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14.06.2022

Natur und Ethik im Diskurs

Am dreitägigen Event trafen sich Philosophinnen, Pädagogen, Naturschützerinnen und Didaktiker, Forschende und alle, die sich für das Thema Nachhaltigkeit interessieren, zu einer spannenden Debatte rund um den ethischen Umgang mit der Natur. Besondere Highlights waren die Exkursion zum Aletschgletscher, ein Spaziergang in den Spuren einer Naturkatastrophe und viele angeregte Diskussionen.

Vom 10. bis 12. Juni verwandelte sich der Hochschulcampus Brig in ein Tagungslokal: Rund 40 Teilnehmende fanden sich ein, um den Keynotes, Workshops und Exkursionen von internationalen und nationalen Referierenden über «Natur und Ethik» zu folgen. Dabei wurde nicht nur auf die drohenden Gefahren durch Umweltveränderungen aufmerksam gemacht, sondern – ganz im Sinne der Philosophie – über die Haltung des Menschen im Hinblick auf den Umgang mit der Natur debattiert.

Die Natur und der Mensch

In diversen Referaten standen die Konzepte des Dualismus – geprägt von okzidentalen Weltanschauungen (Kaniowski), die die Natur und den Menschen distanzieren und sie als Ressource für denselben betrachten – denen der Holistik oder der Ökosophie nach Arne Naess gegenüber, welche den Menschen als ebenbürtigen Teil aller Natur wahrnimmt (Bringeland). Der rein wissenschaftlichen Sicht entgegengesetzt, wird die Natur in der Holistik eher sinnlich-ästhetisch erfahren und schreibt ihr einen selbstverständlichen, nicht-instrumentellen Wert zu. Sowie die Welt weder Schwarz noch Weiss gezeichnet ist, lassen sich auch Brücken schlagen zwischen diesen beiden polarisierenden Ansätzen. Mit einem anthropo-relationalen Naturethikverständnis (Feldmann) und azentrischen Werten (Deplazes) hingegen lassen sich Überlegungen ableiten, die den Umgang mit gegenwärtigen umweltethischen Herausforderungen wie Gen-/Biotechnologie und die Frage nach dem Schutz der Natur für sich selbst oder für nachfolgende Generationen erleichtern.

Wie das in der Praxis aussehen kann, demonstrierte Hr. Wuilloud, ehem. Leiter der Sektion Naturgefahren des Kantons Wallis: Die Natur muss für ihren eigenen Wert geschützt werden, um den Schutz des Menschen gewährleisten zu können.

Diese Gedankengänge sind hilfreich für den Einzelnen, um seine Einstellung zur Natur zu hinterfragen. Doch wie verhält es sich bei einem Kollektiv, namentlich den Wirtschaftsakteuren? Die Umweltsünden von grossen Unternehmen und ein teilweise vorgetäuschtes Umweltbewusstsein kleiner Startups spricht für ein bestenfalls verzerrtes Werteverständnis und Verantwortungsbewusstsein. Sie vernachlässigen es, sowohl die Natur für ihren eigenen Wert zu schützen, aber haben auch keine Vorbehalte, sie für den Selbstschutz späterer Generationen auszubeuten. Hebestreit forderte in ihrem Referat nicht zu Unrecht die Philosophie auf, einen Denkansatz in und für die Wirtschaft zu prüfen, der über die Gewinnmaxime hinausgeht.

Die Podiumsteilnehmenden Rafaela Schinner, Philosophie-Studentin, Dr. David Volken, Klimawissenschaftler, Tanja Fux, Chefin der Dienststelle für Berufsbildung des Kantons Wallis und Rolf Escher, ehem. Stadtpräsident Brig-Glis, teilten persönliche Ansichten und Erfahrungen im Umgang mit der Natur.

Und wie steht es mit der Generationenfrage? Trotz eindringlicher Warnungen zur Entwicklung des Klimas und dessen Auswirkungen auf die Natur und die Gesellschaft wurde an der Podiumsdiskussion auch deutlich, dass eine Mehrheit der jüngeren Generationen dem Klimawandel trotz Fridays for Future und Extinction Rebellion, recht gelassen gegenübersteht. Daher ist es auch für Tanja Fux, Verantwortliche der Berufsbildung des Kantons, wichtig, dass Reflexionen zur Ethik und zur Nachhaltigkeit konsequent im Bildungsplan berücksichtigt werden und der Austausch mit der Jugend gefördert wird.

Von der abstrakten Philosophie in die konkrete Natur

Nach der Theorie an den Vormittagen erfolgte die praktische Umsetzung am Nachmittag. In den Workshops wurde einerseits anschaulich vermittelt, was die Auswirkungen des Klimawandels sind, und andererseits, wie das Thema didaktisch aufbereitet in Schulen thematisiert werden kann. Im World Nature Forum in Naters zum Beispiel zeigte Dr. Leiggener (Geschäftsleiter WNF) in einer interaktiven Museumsführung, wie Bildung und Sensibilisierung zu Hochgebirge, Landschaft, alpiner Tourismus und zu Umweltveränderungen und deren Gefahren aussehen kann.

An der Exkursion an den Aletschgletscher wurden die Ausmasse der Klimaerwärmung von Dr. Volken thematisiert. Die Gletscher verlieren jedes Jahr 2% an Eisfläche in der Schweiz. Wenn die Gletscher verschwinden, werden wir uns in der Schweiz mit Fragestellungen der Trinkwasserversorgung auseinandersetzen müssen, da Gletscher in dieser Frage eine entscheidende ausgleichende Rolle einnehmen.

Mit den Kolleginnen von der SUPSI, Fr. Sillano und Fr. Rocca, lernte man die Umwelt neu durch Klänge und Geräusche kennen und mit Hr. Rolf Escher, ehem. Stadtpräsident von Brig-Glis, folgte man den Spuren der Naturkatastrophe von 1993 und lernte, welche Lehren sich aus einer solchen Erfahrung ziehen lassen können.

Ganz im Stile der Philosophie wurden die Diskussionen nach den Referaten, in den Pausen und im vielbeachteten Apéro im Burgersaal des Stockalperschlosses weitergeführt. Ein Anlass bei dem sich Wirtschaftswissenschaftler, Naturwissenschaftler, Lehrende und Lernende sowie die Philosophen und kritischen Denker austauschen und voneinander lernen konnten. Philosophie zum Anfassen und für die Zukunft.