Victoria Mirata 01.10.2016

«AGILE OFFICE» – DAS BÜRO DER ZUKUNFT

Wie agil Unternehmen reagieren können, häng nicht unwesentlich vom Arbeitsraum ab. Wer sich schnell verändern will, braucht Arbeitsräume, die anders sind.

«Agilität» (lat. agilitas) bedeutet «Beweglichkeit, Gewandtheit». Bekannt vor allem aus der Softwareentwicklung, taucht der Begriff in den letzten Jahren wie aus dem Nichts im Umfeld von Organisationen auf. «Agil zu sein» kann als die Fähigkeit verstanden werden, auf Umweltveränderungen schnell reagieren zu können. Jede Organisation will heute plötzlich agil sein, agile Mitarbeitende haben und agile Prozesse einführen. Warum? Die Dynamik und Interdisziplinarität der heutigen Arbeitswelt bedingt eine rasche Anpassungsfähigkeit der Organisation, um auf veränderte Bedingungen möglichst schnell und effizient reagieren und damit Wettbewerbsvorteile weiterhin sichern zu können.

Um eine Organisation agil zu machen, müssen spezifische Merkmale (siehe Infobox) berücksichtigt und mehrere Dimensionen wie Strategie, Organisation, Personal und Technologie entsprechend gestaltet werden. Eine wesentliche Dimension, die bis heute – wenn überhaupt – nur am Rande berücksichtigt wird, ist der Arbeitsraum. Eine Organisation, die sich schnell verändern will, braucht Arbeitsräume, die anders sind. Sie sollen als «Agile Office» die Merkmale einer «agilen Organisation» unterstützen. Die FFHS forscht seit 2014 als Mitglied des Verbundforschungsprojektes OFFICE21 des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO auf dem Gebiet der neuen Arbeitswelten. Mit Recherchen, Best-Practice-Besuchen sowie dem Erfahrungsaustausch mit den Projektleitern und Beteiligten, die neue Bürokonzepte bereits umgesetzt haben, sind die Forschenden den essentiellen Merkmalen eines «Agile Office» bereits einen Schritt näher gekommen. Was sind also Merkmale eines «Agile Office» und wie kann es die rasche Anpassungsfähigkeit einer Organisation unterstützen?

Vielfalt der Arbeitsbereiche

Viele erfolgreiche Unternehmen wie Google, Roche, Airbnb, easyCredit oder Deloitte setzen auf Multispace-Bürolandschaften, die eine grosse Vielfaltan Arbeitsbereichen bieten und somit tägliche Aktivitäten und Bedürfnisse der Mitarbeitenden unterstützen: Bereiche für konzentriertes Arbeiten in Form von Think Tanks, Bibliotheken oder flexiblen Einzelbüros, Kommunikationsbereiche für Teamarbeit, z.B. Projekträume und für informelle Treffen wie eine Lounge oder Cafeteria, und Entspannungsbereiche wie etwa Massagekabinen. Ein offenes Multispace-Konzept (jedoch mit genügend Orten für konzentriertes Arbeiten) dient der horizontalen Struktur und offenen Kommunikation einer agilen Organisation. Manager geben ihre luxuriösen Büros auf und reservieren stattdessen einen Konferenzraum oder einen Arbeitstisch inmitten der Kollegen, um näher bei Projekten zu sein und gemeinsam an innovativen Ideen arbeiten zu können.

Mehr Raum für Kreativität und Zusammenarbeit

Innovationsfähigkeit ist ein wichtiges Merkmal einer agilen Organisation und kann durch Arbeitsräume gefördert werden. So zeichnen sich die Räumlichkeiten durch eine Vielzahl an kollaborativen Orten, Kommunikationshubs, informellen Treffpunkten und kreativen Werkstätten aus – ausgestattet mit flexiblen Möbeln, beschreibbaren Wänden und Tools für Design Thinking. Das Arbeitsumfeld ist also so gestaltet, dass Interaktionen zwischen den Mitarbeitenden bestmöglich gelingen können und dadurch die Chance auf Entstehung von Innovationen und neuem Wissen optimal genutzt wird. Ein kreatives Design regt zudem Denkprozesse an und macht Arbeitsorte inspirierender.

Adaptivität und Individualisierung

Das «Agile Office» geht auf generationenspezifische Verhaltenspräferenzen ein und kann somit jeder Altersgruppe – ob Baby Boomers, Generation X oder Millennials – optimale Arbeitsbedingungen bieten. Es berücksichtigt Bedürfnisse älterer Kollegen (z.B. Zusatzbeleuchtung) und passt sich den Ansprüchen der ganz jungen Generationen (z.B. Arbeitsorte mit informellem Charakter, Lounges für mentale Pausen) an.

Multiple Vernetzung und smarte Technologien

In einem «Agilen Office» ist die Zukunft bereits die Gegenwart, was die Nutzung moderner Technologien betrifft wie WiFi Hotspots, Cloud, 3D Printing für Prototyping oder mobile Smartgeräte. Auch das «Internet der Dinge» ist vielversprechend und führt schon heute zu nachhaltigen Veränderungen in agilen Bürowelten. So können die Mitarbeitenden bei Deloitte in Amsterdam die Raumtemperatur und Lichtintensität über eine App steuern. Die Sensoren im Konferenzraum erkennen, wie viele Personen im Raum sind. So wird die Luftzufuhr automatisch angepasst. Verlassen alle den Raum, geht das Licht automatisch aus und die Putzfrau wird per System verständigt, wie intensiv der Raum gereinigt werden muss.
 

MERKMALE EINER AGILEN ORGANISATION

Dezentrale Entscheidungsfindung und Kommunikation über Netzwerke statt Hierarchien sind wichtige Attribute von Organisationen geworden. Auch das Verständnis von Führung erfährt einen tiefgreifenden Wandel. Immer öfter setzt man auf Autonomie und Vertrauen statt auf Befehle und Kontrolle bei der Führung der Mitarbeitenden. Virtuelle Zusammenarbeit und  Projektarbeit in selbstorganisierten Teams sind oft unerlässlich. In der globalen Strategie nehmen organisationales Lernen und Wissensmanagement einen hohen Stellenwert ein. Auch die Erwartungen an Mitarbeitende hinsichtlich ihres Verhaltens haben sich stark verändert. Von (agilen) Mitarbeitenden wird ein proaktives Verhalten (z.B. Antizipation möglicher Probleme, Eigeninitiative), Anpassungsfähigkeit (z.B. spontane Zusammenarbeit, das kontinuierliche Lernen) sowie Flexibilität (z.B. positive Einstellung gegenüber Veränderungen) erwartet.

Victoria Mirata ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Fernstudien- und eLearningforschung (IFeL) der FFHS. victoria.mirata@ffhs.ch