Diego Moretti, Nicole Stoffel, Michael B. Zimmermann 30.06.2019

Ein Blick auf biochemische Grundlagen

Eisen ist eines der vier häufigsten Elemente in der Erdkruste. Es ist für alle Lebewesen – auch für den Menschen – ein wichtiges Spurenelement. Seine essenzielle Rolle in der Biologie verdankt es seiner Fähigkeit, Elektronen zu transportieren und reversibel zu binden. So ist es im Hämoglobin dafür  verantwortlich, dass der stark elektronegative Sauerstoff effektiv transportiert werden kann. Aus dem gleichen Grund ist Eisen zentraler Bestandteil von zahlreichen Enzymsystemen, die viele biochemische und physiologische Funktionen übernehmen.

Weltweit leiden über 1,2 Milliarden Menschen an Eisenmangel [1]. Dieser ist eine der Hauptursachen für Anämie [2]. In Europa zeigen Datenerhebungen bei Frauen im gebärfähigen Alter eine Eisenmangelprävalenz von 10–32%, mit einer geschätzten Prävalenz der Anämie von 2–5%. Der prozentuale Anteil an Frauen mit niedrigem Eisenspeicher wird auf 40–55% geschätzt [3]. Die Prävalenzen für Eisenmangel bei Kleinkindern wurden lokal erfasst und zeigten Werte von 4–48%. Somit stellen Kleinkinder eine weitere Risikogruppe für Eisenmangel dar [4].

Warum ist eines der meistverbreiteten Elemente gleichzeitig verantwortlich für eine gewichtige globale Mangelerscheinung? Der Grund liegt in der Fähigkeit des Eisens, die Bildung von toxischen reaktiven Radikalen zu begünstigen. Darüber hinaus ist Eisen bei physiologischem pH (also überall im Körper ausser in der Magensäure) in freier Form praktisch unlöslich. Die Absorption des Eisens ist deshalb natürlich limitiert. Damit es verwertet werden kann, muss es in gebundener Form aufgenommen werden: assoziiert an Proteine, die es stark, aber reversibel binden können.

Eisenmetabolismus und Absorption

Bis heute ist kein aktiver Ausscheidungsmechanismus für Eisen bekannt; die renale Exkretion ist für den Eisenhaushalt irrelevant. Der menschliche Eisenhaushalt muss deshalb aktiv bei der Absorption aus der Nahrung im Dünndarm reguliert werden, wobei Enterozyten eine Schlüsselrolle spielen.

Eisen in der Nahrung existiert in zwei Hauptformen: Hämeisen (in tierischen Produkten) und Nicht-Hämeisen (in tierischen und nicht-tierischen Produkten). Es wird primär im Dünndarm aufgenommen, wo der pH des Darminhaltes sukzessive entlang eines Gradienten bis fast zur Neutralität steigt. Nicht-Hämeisen aus der Nahrung wird entlang dieses Gradienten unlöslicher, weshalb die Absorption im distalen Darm wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle spielt. Die Löslichkeit des Eisens im Dünndarm ist ein wichtiger Faktor bei der Eisenabsorption aus der Nahrung und kann durch die Zusammensetzung einer Mahlzeit massgeblich beeinflusst werden.

Auf zellulärer Ebene werden Hämeisen und Nicht-Hämeisen durch unterschiedliche Transporter aufgenommen. Beide tragen zur Eisenkonzentration in den Enterozyten bei, die für die  zelluläre Eisenregulation massgeblich ist. Sie hat einen direkten Einfluss auf die Konformation von «Iron Response Proteins» (IRPs), welche die Synthese von zellulären Transportproteinen kontrollieren. So interveniert Eisen direkt in die Synthese der Transportmechanismen, die es in die Zelle importieren oder exportieren. Besonders wichtig für die Kontrolle des systemischen Eisenhaushalts ist dies bei Enterozyten, Makrophagen und Hepatozyten.

