17.04.2018

«Mehr Effizienz beim Lernen»

Die Fernfachhochschule Schweiz feiert heuer ihren 20. Geburtstag. Im Rahmen des Jubiläums war Per Bergamin als Leiter des Instituts für eLearning (IFeL) zu Gast bei Radio Rottu Oberwallis (rro) und hat über die jüngsten Aktivitäten seines Instituts und des UNESCO Lehrstuhls für personalisiertes und adaptives Lernen gesprochen.

Das komplette Gespräch  mit Per Bergamin können Sie natürlich auch im O-Ton nachhören (Teil 1Teil 2 und Teil 3).

rro: Was ist und was macht das iFeL?

Das Institut für Fernstudien eLearning Forschung untersucht, wie man moderne Medien beim Lernen einsetzen kann. Wir schauen immer, was die Zukunftstrends sind und wie man didaktisch geschickt mit diesen umgehen kann.

rro: Wie sind Sie zu dieser Position gekommen, was bereitet Ihnen Freude daran?

Forschen ist etwas Wunderbares. Man kann immer beobachten, was funktioniert, was nicht. Das entspricht dem menschlichen Spieltrieb. Und es macht Spass, wenn man sieht, dass Sachen laufen. Dann ist das auch ein bisschen wie spielen, man hat eine Riesenfreude, dass man das Umsetzen kann. Eine wichtige Funktion ist nachher auch zu publizieren: Bücher und Artikel zu schreiben. Dies mache ich von Natur aus gerne.

rro: Etwas ganz Wichtiges ist das adaptive Lernen. Sie haben in Brig den UNESCO-Lehrstuhl für personalisiertes und adaptives Fernstudium. Was kann man darüber sagen?

Eines der Ziele der UNESCO ist es, weltweit qualitativ hochstehende Bildung zu haben. Das bedeutet auch, dass in Gebieten – nicht nur in Industrieländern – sondern auch in Entwicklungsländern das Lernen mehr verbreitet wird. Hier besteht ein riesen Bildungsdruck, es braucht sehr viele Lehrer, von denen man aber zu wenige findet. Wir haben uns nun überlegt, wie man mit Medien und neuen Technologien helfen kann. Das ist das, was wir eigentlich machen. Wir arbeiten im Moment mit Südafrika zusammen und sind da in der Lehrerbildung tätig.

rro: Was erforschen Sie genau?

Wir schauen wie Computer bzw. Maschinen beim Lernen die Lernenden unterstützen können. Wir sehen wie schnell Lernende lernen, wie gut sie an Prüfungen abschneiden, wie lange sie beim Antworten zögern. Das können wir alles messen. Aufgrund dieser Daten reagieren wir relativ schnell, indem wir beispielsweise eine Aufgabe vereinfachen oder wenn jemand sehr gut ist, schwieriger machen. Heute können wir da wirklich just-in-time, also sofort, reagieren. Und das ist etwas ganz Wichtiges in der Bildung.

rro: Per Bergamin, Sie als Leiter des IFeL erforschen und untersuchen viel Verschiedenes. Erklären Sie mal genauer, wie so eine Forschung überhaupt von statten geht. Nennen Sie uns ein Beispiel?

Unter anderem entwickeln wir sogenannte Sensoren, die sehr schnell Feedbacks beim Lernen ermöglichen. Wichtig dabei ist, dass man positive Emotionen ermutigt. Wir entwickeln etwas, bei dem man mittels Kamera Muskelveränderungen aus dem Gesicht ablesen kann und interpretieren diese anschliessend. Mit Kollegen aus Südafrika und der Türkei sind wir dabei herauszufinden, ob die Sensoren gut funktionieren. Und zwar testen wir ganz günstige Face-Reading-Geräte auf ihre Funktionalität und wie wir diese genau einsetzen können. Face Reader für Forschungszwecke kosten bis zu CHF 30‘000.-, Geräte aus dem Gaming-Sektor allerdings kosten nur CHF 300 bis 400.-

rro: Hier geht es ja vor allem um das adaptive und individuelle Lernen. Erklären Sie uns, was man sich unter einem adaptiven Fernstudium überhaupt vorstellen kann.

Um auf das Beispiel des Gesichtes zurückzukommen, ist es so, dass wir sofort auf die Person selber reagieren. Im Klassenraum kann man das nicht. Da wir mittels Maschine die Person ganz genau beobachten, können wir das. Aufgrund der individuellen Merkmale können wir sagen: ok du hast positive Gefühle, hier können wir diese verstärken oder du hast negative Gefühle, wir verändern diese. Das sind Interventionsmöglichkeiten, die wir auf einer persönlichen Ebene haben.

rro: Wie wirkt sich das auf das Lernen beim Studenten selber aus? Merkt der Student das?

Ganz direkt merkt er das nicht, weil wir das Lehr- und Lesematerial oder die Übungen verändern. Indirekt reagiert er viel schneller, sobald die Übungen leichter werden. Das ist der Effekt. In einem Interview haben sich die Studenten geäussert, dass sie die Veränderungen eigentlich nicht bemerken, sie stellen einfach noch die Kinderkrankheiten des Programms fest, sind aber beim Lernen auch engagierter.

rro: Was ist das Ziel des adaptiven Studiums?

Ziel ist das Gewinnen von mehr Effizienz und dass wir vor allem Leute mit Schwierigkeiten davon abhalten können, ihr Studium abzubrechen, indem wir uns an sie anpassen.

rro: Wie funktioniert die internationale Zusammenarbeit? Wie tauschen Sie sich auf verschiedenen Kontinenten zusammen aus, um gemeinsam etwas zu erreichen?

Wir reisen einmal im Jahr nach Südafrika zur Uni-Leitung und legen gemeinsam ein Programm für das Folgejahr fest. Zweitens haben wir sehr viele Online-Sitzungen über Videokonferenz und tauschen uns wöchentlich aus. Drittens haben wir einen Forschungsaustausch: das sind südafrikanische Kollegen, die sich um Stipendien bewerben, um in unseren Labors zu arbeiten, gehen dann zurück nach Südafrika und führen vor Ort Projekte durch. Die Ergebnisse publizieren wir gemeinsam.

In einer weiteren Phase ist es umgekehrt; Mitarbeitende aus unserem Institut reisen nach Südafrika, machen anschliessend zurück in der Schweiz die entsprechenden Forschungsarbeiten und die gemeinsamen Publikationen. So entsteht ein schönes Netzwerk. Wichtig ist auch: mit der UNESCO haben wir einen Vertrag, die Forschung auszuweiten und mit anderen Ländern zusammen zu arbeiten. So haben wir jetzt eine Kooperation mit der Türkei angefangen.

rro: Welches sind die gemeinsamen Ziele, die man sich in dieser Forschungskooperation erhofft? Was will man in Zukunft zusammen erreichen?  

Wie anfangs schon erwähnt, verbessern wir die elektronischen Lernsysteme. Es ist relativ simpel: wenn viele zusammen arbeiten, ist das Gemeinsame mehr als die Einzelteile.