Mathias Blatter 02.02.2024

Krebsvorbeugend leben – das können wir noch besser

Seit Jahrzehnten nimmt die Zahl krebskranker Personen zu. Der Anstieg ist vor allem auf soziodemografische Veränderungen zurückzuführen. Dr. Giulia Pestoni vom Departement Gesundheit der FFHS forscht seit Jahren rund um Ernährungsgewohnheiten, die ein wichtiger Bestandteil der krebsvorbeugenden Empfehlungen darstellen.

In Zusammenarbeit mit einer Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Sabine Rohrmann von der Universität Zürich hat Pestoni kürzlich drei Publikationen zum Thema «Krebsvorbeugender Lebensstil in der Schweiz» mitveröffentlicht. Ein Fazit daraus: Die Schweizer Bevölkerung hält sich zu wenig an krebspräventive Empfehlungen. 

Monitoring der Lebensgewohnheiten ist wichtig 

Während früher insbesondere berufliche Expositionen als Krebsursachen galten, werden heute immer häufiger unterschiedliche Lebensstile in den Fokus gerückt. So ist es seltener, dass Schadstoffe im Arbeitsumfeld beispielsweise eingeatmet, sondern vielmehr durch ungesunde Alltagsgewohnheiten aufgenommen werden. Entsprechend überrascht es nicht, dass Krebsfälle zunehmen. Es gilt aber auch ein simpler Fakt: «Eine immer älter werdende Bevölkerung begünstigt die Wahrscheinlichkeit von mehr Krebserkrankungen, sodass ein Anstieg erstmal per se nicht abnormal ist», so Pestoni. 

Ein Monitoring des Lebensstils in der Schweizer Bevölkerung ist entscheidend, um Risikofaktoren für die allgemeine Gesundheit zu identifizieren. Dazu zählt auch die Frage, wie krebsvorbeugend wir leben. Die Forschenden haben erstmals verschiedene Datensätze zusammengebracht. So konnten bestehende Gesundheitsdaten mit den repräsentativen Zahlen zum Lebensmittelverzehr und Ernährungsverhalten der Nationalen Ernährungserhebung «menuCH» vereint werden. Mit diesem Datensatz wurde untersucht, in welchem Masse die Schweizerinnen und Schweizer sich an die Empfehlungen zur Krebsprävention des World Cancer Research Fund (WCRF) und des American Institute for Cancer Research (AICR) halten. 

Zu viel des «Guten» 

Gemäss den Empfehlungen kann eine ausgewogene Ernährung helfen, Krebs vorzubeugen. So wird vom übermässigen Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch sowie hochverarbeiteten Lebensmitteln und zuckerhaltigen oder alkoholischen Getränken abgeraten. Ein Rat, der in der Schweizer Bevölkerung jedoch am wenigsten befolgt wird. Was schmeckt, wird konsumiert. Hingegen berücksichtigen 80 Prozent die Empfehlung, sich körperlich zu betätigen. Allgemein achten Männer, Personen mit tieferem Bildungsniveau und Raucher weniger auf einen krebsvorbeugenden Lebensstil. Aus anderen Studien bleibt klar, dass Raucher ein erhöhtes Krebsrisiko haben. Jedoch fallen je nach Krebsart unterschiedliche Lebensstile ins Gewicht. So hat Rauchen eine extreme Auswirkung auf das Lungenkrebsrisiko, während es keinen nachweisbaren Zusammenhang mit Prostatakrebs gibt. 

Das «Päckli» für den gesunden Lifestyle 

Aus der zweiten Studie des Forscherteams resultiert ein einfaches und praktikables Prinzip: «Wir beobachteten eine tiefere Gesamt- und Krebsmortalität bei Personen, die sich besser an die Empfehlungen zur Krebsprävention des WCRF/AICR hielten», hält Pestoni fest und ergänzt: «Besonders frappant ist dies bei der Sterblichkeit infolge von Krebs im oberen Magen-Darm-Trakt (Mund, Pharynx, Larynx und Speiseröhre) und Prostatakrebs». Die Empfehlungen beinhalten zehn Hauptaspekte (siehe Abbildung). Natürlich bietet die Befolgung jeder einzelnen Empfehlung schon einen Nutzen für den Krebsschutz. Den grössten Effekt erzielt man jedoch, wenn alle Empfehlungen als ein integriertes Verhaltensmuster in Bezug auf Ernährung, körperliche Aktivität und weitere Faktoren umgesetzt werden – als ein übergreifendes «Paket» sozusagen. 

Klischees bewahrheiten sich 

Wie sich die Befolgung der Krebspräventionsempfehlungen über die letzten 25 Jahre entwickelt und verändert hat, wurde in der dritten Studie untersucht. Dafür wurden Daten der Schweizerischen Gesundheitsbefragung verwendet, die alle fünf Jahre seit 1992 durchgeführt wird. Dabei zeigt sich, dass selbst über den Zeitverlauf bestimmte Klischees rund um soziodemografische Lebensstile in der Schweiz beständig blieben. Frauen und Menschen mit tertiärem Schulabschluss führen seit längerem und nach wie vor einen gesünderen Lebensstil. Weniger bewusst achten ältere Menschen sowie die Westschweizer Bevölkerung auf krebsvorbeugende Massnahmen. 

Dass im Tessin am gemächlichsten und gesündesten, in der Deutschschweiz deftiger und fleischhaltiger sowie in der Romandie gerne von etwas mehr Alkohol begleitet gespiesen wird, erstaunt auch nicht mehr. Pestoni hat in früheren Studien beobachtet, «dass die kulturellen und kulinarischen Einflüsse aus den entsprechenden Nachbarländern sich auch in Ernährungsgewohnheiten der sprachregionalen Gruppen der Schweiz widerspiegeln – und in der Berücksichtigung der Krebspräventionsempfehlungen». 

Jede und jeder Einzelne kann mehr 

Was bleibt, ist mitunter eine einfache Erkenntnis: Alle können noch mehr zur Krebsprävention tun – und zwar im Kleinen und angefangen bei sich allein! Für eine gemeinschaftliche Bekämpfung von Krebserkrankungen braucht es aber auch künftig Aufklärung und Information sowie weitere politische Vorgaben, um eines präventiven Lebensstils in der Bevölkerung zu fördern.