Eine zweite, systemisch wirkende regulatorische Komponente ist das Hormon Hepcidin, welches in der Leber synthetisiert wird. Hepcidin wird durch unterschiedliche Signale reguliert: Eine erhöhte Erythropoese oder Hypoxie führen zu niedrigen Konzentrationen, wohingegen inflammatorische/infektiöse Stimuli (Interleukin-6) und der körpereigene Eisenstatus (Sättigung des Transferrins) die Synthese erhöhen. Hepcidin bindet an den einzigen bekannten zellulären Eisenexporter Ferroportin, was zu dessen Abbau führt. Somit bleibt das Eisen in den Zellen und kann nicht mehr in die Blutbahn gelangen, was sich wiederum auf die IRPs und dessen Reaktionskaskade auswirkt. Da dieser Prozess systemisch reguliert wird, betrifft dies alle Zelltypen. Ein ausbalancierter Eisenhaushalt ist demnach das Resultat der Prozesse aller einzelnen zellulären Eisenhaushalte und deren systemischer Orchestrierung durch Hepcidin [5]. Die Entdeckung dieses Hormons in den 2000er Jahren hat das Verständnis der Eisenregulierung stark erweitert: Eine chronische Erhöhung von Hepcidin führt zu einer ausgeprägten Anämie, die durch orale Eiseneinnahme nicht oder nur zum Teil korrigiert werden kann; so etwa bei einer Anämie, die durch chronische inflammatorische oder infektiöse Erkrankungen hervorgerufen wird.

Eisengewinnung durch Recycling

Der Eisenanteil im Erwachsenen beträgt ≈4 g und ist vor allem in den roten Blutkörperchen (≈2,8 g) zu finden. 90% des täglichen Bedarfs wird durch die Wiedergewinnung aus alten roten Blutkörperchen gedeckt. Dieser Recyclingkreislauf findet zwischen Knochenmark, roten Blutkörperchen und Makrophagen statt. Im Knochenmark werden die roten Blutkörperchen (≈300 mg) produziert, die Makrophagen nehmen die alten Erythrozyten auf, bauen sie ab und entlassen das Eisen wieder in die Blutbahn, wo es abermals vom Knochenmark (≈600 mg) verwendet werden kann. Eisenspeicher variieren individuell und sind primär in der Leber zu finden. Das zu transportierende Eisen in der Blutbahn ist an Transferrin gebunden, was einen dynamischen, aber kleinen Anteil (3–4 mg) des totalen Eisengehalts ausmacht. Diese Fraktion ist verantwortlich für den Transport zwischen den Zellen und Geweben und ist daher von grosser funktioneller Wichtigkeit.

10–20% des täglichen Eisenbedarfs (1–2 mg) muss über die Nahrung aufgenommen werden, um natürliche tägliche Eisenverluste (z.B. durch kleine Blutungen, über die Schleimhäute etc.) zu kompensieren. Da die aufzunehmende Menge pro Tag, verglichen mit dem Körperinhalt, sehr klein ist, kann Eisenmangel nur durch ein langanhaltendes Eisendefizit entstehen. Junge Frauen, Schwangere oder Kinder sind am häufigsten betroffen, da Blutverluste bei der Menstruation sowie das Wachstum zu erhöhtem Eisenbedarf führen.

Anämie erhöht das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und kann zu Frühgeburten führen. Eisenmangel kann chronisch und asymptomatisch sein. Symptomatisch äussert er sich in Müdigkeit, Konzentrationsmangel, Reizbarkeit, erniedrigte Kältetoleranz, Atemnot bei körperlicher Tätigkeit, Pica-Syndrom und Restless-Legs-Syndrom. Weitere Symptome sind Haut- und Bindehautblässe, Stomatitis und Koilonychia.

Biomarker für Eisenmangel

Biochemische Messgrössen des Eisenstatus wiederspiegeln die relative Grösse der unterschiedlichen Kompartimente und informieren zugleich über den Gesamteisenstatus des Organismus‘. Goldstandard ist die Messung des Eisengehalts im Knochenmark. Ist dieser zu tief, wird zu wenig Eisen im Körperkreislauf wiederverwertet resp. kann dieses Defizit nicht von der Diät oder dem Leberspeicher kompensiert werden, was zu einer reduzierten Erythropoiese und zu Anämie führt.

Ein Anzeichen für Eisenmangelanämie ist auch der Anstieg des Hämoglobins nach der Gabe von Eisen in anämischen Patienten.

