Victoria Mirata 01.10.2015

Auf in die neue Arbeitswelt

Unsere Arbeitswelten werden flexibler, mobiler und digitaler. Was sind aber die wichtigsten Treiber dieser Veränderungen? Wie wirken sie sich auf unsere Arbeitswelt aus? Eine Spurensuche.

Die rasant fortschreitende technologische Entwicklung ist im Begriff, unsere Arbeitswelt massgeblich zu verändern. Daten und Informationen, die früher ausschliesslich am Arbeitsort in Schränken und Archiven zu finden waren, sind heute digital in Clouds auf Serverfarmen gespeichert und beinah von überall aus verfügbar. Laptops, Smartphones, mobile Headsets und Tablets sind längst unsere treuen Begleiter und werden immer stärker in den Arbeitsprozess integriert. War eine Zusammenarbeit in einem Projekt früher ausschliesslich in einem physischen Raum denkbar, kann man sich heute mühelos in einem virtuellen Raum treffen, Daten und Informationen teilen und synchron an einem Dokument arbeiten. Virtuelle Kommunikation, virtuelle Meetings sowie digitale Informationen prägen also stark unsere heutige Arbeitswelt, die vernetzter, flexibler und mobiler wird. Doch mit welchen Folgen?

Third Places & Multi Spaces

Heute können wir unseren Tätigkeiten an verschiedensten Orten nachgehen. Es entstehen multilokale Arbeitsorte: Wir arbeiten im Home Office und an Third Places wie in Bahnhöfen, Zügen und Cafés. Wir organisieren uns in Co-Working Spaces oder erledigen unsere Aufgaben in Multi Spaces im Bürogebäude – in der Cafeteria, der Bibliothek oder an informellen Rückzugsorten – wie es in vielen Unternehmen schon heute zum Alltag gehört. «Das Gebäude selbst ist schon längst zu einer hochvernetzten Arbeitsumgebung geworden.» Über elektronische Displays und interaktive Wände werden Informationen visualisiert und dadurch das unternehmensspezifische Wissen schnell weiterverbreitet – mit dem Ziel Innovationsprozesse zu beschleunigen und den effektiven Wissensumsatz bei den Mitarbeitenden zu fördern.

Die Arbeitswelt ist individueller geworden und orientiert sich stärker an den persönlichen Lebensstilen der Arbeitnehmer. Dies öffnet ihnen neue Möglichkeiten zur Gestaltung der persönlichen Work-Life-Balance – gleichzeitig bedeutet die neue Freiheit aber auch eine Herausforderung im eigenverantwortlichen Umgang mit der Arbeitszeit und der Arbeit selbst. Neue Kompetenzen sind erforderlich, sowohl bei den Mitarbeitenden in Bezug auf Selbstorganisation und Selbstverantwortung als auch bei den Führungskräften im Rahmen einer vertrauensbasierten Führung. Als Folge entstehen neue Organisationsstrukturen, die nicht mehr auf den hierarchischen Prinzipien beruhen und sich hinsichtlich der Art und Weise, wie wir heute arbeiten, als sinnvoller und effektiver erweisen.

Herausforderung Wissensmanagement

Wir leben in einer Wissens- und Informationsgesellschaft. Organisationen sind immer mehr von den Wissensressourcen und Kompetenzen ihrer Beschäftigten abhängig. Wissensarbeit ist jedoch eine vollkommen andere Art der Arbeit: Sie ist hoch kommunikativ, teamorientiert und kollaborativ, was entsprechend neue Sozial- und Medienkompetenzen erfordert. Gleichzeitig benötigt Wissensarbeit passende Räume, welche die Generierung von Wissen unterstützen und ein optimales Arbeitsumfeld schaffen, sei es für die konzentrierte Einzelarbeit oder intensive Team-Zusammenarbeit.

