftsworkshops keine Grenzen gesetzt und er steht dem ansonsten vor Ort stattfindenden Modul in puncto Erfolg und Ergebnissen in nichts nach. «Es ist hochinteressant, welche umfassenden Erkenntnisse sich mittels der strukturierten Vorgehensweise des Design Thinkings innerhalb kürzester Zeit erzielen lassen. Und das sogar remote!» fasste Teilnehmer David Specker seine Erfahrungen zusammen und für Sonja Wenger endete der Workshop längst nicht mit den Abschiedsworten der Dozierenden: «Den Workshop empfand ich wie einen Steigbügel für die Selbstständigkeit oder um eigene reale Geschäftsideen zu initiieren. Inspirierend, motivierend, fokussiert und mit viel Spass dabei.» Nur das gemeinsame Feierabendbier trinkt sich schwierig im Chat.

(Erstpublikation in der Zeitschrift «UnternehmerZeitung, 5/2020»)