Harald Brodbeck, Sabrina Ernst 06/05/2020

Nach der Krise: Organisationen neu denken

Krisenzeiten zeichnen Ausnahmezustände für Unternehmen. Das Spannungsfeld zwischen Absicherung des Tagesgeschäfts und der Erhaltung der Zukunftsfähigkeit verschärft sich. Aber nicht nur Krisen erhöhen den Druck auf Unternehmen. Moderne Organisationen sehen sich auch im Alltagsgeschehen zunehmend mit einer radikal erhöhten Komplexität aus Markt-, Produkt- und Technologiesicht konfrontiert. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, greift Kosmetik an Prozessen auf der Mikroebene deutlich zu kurz – die Organisation muss grundlegend neu und prozessbasiert gedacht werden. Der Artikel zeigt Erfolg versprechende Stossrichtungen dafür auf.

Umsatzwachstum bei gleichzeitigem Gewinnrückgang sind ebenso Alarmzeichen, wie überlastete Mitarbeiter, unklare Verantwortlichkeiten und komplexe Schnittstellen: Das Unternehmen muss die Organisationstruktur deutlich überarbeiten. Das Ziel sollte lauten: Nachhaltige Erhöhung von Effektivität und Effizienz durch eine neue, prozessbasierte und zukunftsfähige Organisation – effizient im Tagesgeschäft, effektiv bei der Umsetzung der Strategie. Ein zentraler Schlüssel dazu ist es, mittels einer organisatorischen «Firewall» die vom Kunden geforderte Flexibilität nicht unkontrolliert in das betriebliche Geschehen durchschlagen zu lassen.

Unser Beispielunternehmen verzeichnete in den vergangenen Jahren ein solides Wachstum und macht aktuell mit ca. 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Umsatz von rund 70 Mio. Franken. Schon immer war die konsequente Kundenausrichtung wegleitend für das Denken und Handeln des Unternehmens. Allerdings ist trotz des Wachstums der Gewinn dramatisch eingebrochen. Wie konnte das passieren? Dem wachsenden KMU wurde seine Flexibilität – die Kernkompetenz, auf die man so stolz ist – zum Verhängnis. Denn Flexibilität erzeugte viel Komplexität: Die Kundenbasis wurde immer heterogener, das Produkt- und Serviceangebot immer breiter, die internen Prozesse immer vielfältiger. «Management auf Zuruf» funktioniert nun nicht mehr, die Organisation verzettelt sich. Die Folge sind Produktivitätseinbrüche, Terminverzögerungen, Lieferengpässe und Qualitätsprobleme. Blindleistung (die «Extra-Meile») und «Feuerwehrübungen» werden notwendig, damit Aufträge überhaupt noch abgewickelt werden können. Punktuelle Anpassungen der Struktur sollen Fehler zukünftig vermeiden, erzeugen
aber immer mehr Widersprüchlichkeiten, die Verantwortlichkeiten werden noch unklarer – das Unternehmen stösst an seine strukturelle Leistungsgrenze.