12.10.2017

12. FFHS-Business Breakfast: Deep Learning zwischen Hype und Potenzial

Am 12. FFHS-Business Breakfast diskutierten der Forscher Beat Tödtli des LWS, Lukas Bossard von Fashwell und Matthias von Rohr der MyData AG mit dem Publikum, welches Potenzial Deep Learning und Artificial Intelligence für Unternehmen bieten kann.

«Deep Learning» hat in den letzten Jahren in vielen Teilgebieten des Machine Learning wichtige Impulse gesetzt, denn es ist in vielen Bereichen des maschinellen Lernens mit grossen Datenmengen die derzeit erfolgreichste Technologie. Die Google-Suchen nach dem Begriff „Deep Learning“ stiegen seit 2012 rasant an. Es begann, nachdem signifikante Ergebnisse an einem Bildklassifikationswettbewerb erzielt wurden und das Potenzial von Deep Learning deutlich wurde. Der Start eines Hype?

Deep Learning ist nicht Didaktik und hat nichts mit Lernen im althergebrachten Sinne zu tun. Es betrifft das maschinelle (oder statistische) Lernen von neuronalen Netzen mit Hilfe von neuen Algorithmen.

Deep Learning kann aus grossen Datenmengen Muster extrahieren, welche für Computer bisher unzugänglich waren und für uns einen hohen kommerziellen Wert darstellen, da sie für Menschen intuitiv einen Sinn ergeben. Das System lernt: Mit jedem Datensatz werden die Algorithmen besser und in jeder Schicht die Muster und das Ergebnis besser. Am Beispiel der Bilderkennung zeigt Beat Tödtli, Forscher am Laboratory for Web Science (LWS) der FFHS, dass in frühen Schichten eines neuronalen Netzes nur Kanten und Schatten erkannt werden, in den mittleren Schichten bereits schemenhaft Nasen und Augenpartien und in den tieferen Schichten dann bereits sehr klar die Gesichter. Das System hat begriffen, dass es nach Gesichtern suchen muss.
Bei der Texterkennung ist es ähnlich und die neuronalen Netze erstellen sinnvolle Darstellungen für einzelne Begriffe oder gar Sätze.

Doch neben den ethischen und moralischen Herausforderungen, die sich beim Thema künstliche Intelligenz (KI) aufdrängen, steht die Forschung und Entwicklung vor mindestens drei grossen technischen Problemen

  1. Da die AI-Systeme mit jedem Datensatz dazulernen, braucht es grosse Datenmengen. Diese mögen den Internetgiganten vorliegen, doch für die anderen Unternehmen bedeutet es, diese Datenmassen erst zu generieren, was mit entsprechendem Aufwand einhergeht.
  2. Die Systeme lernen nur durch vielfach wiederholtes Verhalten, was aufwendig ist. Bspw. lernt ein Roboter beim Gehen nicht zu fallen nur dann, wenn er bereits sehr oft gestürzt ist. Eine anspruchsvolle Angelegenheit, da es bislang keine gute mathematische Formulierung gibt, mit welcher man ganze Programmiersequenzen, die das „Verhalten“ von Robotern definieren, effizient verbessern und diese Simulation tausende Male durchlaufen lassen kann.
  3. Bei der Spracherkennung verzerren Hintergrundgeräusche schnell das Ergebnis und die Diversität der Menschheit in Form von Dialekten erschwert die Erkennung.

Neue Business Models dank Deep Learning

Trotz dieser Schwierigkeiten hat es Fashwell geschafft mit Hilfe der Bilderkennung ein rentables Business aufzubauen. Fashwell ist ein kleines Unternehmen mit 10 Angestellten in sechs Ländern. Lukas Bossard und sein Kommilitone erkannten als Doktoranden an der ETH bereits, dass beim Kleidershopping der Link zwischen Handel und Internetcontent fehlt. Das Kaufverhalten hat sich seit der Ankunft von online Shopping und Social Media signifikant verändert und macht diese Links eigentlich unentbehrlich. Heute blättert die Fashionista nicht mehr durch 20 unterschiedliche Modemagazine sondern lässt sich lieber von Instagram inspirieren. 96% aller Marken weltweit sind dort vertreten, doch der modebewusste Surfer auf Instagram hat die grössten Schwierigkeiten herauszufinden, wo er die dort entdeckten Modetrends denn überhaupt kaufen kann. Das ist im Endeffekt gleichermassen frustrierend für die Modeproduzenten und den -retailern, denn jedes Mal geht mit diesem fehlenden Link ein potentieller Käufer verloren.

