Fatih Erkut 04/20/2020

Generationenwechsel als Herausforderung

TIEFGREIFENDER CHANGE. Der Generationenwechsel ist für Führungskräfte und das Unternehmen eine Chance, nur muss man dabei ein paar Sachen wissen. Kooperation, Innovation und klare Positionen erleichtern die Zukunftsicherung der Firma. Nachfolgend ein paar wichtige Fakten und Tipps für jeden Verwaltungsrat, um die Prozesse und das Denken der nachfolgenden Generationen besser zu verstehen.

Im Jahre 2016 führte der Personaldienstleister «ManpowerGroup» eine internationale Studie durch zur Situation der Millennials, also jener zwischen 1980 und 2000 Geborenen, die auch als Generation «Y» bezeichnet werden. Daraus resultierte eine Prognose für den Arbeitsmarkt 2020 mit einer Verteilung der Werktätigen auf unterschiedliche Generationen wie folgt: 6 Prozent Baby-Boomer (1945 – 1965), 35 Prozent Generation «X» (1966 – 1980), 35 Prozent Generation «Y» (1980 – 2000) und 24 Prozent Generation «Z» (ab 2001). Die Übergabe des Staffelstabes zwischen den zahlenmässig bedeutendsten Generationen findet also jetzt statt. Entsprechend macht es für Unternehmer und Führungskräfte Sinn zu fragen, was das bedeutet und wie dieser Wechsel möglichst reibungslos, zukunftsorientiert und nachhaltig erfolgen kann.

Drei wichtige Aspekte

Für eine konstruktive Auseinandersetzung von Unternehmen mit dem Generationenwechsel ist es wichtig, sich folgender Aspekte bewusst zu sein:

  1. Der Wechsel zwischen Generationen ist ein natürlicher Prozess; er kann nicht aufgehalten, wohl aber – wie jeder Prozess – gestaltet werden.
  2. Aus der ökonomischen Perspektive betrachtet, bedeutet ein Generationenwechsel eine mögliche Veränderung der Erwartungen und des Verhaltens von Menschen in allen sozialen und wirtschaftlich relevanten Rollen (z.B. als Konsumenten und Arbeitnehmer), je nachdem, wie sehr sich Werte und Lebensstil der Generationen voneinander unterscheiden.
  3. Aufgrund langer Lebenserwartung und hohen Lebensstandards in den westlichen Industriegesellschaften macht das Ausscheiden einer Generation aus dem aktiven Berufsleben diese nicht für die Wirtschaft uninteressant. Der Wunsch nach sinnvoller Gestaltung der so gewonnenen Freizeit hat längst zur Entwicklung eines eigenen Marktes für diese Zielgruppe geführt. Wer nicht mehr im Berufsleben steht, ist längst nicht als Verbraucher «weg vom Fenster». Auch im Ruhestand bleiben frühere Arbeitnehmer als Konsumenten wichtig. Daher muss ein Generationenwechsel der nachrückenden Generation Raum geben, ohne dabei die Bedürfnisse der vorausgegangenen zu ignorieren.

Die jungen Generationen – wer sie sind und was sie wollen

Worin bestehen nun die Bedürfnisse, Erwartungen und Haltungen beider Generationen und worin unterscheiden sie sich?

Die Generation «Y» bildet die erste Generation, deren Angehörige mit digitaler Technik und ihren Anwendungen aufgewachsen sind, weshalb sie als Digital Natives bezeichnet werden. Das Gleiche gilt für die Generation «Z» hinsichtlich mobiler Kommunikationstechnologie und des mobilen Internets, was ihren Angehörenden auch die Bezeichnung Smart Natives eingebracht hat. Die genannten Innovationen prägen das Leben der mit ihnen aufgewachsenen Personen, ihre Einstellungen und Handlungen. Sie bedingen so Unterschiede zwischen den Generationen «Y» und «Z» sowie der ihnen vorausgegangenen Generation «X» und schaffen einen neuen Lebensstil mit stärkerer Betonung auf die sozialen Beziehungen. Dabei werden Kontakte in der virtuellen Welt nicht mit denen in der realen gleichgesetzt, doch die jüngeren Generationen nutzen intensiv mobile Kommunikationstechnologie zum Austausch mit ihren wichtigsten Bezugspersonen. Feedback ist für sie von entscheidender Bedeutung, im Beruf wie im Privatleben. Daher macht ihnen Arbeit im Team, bei der sie mitreden können, grossen Spass. Das unterscheidet sie von der eher individualistisch orientierten Vorgängergeneration.

