29.01.2024

Macht eine Frau ihrem Ärger Luft, wird sie als weniger kompetent wahrgenommen

Ärgert sich eine Frau im beruflichen Umfeld verliert sie stärker an Ansehen als Männer in derselben Situation. Dies haben diverse Studien gezeigt. Wirtschaftsingenieur Florian Baumgartner wollte es genauer wissen und untersuchte in seiner Bachelorarbeit die geschlechtsabhängigen Auswirkungen von Ärger in Verhandlungen.

Florian Baumgartner arbeitet als Projektleiter im Baunebengewerbe und Verhandlungen gehören zu seinem Berufsalltag. Da kann es manchmal auch hoch zu und hergehen, wenn etwa über Preise oder Lieferzeiten verhandelt wird. «Bei einer Verhandlung ist das Ergebnis wichtig. Ideal ist eine Win-Win Situation. Entscheidend für die spätere Zusammenarbeit ist aber auch, wie man sein Gegenüber während der Verhandlung wahrgenommen hat», sagt Florian Baumgartner.

An Praxiserfahrung in Verhandlungen mangelt es Florian Baumgartner nicht, er wollte sich aber noch mehr Theorie aneignen und einigen brennenden Fragen auf den Grund gehen. Etwa – wird ein Mann, der seinem Ärger Luft macht, als durchsetzungsfähig wahrgenommen? Oder spricht man einer verärgerten Frau direkt ihre Kompetenz ab? In seiner Bachelorarbeit «Geschlechtsabhängige Auswirkungen von Ärger in Verhandlungen», ging er unter anderem diesen Fragen nach.

Ärger ist bei Verhandlungen immer ein Thema

Warum hat sich Baumgartner für die Emotion „Ärger“ entschieden? «Zum einen, weil es eine starke Emotion ist, zum andren, weil Ärger ein häufiges und wichtiges Thema in Verhandlungen ist, da er sowohl die Dynamik als auch das Ergebnis beeinflussen kann», erklärt Baumgartner.

Egal welche Emotion, diese bei Verhandlungen auszublenden dürfte für beide Geschlechter schwer sein. Dazu Baumgartner: «Schlussendlich sitzen Menschen am Verhandlungstisch. Kommen Emotionen ins Spiel sollten diese auf der Sachebene thematisiert werden. Ist jemand verärgert sollte er dies klar und ruhig ansprechen».

Für seine Abschlussarbeit im Bachelor Wirtschaftsingenieurwesen stellte Baumgartner mehrere Hypothesen auf – einige davon bestätigten sich, andere verwarf er.

Von alten Rollenbildern und gespielten Emotionen

«Es hat sich gezeigt, dass sich die Äusserung von Ärger vorwiegend negativ, bei Frauen stärker als bei Männern, auf die wahrgenommene Kompetenz auswirkt», so Baumgartner. Für beide Geschlechter sinke zudem die Bereitschaft zu einer erneuten Verhandlung in der Zukunft, wenn in Verhandlungen Ärger eingesetzt wird. Würden Emotionen vorgetäuscht oder überspielt, so habe das ebenfalls einen negativen Effekt auf die zukünftige Geschäftsbeziehung.

Emotionen, vor allem negative wie Ärger, sind also für Verhandlungsführerinnen ein Stolperstein und sie erhalten danach auch weniger Zugeständnisse als ihre männlichen Pendants. Gemäss Annahmen von Experten vermuten die Verhandlungspartner von Frauen, dass hinter dem Ärger persönliche Probleme stecken könnten. «Die Gründe dafür liegen wahrscheinlich in den scheinbar immer noch verankerten Rollenbildern und Stereotypen», so Baumgartner.

Soll sich eine Frau also in Verhandlungen anders verhalten? Davon rät der Wirtschaftsingenieur ab – gespielte und überspielte Emotionen seien ebenfalls ungünstig. Im Hinblick auf langfristige Partnerschaften ist es gemäss Baumgartner essenziell, dass ehrlich und authentisch gehandelt wird. Vertrauen bilde die Basis jeder Beziehung, ob geschäftlich oder im Privatleben.

In der Schweiz gilt: stets die Contenance bewahren. Wie wäre die Bachelorthesis von Baumgartner wohl ausgefallen, wenn sie einem anderen Land durchgeführt worden wäre? «Wohl ganz anders. Es wäre auf jeden Fall interessant, die Ergebnisse unter dem Gesichtspunkt verschiedener Kulturen zu vergleichen, beispielsweise im asiatischen Raum oder im Nahen Osten», sagt Baumgartner.

Zur Methodik

Mittels einer Untersuchung in Form eines Online-Vignetten-Experiments stellte Florian Baumgartner den rund 280 Teilnehmenden zufällig eine aus acht unterschiedliche Verhandlungssituationen vor. Die Situationen unterschieden sich durch die Variablen «Emotion» (Ärger ja / nein), «Geschlecht» und «Verhalten» (echt / gespielt). Anschliessend füllten die Probanden einen Fragebogen aus, in dem die Höhe der Zugeständnisse, die Wahrnehmung der Kompetenz und die Bereitschaft zu einer zukünftigen Verhandlung gemessen wurde.

 

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