Melanie Biaggi 06/22/2023

ChatGPT – und was das mit Star Trek zu tun hat

Die Software ChatGPT feiern einige als Siegeszug der Künstlichen Intelligenz. Der Chatbot, der Essays und Bachelorarbeiten schreibt oder Mathematikformeln löst, versetzt viele in Aufruhr. Verliert das individuelle Wissen an Wert und wird kollektiviert? Und was bedeutet das für den Lern- und Berufsalltag der Gen Z?

Der Papst in einer Daunenjacke, Trump wird verhaftet – solche Bilder, die im Netz kursieren, wurden mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugt. «Unsere Sinne werden permanent fehlgeleitet. In Zukunft werden wir uns immer wieder fragen müssen, was habe ich gesehen, gelesen, war das echt oder nicht und ist das wirklich passiert», sagt Markus Geuss, Studiengangsleiter MAS Data Science und Web for Business im Departement Informatik der FFHS.

Seit Ende 2022 ist das Textprogramm ChatGPT in aller Munde. Nachdem es für die Öffentlichkeit frei zugänglich wurde, meldeten sich innerhalb von fünf Tagen eine Million Nutzer an.

Eine Anwendung, die Fragen beantwortet, das Schreiben von Texten übernimmt und das Buch für den nächsten Vortrag innerhalb von Minuten zusammenfasst – eine Revolution? «Garbage in, Garbage out, sagen die Informatiker. Also wenn ich das Programm mit schlechten Trainingsdaten füttere, dann kommt am Ende auch nichts Gescheites dabei heraus», sagt Geuss. Das Programm sei ein Abbild dessen, was die Menschheit bis jetzt produziert habe. So ist das Internet beispielsweise auch voller rassistischer oder sexistischer Sprache. Das führt dazu, dass eine Künstliche Intelligenz auch ungewolltes Verhalten lernt.

Umdenken beim Lernen

Wie wird die Gen Z, digital bestens sozialisiert, KI-Tools wie ChatGPT in ihren künftigen Lern- und Berufsalltag integrieren? Dazu sagt Geuss: «Diese Generation wird das Programm definitiv schnell adaptieren. Für den Lernalltag heisst das aber: es braucht ein Umdenken. Tools wie ChatGPT sind erlaubt, dafür wird dann umso mehr konzeptionelles und strukturelles Verständnis gefragt sein».

KI könnte zukünftig zum Sparringpartner beim Lernen und Arbeiten werden. Das Tool übernimmt einen Teil der Aufgaben, während der Mensch das Ergebnis kritisch hinterfragt und vor allem versteht, was falsch ist und wie es dazu kam. «Ich rate allen dazu, sich ein paar Folgen von Star Trek anzuschauen. Dort sieht man an der Arbeit eines Wissenschaftsoffiziers eine positive Vision der Anwendung einer KI», sagt Geuss.

Mehr Freizeit dank ChatGPT?

Als der Taschenrechner auf den Markt kam, herrschte ebenfalls grosse Unsicherheit, heute redet niemand mehr darüber. ChatGPT wird künftig aber gewiss in vielen Berufen Routinearbeiten, die bis anhin viel Zeit gekostet haben und intellektuell auch nicht fordernd waren, übernehmen können.

Konkret könnte so die Effizienz weiter gesteigert werden. Gemäss Markus Geuss dürfe dann aber nicht der gleiche Fehler gemacht werden, wie etwa zu Anfangszeiten des Kapitalismus, wo Maschinen Arbeiten übernahmen oder Abläufe erleichterten, dafür aber andernorts sofort neue Aufgaben obendrauf gepackt wurden.

«Wir müssen uns als Gesellschaft überlegen, ob wir nicht dank technologischer Hilfe und der damit einhergehenden Effizienzsteigerung eine Vier-Tage-Woche einführen könnten, um mehr Freizeit zu haben», sagt Geuss. Dies wäre dann ganz im Sinne der Gen Z.

Wie die FFHS mit ChatGPT umgeht

Gemäss Medienberichten ist ChatGPT in der Lage, ganze Bachelorarbeiten oder Prüfungen zu schreiben und wird unter Fachhochschulen und Universitäten derzeit heftig diskutiert. Die Auswirkungen des Chatbots auf den Studienalltag sind noch nicht abschliessend zu überblicken. Auch die FFHS setzt sich mit der Software auseinander. Dazu Stefan Eggel, Direktor Weiterbildung: «Wir sehen ChatGPT als Werkzeug und werden dies in den Unterricht integrieren. Wir wollen und können diesen Chatbot nicht verbieten». Bei der FFHS werden Prüfungen zum grossen Teil online abgelegt. Die Studierenden sind zwar online, dürfen bei Open-Book-Prüfungen aber nur bestimmte Hilfsmittel nutzen, das Surfen im Internet ist nicht erlaubt. Bei Semesterarbeiten oder Abschlussthesen sieht es anders aus. «Die Arbeiten müssen sicherlich genauer unter die Lupe genommen werden», sagt Stefan Eggel. Und hier soll das neue Hilfsmittelverzeichnis, das von der Stabstelle Qualitätssicherung Forschungsmethoden des Departements Wirtschaft und Technik vorgeschlagen wird, greifen. «Neu sollen die Studierenden alle Hilfsmittel auflisten, welche sie für ihre Arbeiten genutzt haben. Dort muss also auch ChatGPT aufgeführt werden», erklärt Désirée Guntern Kreuzer, Direktorin Grundbildung sowie Departementsleiterin Wirtschaft und Technik. So sei der Chatbot als Quelle hinterlegt. Das Hilfsmittelverzeichnis soll FFHS-weit umgesetzt werden.

Zusätzlich hat die FFHS eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit ChatGPT und generell mit dem Einsatz von KI weiter auseinandersetzt. «Schon jetzt haben wir für den Umgang mit solchen Tools vieles definiert. Die Arbeitsgruppe dient vor allem zur Koordination zwischen den einzelnen Departementen und zum einheitlichen Umgang an der FFHS mit den Tools», betont Guntern Kreuzer.