Andrea L. Sablone und Tobias Ammann 07/11/2022

Mehr als Schall und Rauch: Markenführung in kleineren und mittleren Unternehmen

Auf den ersten Blick ist das Thema Markenführung, neudeutsch Branding, nur etwas für Big Player, sprich Grosskonzerne. Die Autoren argumentieren dagegen und liefern im folgenden Beitrag die konzeptionelle Grundlage und eine Anleitung für Unternehmensverantwortliche zur Betreibung einer wirksamen Markenführung. Der Beitrag ist der Erste von zwei Teilen.

Welche Bedeutung hat eine Marke für den wirtschaftlichen Erfolg einer Unternehmung? Jedes Jahr werden eifrig konsultierte Ranglisten herausgegeben, in denen die wertvollsten Marken der Welt erfasst werden. Die Namen, die dort auftauchen, sind jenseits von sprachlichen und kulturellen Grenzen geläufig und deren Symbole, Schriftzüge und Slogans haben sich längst in unsere Gedächtnisse eingebrannt.

Weil die Unternehmungen, die von diesen Marken repräsentiert werden, weltweit tätige Konzerne sind, kann schnell der Eindruck entstehen, dass der Aufbau und die Pflege einer Marke solchen Grosskonzernen vorbehalten seien. Die Meinung liesse sich weiter bestärken, wenn man die Höhe des Werbebudgets von Grossunternehmungen im Schweizer Markt erfährt. Gemäss offiziellen Angaben haben zum Beispiel Coop und Migros 2021 zusammen rund 626 Millionen Franken für ihre Kommunikation ausgegeben (Statista 2022).

Unser Ziel mit diesem und einem Folgeartikel ist es, diesen Eindruck zu entkräften und aufzuzeigen, dass das Thema Marke auch für KMU relevant ist und wie diese den Aufbau, die Pflege und die Stärkung ihres Brands angehen können.

Die ersten Schritte der Markenführung

Die Markenführung umfasst den Aufbau und die Pflege der Marke über die Zeit. Ist eine Marke einmal etabliert, liegt der Fokus somit auf der Pflege und Weiterentwicklung. Dabei wird das Ziel verfolgt, ein relevantes Angebot und Markenversprechen konsistent am Markt einzulösen. In diesem Artikel widmen wir uns dem ersten Teil dieser Zieldefinition, nämlich wie der Aufbau und die Entwicklung eines relevanten Markenversprechens vonstattengehen sollen. Im Folgeartikel werden wir uns mit der Einlösung und Implementierung des Versprechens über das gesamte Kundenerlebnis hinweg befassen.

Lange bevor man sich der Gestaltung des Corporate Designs oder des Logos widmet, müssen die Inhalte der Markenidentität definiert werden, da diese wegweisend für die Ausgestaltung des gesamten Kundenerlebnisses sind. Zu Beginn startet also die Geschäftsleitung eine analytische Reflexion über das «Markenversprechen». Dieses gründet auf dem Angebot der Unternehmung – ihrem Produkt, ihrer Dienstleistung – und beschreibt die Essenz des verschiedenen Nutzens, die der Kunde vom Angebot erwarten kann. Marken sprechen meistens ein Bündel funktionaler und emotionaler Bedürfnisse an, wobei vor allem der emotionale Nutzen die Kunden langfristig an ein Unternehmen bindet. Beispielsweise ist das St. Galler Luxuslabel Akris nicht erfolgreich, weil seine Kleider warm geben, sondern weil die Haute-Couture-Stücke die Individualität und damit die Emotionen der Kunden ansprechen. Analog hierzu positioniert sich der B2B-Dienstleister SAP nicht etwa mit seinem sauberen Quellencode oder der Stabilität seiner Cloud, sondern er fokussiert auf die «Verbesserung von Unternehmen, der Wirtschaft und des Lebens der Menschen».

Um diese Reflexion festzuhalten und die Marke als strategisches Führungswerkzeug zu benutzen, soll sich die Geschäftsleitung mit der «Markenidentität» befassen und sich dabei mit folgenden Perspektiven auseinandersetzen:

Unternehmensentwicklung: Wie sollen sich die Unternehmung und das gesamte Markenportfolio langfristig entwickeln und welchen Einfluss hat dies auf die Markenpositionierung der spezifischen Marke und dessen Angebot?

Vorgehenshinweise: Zur Erarbeitung dieser Perspektive sollte sich die verantwortliche Person mit den Inhabern oder der Geschäftsleitung auf der höchsten Unternehmensstufe oder der Unternehmensgruppe abstimmen. In grösseren Unternehmen kann allenfalls auch die Unternehmensentwicklung oder die zuständige Person für die Steuerung des Produktportfolios oder der Markenarchitektur konsultiert werden.

Kundenbedürfnisse: Wie können wir langfristig relevant bleiben?

Relevant bleiben bei einer Zielgruppe ist eine grosse Herausforderung. Wie müssen sich die bestehenden Angebote entwickeln, damit sie den sich verändernden Bedürfnissen der Zielgruppe auch in Zukunft entsprechen?

Vorgehenshinweise:Wesentliche Inputs können mit explorativen Kundenworkshops oder einer standardisierten Kundenbefragung gewonnen werden. Einsichtsreiche Hinweise auf die Bedürfnisse am Markt und deren Entwicklung können zudem die Mitarbeiter im Verkauf oder des Kundendienstes liefern.

Unternehmensstärken und -schwächen: Welches Versprechen können wir glaubwürdig einlösen?

Glaubwürdigkeit hat mit der Qualität des Produktes und mit den Erwartungen zu tun, welche die Kundschaft mit der Marke in Verbindung bringt. Je nachdem, wie die Unternehmung aufgestellt ist – über welche Ressourcen und Fähigkeiten sie verfügt, wie konstant die Leistung ist, die sie mit ihrem Angebot erbringt – wird der Kunde der Unternehmung anderes zutrauen.

Vorgehenshinweise: Auch hier können die klassischen Forschungsmethoden wie Kundenbefragungen und Marktanalysen eingesetzt werden. Diese können durch interne SWOT-Analysen mit Vertretern der verschiedenen Bereiche wie etwa der Produktion, des Marketings oder des Verkaufs ergänzt werden. Zu vermeiden sind rein subjektive Einschätzungen, die weder die Sicht der Kunden berücksichtigen noch einen substanziellen Vergleich mit der Konkurrenz umfassen.

Mitbewerber: Worin unterscheiden wir uns von der Konkurrenz? Gibt es etwas, das uns einzigartig macht?

In einer Marktwirtschaft kommt es äusserst selten vor, dass eine Unternehmung die einzige Anbieterin ist. Der Kunde wird demzufolge Vor- und Nachteile unterschiedlicher Produkte abwägen, bevor er eine Kaufentscheidung trifft. Eine Unternehmung charakterisiert sich nicht nur durch das, was sie anbietet, sondern auch durch bewusste Verzichte, welche ihr Profil schärfen und ihr Angebot auszeichnen.

Vorgehenshinweise: Zur Erarbeitung der Grundlagen dieser Perspektive sollte eine Konkurrenzanalyse durchgeführt werden, welche die Angebote und Versprechen der Mitbewerber enthält. Idealerweise lassen sich die Konkurrenten in einer Positionierungsmatrix entsprechend ihren Produkten respektive Dienstleistungen zuordnen.

Tobias Ammann, M. A. HSG

ist ein Serial Entrepreneur sowie Gründer und Geschäftsleiter der Brandoos AG, einer Unternehmensberatung mit Fokus auf Strategieentwicklung und Positionierung.