Andrea L. Sablone und Hagen Worch 02/28/2022

Wissenstransfer zwischen Hochschulen und lokalen Wirtschaftsakteuren in Bergregionen

Bergregionen stehen vor besonderen Herausforderungen in Bildung und Forschung. Die Hochschulen bieten ihnen auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen.

Herausforderungen eines dynamischen Wirtschaftsumfeldes

Viele Schweizer Berggebiete sind heute aufgrund verbesserter Infrastrukturanbindungen, nahegelegener Bildungsstandorte und der Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung bieten, sowohl für globale Unternehmen als auch für innovative Start-ups zu attraktiven Standorten geworden.

Trotz dieser Entwicklungen bleiben Herausforderungen bestehen, die sich aus dem spezifischen Kontext der Berggebiete ergeben. Dazu zählen der anhaltende Wegzug gut ausgebildeter jüngerer Bevölkerungsteile und der damit verbundene Fachkräftemangel. Auch können Unternehmen in Berggebieten weniger von Netzwerken profitieren als Firmen, die in Ballungsräumen etabliert sind. Hinzu kommen Probleme, dass die Internetanbindung noch nicht flächendeckend ist und es Regionen gibt, die diesbezüglich unterdurchschnittlich versorgt sind, wie Untersuchungen zeigen.

Mit innovativen Lösungen in der Vorreiterposition

Bestehende Herausforderungen können aber auch gleichzeitig eine Chance sein, innovative Lösungen zu erarbeiten. Häufig treten Herausforderungen in Randgebieten nämlich zeitlich vorgelagert auf und sind drängender als in anderen Regionen, wie das Beispiel des Fachkräftemangels zeigt. Mit Lösungsansätzen für diese Herausforderungen können sich Firmen als Vorreiter im Markt positionieren. Kooperationen mit Hochschulen bieten Unternehmungen und anderen Organisationen aus Berggebieten vielfältige Gelegenheiten, um unternehmens- und/oder problemspezifische Lösungen mit wissenschaftlichen Methoden zu entwickeln. Die Grundlage dafür sind erprobte Konzepte und etabliertes Wissen, welche auf die Anforderungen einer Partnerunternehmung zugeschnitten und in einem gemeinsamen Projekt umgesetzt werden. Dadurch erfolgt ein Wissenstransfer aus der Forschung in die Praxis, welcher den Unternehmen ermöglicht, eigene Kompetenzen aufzubauen und weiterzuentwickeln.

Wir stellen drei Modalitäten vor, wie eine solche Kooperation aussehen kann, und erläutern diese anhand von realen Beispielen.

1. Wissenstransfer durch angewandte Forschung

In angewandten Forschungsprojekten sind je nach Bedarf verschiedene Akteure beteiligt. Die Zusammenarbeit mit einer oder auch mehreren Fachhochschulen sichert bei der Lösungserarbeitung
    a) den Zugang zu aktuellem Fachwissen,
    b) eine wissenschaftliche Vorgehensweise und
    c) eine externe Perspektive, um Entwicklungen über die Grenzen der aktuellen Tätigkeit einer Unternehmung umzusetzen.

Die Orientierung an den Bedürfnissen der Firmen sowie die Entwicklung innovativer Lösungen steht im Zentrum der Umsetzung solcher Projekte. Ziel ist es, einen Mehrwert für die Unternehmen zu schaffen und sie fit zu machen für aktuelle und zukünftige Herausforderungen (z.B. Digitalisierung, Anwendung Künstlicher Intelligenz oder IoT, Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien). Je nach Projekt werden Expertinnen und Experten von Partnern, regionalen Wirtschaftsförderern, Branchenverbänden usw. mit hinzugezogen.

Für die Finanzierung solcher Projekte kommen öffentliche Einrichtungen sowie private Institutionen, wie Stiftungen, in Frage. Unternehmungen und Hochschulen müssen somit das finanzielle Risiko nicht alleine tragen.

Digitalisierung in der Holzwirtschaft

Ein Beispiel angewandter Forschung auf Unternehmensebene ist die Entwicklung eines Ansatzes, wie Schreinereien bei der Digitalisierung vorgehen können. Dabei wurden bestehende Management- und Digitalisierungsvorgehenskonzepte von Studierenden und Forschern der FFHS in Zusammenarbeit mit einer Walliser Schreinerei genutzt und auf die spezifischen Anforderungen von Schweizer Schreinereiunternehmen angepasst. Somit entstand, basierend auf neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen, ein Vorgehensleitfaden für die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben.

2. Dienstleistungen auf Mandatsbasis

Wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, um ein Forschungsprojekt zu lancieren, eine Unternehmung jedoch von den Kompetenzen der Wissensträger einer (oder mehrerer) Hochschule(n) profitieren möchte, kann das im Rahmen eines Auftrags erfolgen. Der Inhalt des Auftrags kann von unternehmens- und branchenspezifischen Weiterbildungen über Marktabklärungen bis zu spezifischen Fachberatungen reichen.

Aus der Landwirtschaft zu den Cosmeceuticals

Eine Bauernunternehmung aus dem Aargau beauftragte zwei Fachhochschulen mit der Auswertung ihres Produktportfolios, einer Marktanalyse und der Entwicklung neuer strategischen Stossrichtungen. Forschende der FFHS erkannten in Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung der Unternehmung in den biologischen Cosmeceuticals ein vielversprechendes Geschäftsfeld. Bei diesen geht es um die Verwertung von Agrarprodukten zur Herstellung von Kosmetikprodukten mit einer nachgewiesenen pharmazeutischen Wirkung. Der Markenauftritt und die Positionierung der Produkte wurde dann von den Forschenden einer anderen Hochschule vorgenommen.

3. Studentische Projektarbeiten

Bestimmte Themen eigenen sich auch für wissenschaftliche Projektarbeiten von Studierendenteams, die durch erfahrene Forschende begleitet werden. In diesem Fall verknüpfen Studierende, insbesondere, wenn sie aus der Region kommen, regionales Hintergrundwissen mit aktuellen Konzepten aus der Wissenschaft. Sie tragen so zu spezifischen Problemlösungen und damit zu innovativen Produkt- und Dienstleistungsentwicklungen bei.

Mobilitätsangebote für die verbesserte infrastrukturelle Anbindung von kleinen Gemeinden

Ein Beispiel für die Umsetzung in einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit ist die Untersuchung alternativer Mobilitätslösungen in Oberwalliser Berggemeinden zur Nutzungssteigerung. In der Studie wurde aufgezeigt, welcher Nutzen für kleine Gemeinden in Bergregionen durch die Verbesserung der Mobilität mit dem Einsatz von alternativen Mobilitätsangeboten geschaffen werden kann. Es wurden Massnahmen inklusive detaillierter Umsetzungsvorschläge erarbeitet – angepasst auf die spezifische Situation der Oberwalliser Gemeinden. Dadurch wurde ein Beitrag geleistet, um infrastrukturelle Herausforderungen innovativ zu lösen und gleichzeitig die Attraktivität der Berggebiete für die junge Generation zu erhöhen.

Fazit

Es liegt viel Innovationspotential in den Kooperationen zwischen Unternehmungen und Organisationen mit Hochschulen. Wie immer bei Innovationsvorhaben, braucht es Mut, um die ersten Schritte zu wagen und die Bereitschaft zu investieren, um fortschrittliche Lösungen zu schaffen. Letztere tragen dazu bei, die Wettbewerbsposition von Unternehmungen in Berggebieten sowie die bereits bestehende Wirtschaftsdynamik in diesen Regionen zu stärken.