Anja Bouron und Oliver Ittig 20.05.2016

6. FFHS Business Breakfast: Data Science – alles Gold was glänzt?

Das FFHS-Business Breakfast am 19. Mai widmete sich ganz dem aktuellen Thema Data Science. Obwohl das Schlagwort „Big Data“ bereits seit einigen Jahren nicht mehr von Konferenzen und Zeitungsartikeln wegzudenken ist, bleibt es ein Enigma für viele Unternehmen. Besonders KMU fragen sich oft worin der Nutzen ist und, wenn jener erkannt wurde, wie es für eine kleinere Firma mit weniger „Datenumsatz“ umsetzbar ist.

Die Frühstücksdiskussion der FFHS, die nun bereits in die 6. Runde ging, zog als Experten zwei Chief Data Scientists hinzu, die die Materie tagtäglich bearbeiten und umsetzen. Marcel Blattner bei tamedia:digital und Frank Block von ricardo.ch sind verantwortlich für die Aufarbeitung und Interpretation aller möglichen Daten bei ihren Arbeitgebern. Obschon beide passionierte Datenjäger und –sammler sind, kennen sie die Hürden und Probleme, denen man insbesondere am Anfang begegnet.

Data Science – die businessorientierte Strategie ist das A und O

Marcel Blattner verglich Data Science mit Kochen und einem Dinnerabend. Man kann entweder planlos einkaufen gehen, irgendwas zusammenschütteln, hoffen, dass was Anständiges dabei rauskommt und die kurzfristig eingeladenen Gäste dann auch Zeit haben. Oder man plant das Abendessen: man überlegt sich, was man wie servieren möchte, lädt die Gäste ein, plant den Aperitif, das den ersten Hunger stillt und serviert dann das umsichtig zubereitete Mahl. Auch Daten können wahllos aufgegriffen und irgendwie analysiert werden oder man überlegt sich eine Strategie, wie damit umgegangen werden soll.

Beide Referenten pochten darauf, dass Data Science ein Unterfangen ist, das vom Business und nicht von der IT getrieben wird. Die IT ist das Hilfswerkzeug und kommt ganz am Schluss bei der Umsetzung zum Zuge. Im Fokus hingegen steht immer das Geschäft und was dabei verbessert, verändert, angepasst werden soll: Wer sind denn wirklich die Kunden? Wie lassen sie sich segmentieren? Was zeichnet sie aus? Weshalb sind sie an unserem Produkt interessiert? Was interessiert sie ausserdem? Was beeinflusst sie? Wie loyal sind sie? …
Wenn diese Fragen feststehen, werden Daten gesammelt. Interne oder externe Quellen, strukturiert oder unstrukturiert. Datenbestände werden unter die Lupe genommen: welche stehen zur Verfügung, was ist ihre Herkunft und wie ist deren Qualität. Während Hr. Block eher dazu neigt, Daten lieber erst mal zu sammeln analog dem Motto „zu viel ist besser als zu wenig“, ist Hr. Blattner überzeugt, dass es für eine anständige Datenanalyse nicht unbedingt die Masse benötigt. Interessant auch aus datenschutz-technischen Gründen ist, dass Tamedia aktuell keine Daten aus Social Media Kanälen sammelt.

Bei der Einführung von Data Science im Unternehmen soll vorab durch eine Strategie die Unterstützung der Geschäftsleitung gesichert und ein datenorientiertes Denken und Handeln verankert werden. Wichtig ist am Anfang der Aperitif: Etappenziele und kleinere Datenprojekte ermöglichen quick wins, die wiederum der Geschäftsleitung Erfolgserlebnisse aufzeigen und dabei helfen, Vertrauen zu gewinnen.

Der Hypothese folgt das Experiment: Messen und Vergleichen

Unbedingt zu beachten ist, den Ergebnissen nicht blind zu vertrauen sondern stets fundiert zu hinterfragen. Aus den Resultaten sollten anschliessend unbedingt messbare Aktionen definiert werden: Als aktuelles Beispiel bei ricardo.ch sind das, weitere Empfehlungen bei nicht gewonnen Bieteinsätzen oder allgemein eine optimierte Suchmaschinenfunktion, die zu mehr Klicks führen und so den Umsatz steigern kann.
Interessant ist auch die Vorgehensweise die Hr. Block empfiehlt und die den Erfolg der Data Science vergleichbar macht: das Experiment. In anderen Worten - die Annahmen, die aus der Datenanalyse gezogen werden, müssen in Aktionen ausprobiert werden. Wie verhalten sich nun meine Kunden nachdem die Suchmaschinenfunktion angepasst wurde? Eine vergleichende Messung kann dabei sehr hilfreich sein. Dabei wird ein Teil der Kundschaft weiterhin so bedient wie bisher und ein zweiter Teil verwendet die angepasste Version. Damit lässt sich leicht erkennen, ob Änderungen, die auf Data Science Ergebnissen beruhen, überhaupt eine Wirkung erzielen und wie hoch diese ausfallen.

Multidisziplinäre Teams

Der dritte Stützpfeiler bei einer sinnvollen Einführung von Data Science ist neben der Strategie und dem Business-Fokus das Team. Multidisziplinarität sowie Interesse für das Geschäft und Beständigkeit zählen zu den wichtigsten Charakteristika eines erfolgreichen Data Science Teams. Das sollte demzufolge nicht nur aus Technikern wie IT-Ingenieuren und Data Scientists bestehen, sondern unbedingt auch Menschen mit Branchen-Knowhow und/oder einem Background in Betriebsökonomie.

Voraussetzung ist eine offene Denkweise

Soweit so gut – die Frage bleibt, ob Data Science ein Trend ist, mit dem sich auch die KMU ernsthaft auseinandersetzen oder erst einmal abwarten sollten. Herr Block sieht die Sache pragmatisch: ein Hype kommt und ein Hype geht. Was bleibt ist der Durst nach Know-How und die Analyse von Informationen, um diesen zu stillen.

Jedoch verfällt gerade ein KMU gerne der trügerischen Ansicht, dass es sein Business und seinen Markt kennt. Wie das Unternehmen selbst scheinen die beiden Aspekte entweder klein oder mittelgross und vor allem überschaubar zu sein. Gerade der Patron als Allrounder sollte sich von seiner Überzeugung lösen, auf alles eine Antwort zu haben und alles zu kennen, was oft nur Bauchgefühle sind, die sich bei weitem nicht immer bestätigen. Um der Data Science eine Chance geben zu können, müssen sich die Geschäftsleiter von dieser Einstellung trennen und den Mut haben, sich eventuell eines Besseren belehren zu lassen und damit zu neuen Einsichten bzw. neuen Potenzialen zu kommen.

Was sich für KMU ausserdem positiv bemerkbar macht ist die fast kostenlose und für jedermann zugängliche Verfügbarkeit gewisser Analysetools, die Skalierbarkeit durch Cloudlösungen und günstig verfügbarer Speicherplatz. Vor allem Open Source Software bietet KMU die Möglichkeit, viele Experimente in der Datenanalyse auf einfache Weise durchzuführen.