Freude am Tun ist der grösste Motivator der jüngeren Generationen. Solange Arbeit Spass macht, sind sie bereit, die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben aufzuheben. Das bedeutet einerseits die Bereitschaft, auch ausserhalb üblicher Arbeitszeiten beruflich verfügbar zu sein. Anderseits schliesst es die Erwartung ein, während der Arbeit die Kommunikation mit Familie und Freunden aufrecht erhalten zu können. Es zeugt auch vom Wunsch nach Abwechslung, der in ihrer Rolle als Konsumenten eine geringere Bindungswilligkeit an Marken und Dienstleister bedingt. Digital und Smart Natives sind auf Vielfalt aus, sie wollen Anregungen – nicht zuletzt auch für ihre persönliche Entwicklung, die sie ebenso ernst nehmen wie ihre anderen Ideale.

Mehr noch als die Generation «Y» zeigt sich die Generation «Z» engagiert. Die «Fridays for Future»-Bewegung ist nur ein, derzeit jedoch wohl das prominenteste Beispiel dafür. Angehörige der jüngeren Generation(en) sind bereit, als Arbeitnehmer wie als Konsumenten für ihre Werte einzustehen und Unternehmen zu meiden, wenn diese – nach ihrem Verständnis – unethisch handeln. Eine solch «postmaterialistische» Haltung verlangt keinen prinzipiellen Verzicht auf hohen Lebensstandard. Sie setzt diesen nur in Relation zu nichtmateriellen Werten.

Für nachhaltigen Wandel – innovative Unternehmensstruktur schaffen

Nichts, was wir heute an und in der Generation «Y» und der Generation «Z» wahrnehmen, ist originär in diesen Alterskohorten entstanden. Das gilt für die materielle Seite, wie etwa die Technologien, derer sie sich bedienen,die für ihr Leben eine so wichtige Rolle spielen. Es gilt in gleicher Weise für Werte und Einstellungen. Woraus wiederum zu schliessen ist, dass bei allen Unterschieden zur vorausgegangenen Generation eine gemeinsame Basis mit dieser existiert.

Solche Gemeinsamkeiten müssen genutzt werden, um den Wandel hin zu zukunftsfähigeren und nachhaltigen Arbeits- und Geschäftsformen in Produktion und Dienstleistung zu vollziehen. Die Bedingungen sind günstig. Erstens sind bereits Führungspositionen auf unterschiedlichen Ebenen mit Vertreterinnen und Vertretern der Generationen «X» und «Y» besetzt, so dass deren Interessen in Unternehmen gut repräsentiert sind. Zweitens bringen die Digital und Smart Natives die nötigen Voraussetzungen mit: Dialogfreude, Neugier, den Willen zum Lernen und zur Veränderung, Offenheit und ein Bekenntnis zur Vielfalt. Diese Eigenschaften warten darauf, im richtigen Rahmen gefordert zu werden.

Der «richtige Rahmen» ist eine Unternehmenskultur der Innovation und Kreativität, der Kollaboration und Verständigung. Wer erkennt, dass die Unterschiede zwischen den Generationen nur Entwicklungsstufen innerhalb derselben Prozesse ausdrücken, eröffnet sich alle Chancen für ein konstruktives und kreatives «Sowohl-als-auch». Das ermöglicht ebenso den Generationenwechsel im Unternehmen wie die konsistente Fortführung erfolgreicher Kundenbeziehungen über die Schwellen der Generationen hinweg.

Miteinander und voneinander lernen – Wissenstransfer und Agilität

Die Aufgabe für die Angehörigen der unterschiedlichen Generationen besteht nun darin, voneinander und miteinander zu lernen, um den Transfer von Wissen zwischen den Generationen zu ermöglichen. Ziel dieses Wissensmanagements ist die Fortentwicklung des Bestehenden als Grundlage für neue innovative Produkte und Dienstleistungen. Die Generation «Y» und beginnend auch schon die Generation «Z» bringen ihr Technologieverständnis, ihre Kreativität und ihre ethischen Grundsätze ein, um auf dieser Basis die Befriedigung der Bedürfnisse ihrer Alterskohorten zu sichern. Das Ergebnis werden innovative, lernende und sich anpassende agile Unternehmen sein, die sich nachhaltig ihre Marktpositionen sichern können. Hinsichtlich der Berücksichtigung ethischer Werte hat die Schweiz bereits eine solide gesetzgeberische Grundlage geschaffen, die weiterzuentwickeln ebenfalls eine ideale Herausforderung für die jüngeren Generationen darstellt. Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen wie die des Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche geben dafür Beispiele und Inspiration.

Erstpublikation: «Unternehmerzeitung, 04/2020»