Natascha Ritz 07/24/2023

Faul, egoistisch, freiheitsliebend?

Der Generation Z wird nachgesagt, dass sie in der Arbeitswelt Selbstbestimmung und Work-Life-Balance vor alles andere stellt. Wie sollten Arbeitgebende darauf reagieren? Ein Augenschein bei Adrienne Schnyder, HR-Leiterin an der FFHS.

Die jungen Arbeitnehmenden in der Schweiz setzen ihre Schwerpunkte etwas anders als Generationen vor ihnen. Studien über die Gen Z zeichnen ein Bild von jungen Menschen, denen das Arbeitsklima und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wichtiger ist als ein hohes Gehalt oder eine Führungsposition. Sie trennen Arbeit und Freizeit klar voneinander und möchten Zeit für ihre Freunde und Familie haben. Sie sind sensibel für Themen wie Diversität und Nachhaltigkeit und erwarten dies ebenfalls von ihren Arbeitgebenden. Glaubt man den Umfragen, so ist ihre Einstellung zur Arbeit generell eher locker. Die Bereitschaft, über die Arbeitszeit hinaus einen Effort zu leisten, nimmt immer mehr ab, die Tendenz zu Teilzeit-Pensen zu. Und nicht zuletzt hinterfragen die Gen-Z-Mitarbeitenden gern bestehende Strukturen, möchten immer das grosse Ganze verstehen und in ihrem Tun einen Sinn sehen.

Soweit zu den Vorurteilen gegenüber den zwischen 1996 und 2010 Geborenen, die nun nach und nach in den Arbeitsmarkt eintreten. Auch wenn die Grenzen zwischen den Generationen fliessend sind und eine Pauschalisierung diffizil ist – die junge Generation ist offensichtlich in der Position, Forderungen an die Arbeitswelt zu stellen. Unternehmen müssen sich mit ihren Bedürfnissen auseinandersetzen, da der «War for Talents» durch den Fachkräftemangel zusehends intensiver wird.

Das sieht auch Adrienne Schnyder, HR-Leiterin an der FFHS, so. Seit Anfang dieses Jahres verantwortet die 28-Jährige das Personalwesen an der FFHS. «Es ist ein schönes Zeichen für die Jungen, dass man mir mit dieser Position das Vertrauen schenkt», so Schnyder.

New Work ist Realität

Adrienne Schnyder gehört mit Jahrgang 1994 knapp nicht mehr zur Generation Z. Sie studierte Soziologie in Fribourg und machte ihren Master in Weltgesellschaft und Weltpolitik an der Uni Luzern. Einen Generationenkonflikt an der FFHS, mit ihren 170 Mitarbeitenden und 500 Dozierenden, kann sie derzeit nicht feststellen. «Zum einen haben wir (noch) einen sehr geringen Anteil von Gen-Z-lern an der FFHS». Zum anderen sehe sie es auch problematisch, eine Generation pauschal über einen Kamm zu scheren. Aber es sei schon so, dass die Generation Z derzeit extrem gehypt werde, so Schnyder. Sie selbst gehört der Generation X an, fühlt sich aber nicht bewusst zugehörig zu einer Generation.

Erstaunlich findet sie, wie rasant die technologische Entwicklung abgelaufen sei, seit sie ein Teenager war. «Wir kannten gerade das Aufkommen von Facebook», sagt Schnyder, «doch wie die Generation nach uns mit den Sozialen Medien aufgewachsen ist, ist erstmalig».

Das ist ein unbestreitbares Merkmal der Gen Z. Als erste Generation ist sie komplett mit den digitalen Technologien und sozialen Medien aufgewachsen. «Für das HR heisst das, dass die Digital Natives vieles vom Arbeitgebenden voraussetzen, ganz einfach, weil es technisch möglich ist. New Work ist für diese Generation Realität», so die HR-Leiterin.

Heute kann die Arbeit in den meisten Bereichen problemlos auch zu Hause oder unterwegs erledigt werden, was eine grössere Flexibilität bedeutet, sowohl zeitlich als auch örtlich. Die Kehrseite der Medaille ist die Vermischung zwischen Privatem und Arbeit. Eben genau das, was die Gen Z lieber trennen will.

Mit Apps wie Outlook und Teams auf dem Handy ist die Erreichbarkeit praktisch rund um die Uhr gegeben. Adrienne Schnyder empfiehlt einen bewussten Umgang mit diesen Möglichkeiten. Sie persönlich habe sich technische Hürden eingebaut: «Ich habe nicht alle arbeitsrelevanten Apps installiert und nutze zuhause einen privaten Laptop. Man kann nicht erwarten, dass Mitarbeitende ständig verfügbar sind», sagt Adrienne Schnyder. Ihr Team weiss, wenn etwas dringend ist, ist sie auf ihrem privaten Handy erreichbar.

Attraktivität für alle steigern

Mit flexiblen Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit und Homeoffice bietet die FFHS bereits seit vielen Jahren attraktive Anstellungsbedingungen. Nicht von ungefähr. «Mit unserem Walliser Hauptsitz sind wir in einer Region tätig, in der Fachkräfte stark umkämpft sind», sagt Schnyder. Erst kürzlich hat die FFHS ihr Personalreglement überarbeitet: Homeoffice wurde nochmals flexibler, mobiles Arbeiten ermöglicht sowie der Vater- und Mutterschaftsurlaub deutlich verlängert. Die Gen Z stand dabei nicht vorderhand im Fokus. Ihr Ziel sei es, die Rahmenbedingungen für alle Altersgruppen und Geschlechter attraktiv zu gestalten, sagt Schnyder. Denn: «Genau betrachtet sind die vermeintlichen Forderungen der Gen Z wie Work-Life-Balance oder Teilzeit-Arbeit nicht neu, sondern entsprechen einfach der heutigen Gesellschaft.»