Eine besondere Rolle kommt dabei dem Wissensmanagement zu. Durch die gesteigerte Innovationsdynamik, die zunehmende Digitalisierung und schnelle Verbreitung von Informationen entsteht ein riesiger Pool an Wissen, den es möglichst effektiv zu nutzen gilt. Organisationen sollten die Bedeutung des Wissensmanagements in der neuen Arbeitswelt nicht unterschätzen, denn hier warten grosse Herausforderungen. Schnell droht ein Wissensverfall sowie eine Überforderung der Mitarbeitenden, welche die zunehmende Informationsflut nicht mehr zu bewältigen vermögen. Verbunden mit der gesteigerten Innovationsdynamik wird Wissensarbeit zudem immer stärker vom «stillen» Wissen, dem Tacit Knowledge, bestimmt, das nur in den Köpfen der Mitarbeitenden vorhanden und nirgends dokumentiert ist. Daher sind Unternehmen gefordert, sich verstärkt mit der Bereitstellung, Speicherung, Verfügbarkeit und Teilung von Wissen auseinanderzusetzen. Immer mehr Organisationen haben den Stellenwert des Wissensmanagements für ihren Erfolg erkannt. Sie integrieren das Wissensmanagement in die Firmenphilosophie und machen es zum wichtigen Bestandteil der Unternehmenskultur.

Wer gewinnt den War for Talents?

Durch die altersbedingte Abnahme der geburtsstarken Jahrgänge, der sogenannten Baby Boomer, schrumpft der Pool an Talenten auf dem Arbeitsmarkt und es entsteht ein zunehmender Mangel an Fach- und Führungskräften. Private und öffentliche Organisationen müssen sich verstärkt mit der Frage auseinandersetzen, wie sie die geeigneten Bewerber in Zukunft finden und diese langfristig binden können. Diesen War for Talents («Kampf um Talente») zu gewinnen, wird nicht einfach sein. «Die neuen Generationen stellen ihre eigenen Anforderungen.» Denn die neuen Generationen – Generation Y gefolgt von den nach 1995 geborenen Digital Natives – stellen ihre eigenen Anforderungen an die Arbeitswelt. Neben erhöhter Flexibilität möchten sie ergebnisorientiert geführt werden und ihre individuellen Projekte verwirklichen. Angetrieben durch das Streben nach Anerkennung statt materieller Reichtümer gewinnen Netzwerke und neue Formen der Kommunikation für sie immer mehr an Bedeutung. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Arbeitsumgebung bei der neuen Generation ein kritischer Faktor bei der Auswahl der Arbeitgeber ist. Viele Unternehmen arbeiten daher verstärkt an ihrer Arbeitgebermarke und beziehen dabei die Gestaltung von Bürogebäuden ein. Denn die Corporate Identity, aber auch die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden, widerspiegelt sich nicht zuletzt in der physischen Arbeitsumgebung. Um für die Bewerber und Mitarbeitenden attraktiv zu sein, gewinnt die Gestaltung des Bürogebäudes als intelligente, technikbasierte, medial unterstützte und zugleich hochemotionale Arbeitsumgebung immer mehr an Bedeutung. Eine spannende Reise in die neue Arbeitswelt hat erst begonnen. Herzlich willkommen!

Das Projekt office 21

Wie werden wir in Zukunft arbeiten und leben? Mit dieser Kernfrage beschäftigt sich das Forschungsprojekt «Office 21» des Fraunhofer Instituts IAO, dessen Kooperationspartner die FFHS seit 2014 ist. Eine Reihe von Best-Practice-Besuchen im Rahmen des Office 21-Projektes zeigt, wie internationale Unternehmen schon heute auf die veränderten Arbeitsgewohnheiten eingehen. Der deutsche Sportartikelhersteller adidas hat in Herzogenaurach ein ganzheitliches «Learning Campus»-Konzept umgesetzt. Dieses beinhaltet eine virtuelle Plattform und einen physischen Raum, um den Wissensaustausch bei den Mitarbeitenden zu fördern. Die baulichen «Brücken»-Elemente des Gebäudes intensivieren zusätzlich den neuen Umgang mit Wissen als wichtige Ressource des Unternehmens. www.office21.de

 

Victoria Mirata ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Fernstudien- und eLearningforschung (IFeL) der FFHS. victoria.mirata@ffhs.ch