Melanie Biaggi 07.09.2023

Der Mann, der Stechmücken mit dem Handy jagt

Mücken sind nicht nur lästige Insekten, sie können auch gefährliche Krankheiten übertragen. Schätzungen zufolge sterben jährlich weltweit mehr als zwei Millionen Menschen an Malaria. Grund genug für Dario Vieceli, seine Bachelorarbeit der bioakustischen Erkennung von Stechmücken zu widmen.

«Bsss» – jeder kennt dieses Geräusch. Abends kurz vor dem Einschlafen ist sie plötzlich zu hören: die Mücke, die es trotz geschlossenen Fenstern ins Schlafzimmer geschafft hat. Viele können das kleine Insekt vor dem Schlaf nicht mehr ignorieren, weil sie tags darauf nicht mit Stichen übersät und von üblem Juckreiz geplagt aufwachen wollen. Betroffene nehmen also den Kampf auf.

«Mücken sind lästige Insekten. Jede und jeder von uns hat schon seine Erfahrungen mit ihnen gemacht. Dieser Grundstress war der Anfang. Der entscheidende Ausschlag für die Idee zu meiner Bachelorarbeit gab aber die Tatsache, dass die Mücke jenes Tier ist, dass weltweit am meisten Menschen tötet», sagt Dario Vieceli, der 2022 an der FFHS seinen Bachelor of Science in Informatik erfolgreich abgeschlossen hat.

Weltweite Überwachung

In der Schweiz gibt es rund 35 einheimische und bis heute drei gebietsfremde Stechmückenarten. Weltweit sind es zirka 3500 Arten, die Blut saugen, 100 davon leben in Europa.

Schon seit Jahrhunderten wird das Mückenaufkommen erforscht und überwacht. Im Tessin ist für die Überwachung der Stechmücken die Fachhochschule Südwestschweiz (SUPSI) verantwortlich. Auch die Stanford und die Oxford University beispielsweise forschen in diesem Bereich.

Gemäss Dario Vieceli gibt es vor allem zwei Arten der Überwachung: entweder visuell oder auditiv. Die bioakustische Überwachung anhand der Flügelschlagfrequenz ist eine gängige Methode. In seiner Arbeit untersuchte Dario Vieceli, ob solch eine Verfahrensweise lokal auf Smartphones funktioniert.

Geräusche werden zu Bildern

Das CNN-Modell von Dario Vieceli erkennt, ob eine Mücke im Raum ist oder nicht und das Ganze funktionierte in der Laborumgebung sogar auf einem Smartphone. Die spezifische Stechmückenart oder gar um was es sich sonst für ein Tier handelt, kann das Modell nicht verifizieren. «Ist es eine Mücke oder nicht. Punkt. Auch das kann einem schon weiterhelfen, wenn man nicht einschlafen kann», meint Vieceli.

Am Anfang seiner Arbeit stand die Datensammlung. Er brauchte für das Trainieren seines Modells zum einen Audiosignale von Mücken, zum anderen Geräusche, die in einem ruhigen Zimmer vorkommen können, wie zum Beispiel Schnarchen, Niesen, Babyschreien, ein offenes Fenster. Mit diesen über 60000 Geräuschen wurde sein Model mittels Transfer Learning trainiert.

Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft werden Audiosignale gemäss Dario Vieceli am besten mit CNN-Modellen kategorisiert. Konkret: die Audios müssen dazu in Bilder, sogenannte Spektrogramme, transformiert werden. Für diese Umwandlung der Audios in Bilder wurden alle Files auf 300 Millisekunden gekürzt und beim Einlesen zu einem Kanal (Mono) zusammengeführt.

«Da mein Modell für Smartphones konzipiert wurde, brauchte ich Mücken-Audios, welche vorzugsweise mit einem Handy aufgenommen wurden», erklärt Vieceli. Die Datensuche war kein einfaches Unterfangen. Fündig wurde er unter anderem bei Forschenden der Stanford University, die Steckmücken bereits mit einem Handymikrofon aufgenommen hatten.

Für die Applikation wurden Daten genutzt, bei denen die Aufnahmedistanz maximal 27 Zentimeter betrug. «Handymikrofone haben eine Geräuschunterdrückung integriert. Es stellte sich also die Frage, wie gut die Audiofiles überhaupt sind», so Vieceli.

Ausbaufähige Applikation

Alle Audiodateien musste Dario Vieceli auf ihre Grösse und auf ihren Inhalt kontrollieren, indexieren und kategorisieren. Neben den Audiofiles der Stanford University konnte er noch auf weitere Audiodatenbanken zurückgreifen. Das Sammeln dieser Daten und ihre Aufbereitung sei eine grosse Herausforderung bei dieser Bachelorarbeit gewesen, die neben dem Trainieren des Modells am meisten Zeit kostete, sagt Vieceli.

Für die finale Verifizierung des Modells auf einer Prototyp-Applikation blieb gegen Ende nicht mehr viel Zeit. «Meine Applikation funktioniert nur unter gewissen Bedingungen. Im Testraum muss es beispielsweise absolut ruhig sein – aber es hat funktioniert», erklärt Vieceli.

Obwohl beim Experiment in dieser Arbeit gute Leistungswerte erreicht wurden, ist die Performance für einen breiten Einsatz in der Praxis noch zu niedrig. Dennoch hätte die Applikation Potenzial. Sie könnte dahingehend erweitert werden, dass eine Erkennung der Mückenart möglich ist. Ähnlich wie bei Modellen für die Vogelerkennung. Ornithologen können heute schon anhand von Audiofiles sagen, ob es etwa eine Blaumeise oder eine Amsel ist.

Für seine Bachelorarbeit wurde Dario Vieceli mit dem «Kaspar-von-Stockalper-Preis» ausgezeichnet. Die Jury schrieb in ihrer Begründung dazu unter anderem: «Wenn die Überwachung der Mücken vereinfacht und zudem die Kosten reduziert werden, wird damit ein globales wirtschaftliches Interesse angesprochen».

Zum Studiengang