11.05.2017

10. FFHS Business Breakfast Soziales Unternehmertum

Sozialfirmen agieren nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien und helfen damit Menschen, die keine Beschäftigung und keine Tagesstruktur haben. Wie sozialer Auftrag und Business zusammenspielen können, zeigen Paola Gallo und Reto Schaffer am FFHS Business Breakfast.

Es gibt 400 davon in der Schweiz, belegt eine neue Studie der FFHS. Sie geben 40‘000 Menschen neuen Halt, nachdem Sie aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden sind, bieten ihnen Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten. Sie beschäftigen aber auch 10‘000 Mitarbeitende und erwirtschaften 630 Millionen Umsatz: Sozialfirmen.

Soziale Unternehmen bilden eine Wirtschaftssparte, die nicht ignoriert werden sollte, fasst Co-Autorin Daniela Schmitz zusammen. «Wir konnten die Branche der Sozialfirmen in der Schweiz erstmals quantifizieren», erklärt die Forscherin und hält fest: «Die Firmen bieten Arbeitsplätze für benachteiligte Zielgruppen, sind aber auch mit Produkten und Dienstleistungen am Markt tätig. Sozialfirmen spielen längst nicht nur mehr gesellschaftlich eine Rolle, sondern sind auch wirtschaftlich wichtig.»

Business UND Sozialwerk

Dass Business und Sozialwerk Hand in Hand gehen, wird schnell klar, wenn soziale Unternehmer aus dem Nähkästchen plaudern. Am FFHS Business Breakfast diskutierten Reto Schaffer und Paola Gallo. Sie ist Geschäftsführerin des – komplett ohne staatliche Gelder funktionierenden – Vereins Surprise, welcher soziale Stadtführungen, eine Strassenfussballliga, sowie einen Strassenchor organisiert, Beratung anbietet und das Strassenmagazin «Surprise» produziert, er leitet die Geschäfte der Trinamo AG, einer im Aargau beheimateten Sozial-Grossfirma, die eine ganze Reihe Tochterunternehmen – vom Restaurant bis zur Schlosserei – betreibt. Beide Firmen beschäftigen Menschen, die auf dem regulären Stellenmarkt keine Arbeit finden.

Reto Schaffer wendet die Digitalisierung positiv: «Wir versuchen die Hauptthemen der Industrie 4.0 schon jetzt so gut wie möglich umzusetzen, damit wir für die Zukunft gerüstet zu sein». Denn anders als in einem rein wirtschaftlich geführten Unternehmen, ist er nie ganz sicher, wann wo wie viele Personen eingesetzt werden können. Personen mit körperlichen oder psychischen Gebrechen können kurzfristig ausfallen. Deshalb setzt er ganz auf die Flexibilität im (auch digitalen) Netzwerk. Die Grösse von Trinamo ermöglicht es ihm, Arbeitskräfte wenn nötig von einer Sparte in eine andere oder von einem Tochterunternehmen in ein anderes zu verlagern und so flexibel auf kurzfristige Ausfälle zu reagieren. Damit das funktioniert, sind digitale Tools und eine breite Vernetzung unumgänglich.

Schlüssel Motivation

Sowohl Paola Gallo als auch Reto Schaffer wollen, dass die Menschen, denen sie zu helfen versuchen, möglichst selbständig, frei und aus Eigenmotivation heraus agieren können.

Der wirtschaftliche Erfolg sei natürlich zum Teil auf die erhöhte Qualität des Magazins zurückzuführen, erklärt Paola Gallo. Vor allem habe man aber die Arbeitsbedingungen der Verkaufenden verbessert. Ihr Anteil am Erlös wurde erhöht und mit Sozialleistungen ergänzt und damit die Motivation gesteigert. «Mittlerweile sind unsere hochmotivierten Verkaufenden die besten Argumente ein Surprise zu kaufen.»

Reto Schaffer entwickelt seinerseits gerade eine Art Alternative zum Altersheim. Auf einer digitalen Plattform werden Pensionierte anmelden können, welche Dienstleistungen sie benötigen, und was sie selber anbieten können. Dadurch sollen sie im Heim zumindest einen Teil ihrer Aufenthaltskosten selber tragen können und ihre Fähigkeiten nutzbringend und sinnstiftend einsetzen können. «Ein Altersheim kostet heute – je nach geforderter Leistung – zwischen 6000 bis 8000 Franken im Monat», sagt er. Trinamo will ein unterstütztes Leben für die Hälfte anbieten und damit der zunehmenden Überalterung und der knappen Finanzierung der Heime entgegenwirken.

Die Sozialfirmen Trinamo und Surprise geben Menschen die Möglichkeit, mit einer sinnvollen Tätigkeit wieder in einem Alltag Fuss zu fassen. Allerdings vergeben sie keine Almosen: Über wirtschaftliche Anreize wie Aufstiegsmöglichkeiten, reduzierte Heimkosten oder Umsatzboni motivieren sie die Hilfsbedürftigen dazu sich selber zu helfen.

Präsentationen

  • Daniela Schmitz, Daniel Zöbeli: Die Schweizer Sozialfirmenlandschaft – Aktuelle Forschungsergebnisse
  • Reto Schaffer: Social Entrepreuneurship – Einblick in die Praxis der Trinamo
  • Paola Gallo: Verein Surprise – Viele Angebote, ein Ziel