Prof. Dr. Daniela Mühlenberg-Schmitz und Prof. Dr. Daniel Zöbeli 05/01/2024

Ehrenamt und Bezahlung – ein Widerspruch?

Lange gehörte das unbezahlte ausserberufliche Engagement zum guten Ton, und das damit verbundene Prestige wurde als ausreichender Lohn dafür betrachtet. Unter diesen Bedingungen sind in der Schweiz jedoch immer weniger Personen bereit, sich in einem Vereinsvorstand oder Stiftungsrat zu engagieren. In Anbetracht der gesellschaftlichen Veränderungen, der gestiegenen fachlichen Anforderungen sowie des zunehmenden Haftungs- und Reputationsrisikos, sind angemessene Entschädigungen für Mandatsträger heute jedoch zuzulassen.

Meistens übernehmen gewählte Führungsorgane nicht nur strategische Leitungsfunktionen, sondern sie engagieren sich fallweise auch im Tagesgeschäft. In Krisensituationen, beispielsweise im Fall einer Kündigung der Geschäftsführerin bzw. des Geschäftsführers, kann sich die Arbeitslast plötzlich vervielfachen. Dies zeigt sich etwa bei grösseren Institutionen, die über eine komplexe Organisationsstruktur verfügen. Dort kann das Arbeitsvolumen der obersten Organe ähnlich hoch sein wie bei nebenamtlichen Gemeinderäten, die hierzulande hingegen entschädigt werden. Leider wird die hier behandelte Lohnfrage vor allem im Zusammenhang mit angeblichen Missbräuchen thematisiert, die es – obwohl nicht die Norm – tatsächlich immer wieder gibt.

Folgt man der gängigen Debatte, darf die Bezahlung eigentlich kein Motiv zur Ehrenamtlichkeit sein, vielmehr sollen in erster Linie intrinsische Bedürfnisse befriedigt werden. Allerdings – und das ist entscheidend – bedeutet «Non-Profit» grundsätzlich nur, dass die Stiftung uneigennützig handelt, nicht aber deren Organe. Demzufolge sollte das von Vorständen verlangte Opfer eigentlich bereits dann erbracht sein, wenn ein allfälliges Entgelt leistungsgerecht ist.

Stiftungsaufsichtsbehörden tolerieren Entschädigungen vermehrt

Zahlreiche Stiftungsaufsichtsbehörden haben den Handlungsbedarf erkannt und unterstreichen die nötige Professionalisierung der strategischen Führungsebene. So heisst es beispielsweise in den neuesten Musterstatuten der eidgenössischen Stiftungsaufsichtsbehörde: «Der Stiftungsrat kann für seine Mitglieder eine angemessene Vergütung vorsehen.» Vor diesem Hintergrund werden über Spesenersatz und Sitzungsgeld hinausgehende Entschädigungen i. d. R. dann akzeptiert, falls diese auf einer reglementarischen Grundlage basieren und ein vernünftiges Mass nicht übersteigen. Zusätzliche Entschädigungen, etwa für arbeitsintensive Aufgaben oder für separate Mandate, werden im Einzelfall betrachtet. Typische Beispiele dafür sind Buchführungsarbeiten oder anwaltliche Tätigkeiten, wobei branchenübliche Sätze von den Behörden eher als zu hoch angesehen werden.

Entscheidend ist letztlich die nötige Transparenz über sämtliche Entschädigungen und Transaktionen, welche die strategischen betreffen. Folgerichtig verlangt das revidierte Stiftungsrecht in Art. 84b ZGB die jährliche Offenlegung «aller direkt oder indirekt ausgerichteten Vergütungen» – dies analog zum Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft.

Das steuerliche Paradigma der strengen Ehrenamtlichkeit wankt

Steuerbehörden gelten hingegen als besonders restriktiv. In der Tat ist Ehrenamtlichkeit gemäss einer älteren Empfehlung der Schweizerischen Steuerkonferenz SSK noch immer eine zentrale Voraussetzung zur Steuerbefreiung (vgl. Praxishinweise zuhanden der Kantonalen Steuerverwaltungen zur Steuerbefreiung juristischer Personen, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke oder Kultuszwecke verfolgen vom 18.01.2008). Eine zurückliegende Umfrage der Verfasser bei den kantonalen Steuerverwaltungen zeigt jedoch, dass Vorstandsentschädigungen bereits seit Jahren nicht mehr das entscheidende Kriterium zur Steuerbefreiung sind.

Es zeigen sich allerdings schweizweit grosse Unterschiede, was dem verfassungsmässigen Grundsatz der Besteuerungsgleichheit widerspricht. Mangels einer klaren gesetzlichen Grundlage dominiert in der Steuerbefreiungspraxis demzufolge eine unterschiedlich restriktive Einzelfallbetrachtung: Einige fortschrittliche Kantone betonen, dass hohe Entschädigungen nicht automatisch zum Verlust der Steuerbefreiung führten. Genauso wichtig seien beispielsweise der gemeinnützige Zweck, der offene Rahmen der Begünstigten oder die zweckentsprechende Verwendung eines allfälligen Liquidationsertrags. Eine Minderheit, vor allem kleinere Kantone sowie Zürich, ist demgegenüber sehr streng und toleriert nur symbolische Beträge. Im Rahmen der Standortförderung scheint sich jüngst im Kanton Zürich jedoch ein Paradigmenwechsel abzuzeichnen. Aufgrund einer erheblich gesunkenen Stiftungsstandortsattraktivität und eines aktuellen Rechtsgutachtens «zu den steuerlichen Rahmenbedingungen für ein wirkungsvolles Stiftungswesen» hat der Zürcher Regierungsrat Anfang dieses Jahres eingelenkt: Neu dürfe dem Stiftungsrat eine angemessene Entschädigung ausbezahlt werden. Was unter «angemessen» zu verstehen ist, müsse laut Angaben von Behördenvertretern allerdings noch definiert werden.

Kurz & knapp

Im Stiftungsbereich verlangen eine zunehmende Regulierung sowie zunehmende Haftungs- und Reputationsrisiken vermehrt nach leistungsgerechten Entlohnungen. Professionelle Arbeit angemessen zu entschädigen, unterläuft den Non-Profit-Gedanken nicht zwingendermassen. So fällt es der Organisation leichter, die entsprechende Leistung in einer verbindlichen Qualität sowie zeitgerecht einzufordern. Unerlässlich ist es, dass das Entschädigungssystem einer Stiftung klar zwischen strategischen Kernaufgaben und ausserordentlichen Tätigkeiten unterscheidet, wobei bei Ersterem das Prinzip der Ehrenamtlichkeit höher zu gewichten ist. Weiter müssen die Entschädigungsgrundsätze schriftlich festgehalten und von einer übergeordneten Instanz abgesegnet werden, beispielsweise der Stifterversammlung (falls eine solche existiert) sowie der Stiftungsaufsicht. Das Transparenzgebot verlangt zudem, Entschädigungen jährlich in der Jahresrechnung offenzulegen, und zwar für jedes Mitglied einzeln im Anhang. Der sorgfältige Umgang mit Entschädigungen und externen Mandaten mag in der Tat einen gewissen Mehraufwand erzeugen, er dient aber letztlich der Zweckerfüllung. Schliesslich steht und fällt die Legitimation und Reputation jeder Stiftung mit jenen Personen, die in ihrem Auftrag handeln.

(Erstpublikation: Stiftung&Sponsoring, 02/2024)