Thomas Kaiser und Karin Stoller 01.10.2016

Meine Abschlussarbeit

Die Bachelor-Thesis ist der krönende Abschluss des Studiums. Zuvor gilt es aber, tief ins Thema einzutauchen, dem Zeitdruck standzuhalten und Resultate adäquat zu Papier zu bringen. Zwei Absolventen berichten über ihre persönliche Erfahrung mit ihrer Abschlussarbeit.

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* THOMAS KAISER verfasste seine Thesis zum Thema «Werkzeuge für das Management von Geschäftsprozessen» im Bachelor Informatik.

Geschäftsprozesse durch IT-Lösungen effizient zu unterstützen ist eine grosse Herausforderung für die meisten Unternehmen. Gelingt dies nicht in ausreichendem Mass, leiden die Anwender unter unnötig komplexen Abläufen und als Konsequenz verteuern sich die Produkte.

Unterstützung bei der Lösung dieser Problematik versprechen Anbieter von Business Process Management Applikationen (BPM), durch Standardisierung der Modellierung und Ausführung von Prozessen. Eine Auswahl dieser Werkzeuge habe ich in meiner Bachelor-Thesis untersucht. Da ich auch beruflich im Business Process Engineering tätig bin, hatte mich das Thema direkt angesprochen, als ich es auf der Liste der Themenvorschläge der FFHS entdeckte. Um die grosse Vielfalt der angebotenen BPM Applikationen auf eine bewältigbare Menge einzuschränken, setzte ich den Fokus insbesondere auf Open Source Software (OSS) Lösungen.

Als Methodik zur Untersuchung und Bewertung der einzelnen Applikationen habe ich auf Basis aktueller Literatur eine Bewertungsmatrix erarbeitet, aufgeteilt in verschiedene Kategorien und themenverwandte Unterkategorien. Zur Minimierung der unerwünschten Subjektivität basiert diese Bewertungsmatrix auf dem Prinzip des analytischen Hierarchieprozesses (AHP), mit den drei nachvollziehbaren Erfüllungsgraden «erfüllt», «teilweise erfüllt» oder «nicht erfüllt». Inhaltlich untersucht habe ich die drei Hauptkategorien Modellierung, Process Engine und Allgemeines und darin enthaltene Unterkategorien wie Umsetzungsgrad des Business Process Model and Notation (BPMN) Standards in der Version 2.0, Architekturen, Benutzerverwaltung und -unterstützung, Schnittstellen, sowie Durchführung, Monitoring und Simulation von Prozessen. Da möglicherweise nicht alle Kategorien für alle Anwendungsfälle gleich wichtig sind, hat die Bewertungsmatrix zudem eine Möglichkeit zur Gewichtung.

Insgesamt hat die Evaluation gezeigt, dass einige OSS BPM Werkzeuge ihre Versprechen durchaus zufriedenstellend einlösen und dass insbesondere die drei Ersten der Gesamtwertung (Camunda BPM, Bonita BPM und jBPM) bereits in der OSS Version umfangreiche Funktionalitäten anbieten. Für komplexe Anwendungen gibt es zudem für alle Tools bei Bedarf eine kommerzielle Supportorganisation im Hintergrund, so dass diese Anwendungen eine interessante, flexible und zuverlässige Option für das Management von Geschäftsprozessen darstellen.

Für mich persönlich besonders lehrreich war die Erstellung der Bewertungsmatrix während der Thesis. Das Erarbeiten von Bewertungskriterien und die möglichst objektive Durchführung der Evaluation waren eine Erfahrung, von der ich in Zukunft sicher noch profitieren werde.

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* KARIN STOLLER schrieb ihre Thesis «Führt Macht zu Unzufriedenheit nach Verhandlungen?» im Bachelor Betriebsökonomie.

Verhandlungsparteien tendieren unter gewissen Umständen trotz objektiv guter Verhandlungsergebnisse zu subjektiver Unzufriedenheit. Diese Diskrepanz hat mich überrascht und interessiert. Insbesondere weil jüngere Studien zeigen, dass gerade die subjektive Zufriedenheit nach Verhandlungen massgebend ist für den objektiven Erfolg zukünftiger Verhandlungen mit demselben Verhandlungspartner, und weil die längerfristige Verhandlungszufriedenheit heute zunehmend wichtiger wird. Doch welche Faktoren beeinflussen diese subjektive Zufriedenheit, wenn es nicht hauptsächlich der objektive Verhandlungserfolg ist?

Nach intensiver Literaturrecherche interessierte mich besonders der Einfluss von Macht und damit einhergehendem Counterfactual Thinking (Zweifelsgedanken). Ich wollte wissen, ob höhere Macht zu weniger subjektiver Zufriedenheit nach Verhandlungen führt als «tiefere» Macht. Höhere Macht kommt beispielsweise aufgrund der beruflichen Position oder aufgrund besserer BATNA (Best Alternative To a Negotiated Agreement) zustande.

Diesen Unterschied untersuchte ich anhand eines Online-Experiments. Ich erstellte je zwei Dialoge mit unterschiedlichen Machtszenarien und anschiessend beurteilten die Teilnehmenden des Experiments eine Verhandlungspartei in Bezug auf die Variablen «subjektive Zufriedenheit» und «Counterfactual Thinking». Die grösste Herausforderung war das Verfassen der Verhandlungsdialoge für das Online-Experiment. Es erwies sich als schwierig Dialoge zu erstellen, die in beiden Machtszenarien plausibel wirkten.

Die Hauptaussage meiner Arbeit ist, dass höhere Macht tatsächlich zu weniger subjektiver Zufriedenheit nach einer Verhandlung führt als tiefere Macht, und dass angenommen werden darf, dass dieser Einfluss zumindest teilweise aufgrund von Counterfactual Thinking zustande kommt. Macht in Verhandlungen hat offensichtlich zwei Gesichter: Derselbe Faktor, welcher in einzelnen Verhandlungen der Schlüssel zum objektiven Erfolg ist, kann in längerfristigen Verhandlungsbeziehungen ein Risiko darstellen. Um längerfristig objektiv erfolgreich zu verhandeln, müssen Parteien also ihre eigene Verhandlungsmacht relativieren und sich für eine möglichst hohe gemeinsame subjektive Zufriedenheit engagieren.