NATASCHA RITZ 08/03/2022

«Flexibilität, die man erhält, gibt man auch zurück»

Familie und Job unter einen Hut zu bringen, ist eine Herausforderung. Mit familienfreundlichen Strukturen unterstützt die FFHS ihre Angestellten, diese zu meistern. Zwei Mitarbeitende erzählen, wie Teilzeitarbeit auch in einer Führungsposition funktioniert und wo heute noch Hürden liegen.

«Eine normale Arbeitswoche gibt es bei mir eigentlich nicht», sagt Désirée Guntern Kreuzer. Die 45-Jährige ist Direktorin Lehre an der FFHS, leitet das Departement Wirtschaft und Technik und ist zudem Co-Studiengangsleiterin Betriebsökonomie. Drei Rollen, die sie in einem Teilzeit-Pensum wahrnimmt. Guntern Kreuzer arbeitet bereits seit 2003 bei der FFHS, seit 2011 als Mitglied der Direktion. Vor fünf Jahren wurde sie Mutter eines Jungen und reduzierte ihr Pensum von 100 auf 60 Prozent. Aktuell arbeitet sie 70 Prozent.

Die Walliserin unterstreicht, dass sie sich von der FFHS sehr gut unterstützt fühlt, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Sie nehme nur wenige Barrieren wahr, wenn es um die Vereinbarkeit von Privatem und Beruflichem gehe. Etwa, wenn Sitzungen ausserhalb ihrer definierten Arbeitstage stattfinden. Mit der Hilfe ihres Mannes, der 80 Prozent arbeitet, sind ausserplanmässige Termine machbar, bleiben aber eine organisatorische Herausforderung. Für Guntern Kreuzer ist es selbstverständlich, dass sie in einer leitenden Rolle eine gewisse Flexibilität zeigt. «Ich kann Teilzeit arbeiten, aber ich muss da sein, wenn es nötig ist. Es ist ein Geben und Nehmen», sagt sie.

Die FFHS bietet mit Angeboten wie flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice überdurchschnittlich familienfreundliche Strukturen an (siehe Infobox). An der FFHS arbeiten insgesamt 86 Frauen, 65 davon in Teilzeit. Von den 66 männlichen Mitarbeitern hingegen arbeiten «bloss» 24 in Teilzeit. Damit spiegelt sich auch an der FFHS das aktuell vorherrschende Muster in der Schweiz, dass der Mann Vollzeit und die Frau Teilzeit erwerbstätig ist. Gleichzeitig sind Frauen in höheren Führungspositionen in der Schweiz stark untervertreten. Nicht so an der FFHS. Der Frauenanteil in Leitungspositionen ist überdurchschnittlich hoch und – was noch bemerkenswerter ist – der Grossteil dieser Frauen arbeitet Teilzeit.

Karriere oder Familie sollte keine Frage sein

«Die FFHS will ihre Mitarbeitenden nicht vor die Wahl stellen, ob sie Karriere machen oder eine Familie gründen», sagt HR-Fachspezialistin Adrienne Schnyder. Als Hochschule, für welche das lebenslange Lernen im Mittelpunkt steht, will die FFHS den Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, ihr Wissen auch lebenslang in die Praxis umzusetzen. «Durch familienfreundliche Strukturen verlieren wir wertvolle Mitarbeitende nicht und können attraktive Anstellungsbedingungen für Familienväter und -mütter anbieten», so Schnyder.

Argumente, die auch Patrick Borter überzeugt haben, sich für die FFHS zu entscheiden. Er leitet seit bald einem Jahr die Finanzabteilung in einem Pensum von 80 Prozent. Einen Tag in der Woche widmet er sich seinem einjährigen Sohn und der zweieinhalbjährigen Tochter. «Der Mittwoch ist mein freier Tag, der ganz den Kindern gehört», so der 43-Jährige. Sein Pensum lasse sich problemlos mit seiner Position vereinbaren, findet Borter. Je höher der Beschäftigungsgrad, desto tiefer sind die organisatorischen Hürden. Auffallend ist es, dass vor allem Frauen tiefere Arbeitspensen leisten: Im nationalen Durchschnitt weisen sie einen Beschäftigungsgrad von 53 Prozent auf, die Männer sind bei 85 Prozent. «Als Mann nur 50 Prozent zu arbeiten, ist gesellschaftlich nicht akzeptiert. Es herrscht ein altes Rollenmuster», stellt Borter fest. Diese Beobachtung teilt auch Désirée Guntern Kreuzer. Sie spricht von einer Generationenfrage, denn solange die Meinung herrsche, dass Teilzeit für Frauen, jedoch nicht für Männer geeignet sei, sei man noch weit entfernt von einer Gleichstellung.

Präsent sein, aber nicht zwingend vor Ort

Dass sich Führungspositionen auch mit Teilzeit vereinbaren lassen, ist für Guntern Kreuzer keine Frage. Teilzeit-Führung mache sogar wirtschaflich Sinn: «Wenn ich Teilzeit arbeite, bin ich fokussiert. Ich zeige mehr Sensibilität für ineffiziente Arbeitsabläufe.» Durch mehr Delegation entstehe mehr Raum für die Mitarbeitenden, sich weiterzuentwickeln. Die Präsenzkultur, dass eine Führungsperson immer vor Ort anwesend sein muss, ist ihrer Meinung nach überholt: «Als Führungskraft muss ich präsent sein, aber nicht immer zwingend vor Ort.» Das sei heute auch kaum mehr möglich, da ihr Team an zwei Standorten und teils im Homeoffice tätig ist. Guntern Kreuzer sieht in den digitalen Möglichkeiten eine Chance, die persönliche Arbeitsweise zu überdenken: «Was bringt es, wenn ich im Büro hocke und den halben Tag in Teams-Meetings verbringe?» Es sei ihr persönliches Ziel, ihre Zeit bewusster einzuteilen, etwa die Anwesenheit vor Ort für persönliche Gespräche mit Mitarbeitenden zu nutzen. «E-Mails kann ich auch zu Hause beantworten, notfalls auch, wenn mein Sohn schläft.»