Jedes System ist nur so gut wie das Datenmaterial mit dem es „gefüttert“ wird. Im Falle eines Beauty Contest, der mit Hilfe von AI durchgeführt wurde, wurde das Programm primär mit Daten genährt, die Gesichtsmerkmale anglosächsischer Herkunft aufwiesen. Das Resultat war, dass die Gewinner des Wettbewerbs genau diese Herkunft aufwiesen. Das Problem bei Deep Learning ist die schwer nachvollziehbare Transparenz der Lernentwicklung. Bei einfachen Problemstellungen ist diese Nachvollziehbarkeit möglicherweise noch gegeben, doch bei komplexeren Aufgaben wird dies zunehmend schwierig.

Deep Learning ist ein Werkzeug, mit welchem ein Business Case umgesetzt werden kann. Aber ein KMU ist nicht Google oder Uber und sollte sich daher sehr gut überlegen ob Deep Learning die Antwort auf ihre Probleme bietet. Insbesondere bieten einfachere Digitalisierungsprozesse meist mit weniger Aufwand einen Grossteil des Mehrwerts. Anhaltspunkte für KMU können folgende sein:

  • Wurden einfachere Machine Learning Methoden bereits ausgereizt?
  • Können Prozesse mit Deep Learning effizienter gestaltet werden?
  • Hat es mit Bild, Text oder Audio zu tun, bei welchem eine Erkennung angewendet werden kann?
  • Sind grosse Datenmengen vorhanden?
  • Unterstützen Innovationsprozesse im Unternehmen das geplante KI-Projekt?
  • Sind Fachkräfte vorhanden bzw. kann externes Know-how mit hinzugezogen werden, um zu prüfen, ob und welche Methode des Machine Learing sinnvoll ist?

Vertrauen in die Technologie

Zur Frage wie die Sicherheit gewährleistet werden kann, wenn Algorithmen im Deep Learning schlecht zu kontrollieren sind bzw. limitierte Transparenz aufweisen, macht Beat Tödtli vom LWS darauf aufmerksam, dass Vertrauen in der Anwendung von Technologie eine Rolle spielt. Als Menschen vertrauen wir Menschen fast blind, doch bei Maschinen erwarten wir eine 100%-ige Fehlerfreiheit. Wir steigen bedenkenlos in eine Tram ein und vertrauen darauf, dass der Tramführer eine solide Ausbildung gemacht hat, die einen Unfall verhindert. Wenn ein selbstfahrendes Auto einen Unfall baut, stellen wir schnell die Technologie an sich in Frage. Um jedoch Vertrauen in neue Technologien aufbauen zu können, ist es wichtig, dass auch in der Bildung gefordert und gefördert wird, regelmässig zu hinterfragen und zu überprüfen. Nur dann können Fehler idealerweise vermieden oder zumindest erkannt werden.

Was wir als Menschen jedoch weniger gerne in Betracht ziehen, ist die Überlegung, ob künstliche Intelligenz uns Menschen neue, andere Werte und Betrachtungsweisen vermitteln könnte. Bislang entwickelten wir die Technologie, damit sie uns in unseren Aufgaben unterstützen kann. Die Vorstellung, dass ein System uns mitteilt, welche Werte wir vertreten sollten, wird skeptisch betrachtet. Schnell fällt einem der amoklaufende Twitter-Chatbot von Microsoft ein, der nach einem halben Tag Aktivität auf dem Social Network Feministinnen einsperren wollte und den Nationalsozialismus toll fand.

Doch wird die künstliche Intelligenz weiterhin eine grosse Rolle spielen und es gibt weit mehr positive und ermutigende Beispiele. Unternehmen wie Fashwell setzen die Technologie bereits profitträchtig ein und die Aussichten z.B. im Gesundheitssektor könnten vieles bewegen. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz kann ein Arzt inzwischen mit sehr hoher Sicherheit eine korrekte Diagnose erstellen. Es bleibt spannend!

  • Präsentation 12.FFHS-Business Breakfast

Das FFHS Business Breakfast ist eine Veranstaltungsreihe der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS). Die Breakfasts bringen Fachleute aus Wissenschaft und Praxis zusammen, um gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Themen zu diskutieren. In ungezwungenem Rahmen eröffnen sich dem Publikum neue Perspektiven auf die grossen Herausforderungen unserer Zeit.

Sammeln Sie bei Kaffee und Gipfeli Anregungen,  tauschen Sie Ideen aus und knüpfen Sie wertvolle Kontakte, bevor es weiter zur Arbeit geht. 

Das FFHS Business Breakfast ist eine Veranstaltungsreihe der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS). Die Breakfasts bringen Fachleute aus Wissenschaft und Praxis zusammen, um gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Themen zu diskutieren. In ungezwungenem Rahmen eröffnen sich dem Publikum neue Perspektiven auf die grossen Herausforderungen unserer Zeit.

Sammeln Sie bei Kaffee und Gipfeli Anregungen,  tauschen Sie Ideen aus und knüpfen Sie wertvolle Kontakte, bevor es weiter zur Arbeit geht.