Zudem ist bei Patienten mit Eisenmangel die Eisenabsorption gemessen mit radioaktiven oder stabilen Eisenisotopen erhöht (Abb. 1) [6]. In gesunden Menschen hängen die Grenzwerte des Serum-Ferritins (SF) mit den Eisenspeichern linear zusammen. 1 µg/l SF entspricht etwa 120 µg Eisenspeicher/kg Körpergewicht oder ca. 8–10 mg Eisenspeicher [7]. Der definierte Grenzwert von 15 µg/l weist auf das Fehlen von nachweisbarem Eisen im Knochenmark hin und wiederspiegelt leere Speicher. Eine weitere Erniedrigung des Wertes unter 15 µg/l hat also keine quantitative Bedeutung. Biochemisch ist SF das intrazelluläre Speichermolekül von Eisen und reflektiert die Ansammlung von intrazellulärem Ferritin in Makrophagen und Hepatozyten. In gesunden Patienten reflektiert SF somit die Eisenspeicher in der Leber. Bei fehlerhafter Erythropoiese (Thalassämie) kommt es zu einer Ansammlung von interzellulärem Eisen in den Makrophagen, was auch zu einem Anstieg des Ferritins führt. Während einer Infektion oder Entzündung steigt der Hepcidinwert an. Das zelluläre Eisen wird nur vermindert exportiert und muss zellulär (in Ferritin-Molekülen) gelagert werden. Dies kann zu einer «falschen» Erhöhung des Ferritins führen, was in diesem Fall nicht auf einen erhöhten Eisenspeicher verweist.

Bei Patienten mit Infektions- bzw. Entzündungskrankheiten sollte deshalb ein weiterer Marker bestimmt werden: der lösliche Transferrinrezeptor im Serum (sTfR), welcher proportional zum Eisenbedarf der Zellen ist. Praktisch reflektiert dieser Wert den «Hunger» der Knochenmarkzellen auf Eisen. Als sehr prädiktiv hat sich der Quotient von SF und sTfR erwiesen [8]. Leider ist der sehr nützliche Marker sTfR nicht gut standardisiert; die verschiedenen Methoden definieren unterschiedliche Grenzwerten für Eisenmangel.

Die Sättigung des Transferrins ist ein weiterer, nützlicher Marker, welcher die momentane Verfügbarkeit von systemischem Eisen darstellt und während Mangel erniedrigt ist. Dieser Marker kann vor allem in Zusammenhang mit einem durch Infektion oder Entzündung erhöhtes SF Hinweise geben auf einen funktionellen Eisenmangel. Eine Übersicht über etablierte und experimentelle Biomarker für Eisen bieten Lynch et al. [8].

Prävention durch die richtige Ernährung

Die Eisenbioverfügbarkeit der Diät wird sowohl von deren Eisengehalt als auch deren Zusammensetzung definiert [9]. Mittlere bis hohe Eisengehalte kommen in Hülsenfrüchten, Fleisch, Eiern, Vollkornprodukten,
fortifizierten Lebensmitteln, Nüssen und Samen vor. Hämeisen wird in erhöhten Mengen (intakt) absorbiert (20–50%). Die Absorption ist weniger anfällig für Eisenabsorptionshemmer und -förderer und wird weniger vom persönlichen Eisenstatus beeinflusst. Nicht-Hämeisen hingegen ist sensibler hinsichtlich der Diätzusammensetzung und des Eisenstatus, woraus sich eine starke Variabilität in der Eisenabsorption ergibt (2–50%). Trotz der geringen Menge an konsumiertem Hämeisen in der Diät stellt es einen prozentual hohen Anteil des über die Nahrung aufgenommenen Eisens dar, da es bioverfügbarer ist.

Verschiedene Komponenten definieren die Absorption von Eisen im Dünndarm, die auch von der Löslichkeit beeinflusst wird: Fördernd wirken Muskelfleisch oder Ascorbinsäure (Vitamin C). Zerealien und Vollkornprodukte, die eigentlich eisenreich sind, enthalten jedoch Phytinsäure, was die prozentuale Absorption vermindert. Ähnlich wirken Polyphenole und Tannine im Tee und Kaffee. Ascorbinsäure in Früchten und Gemüsen wirkt der Inhibition entgegen. Kombinationen von eisenreichen und Vitamin C-reichen Lebensmitteln sind besonders zu empfehlen (Übersicht 1). Eine abwechslungsreiche Diät mit viel Ascorbinsäure, Muskelfleisch oder Fisch weist eine Absorption von 15–17% auf [10].

Orale und intravenöse Supplementierung

Auch wenn die Optimierung der Diät zur primären Prävention von Eisenmangel effektiv sein kann, wird bei nachgewiesenem Eisenmangel eine Supplementierung empfohlen, um zügig eine Anämie zu korrigieren, den Eisenmangel in den Geweben aufzuheben und die Eisenspeicher aufzufüllen.

Eisensupplemente sind effektiv, können aber auch dosisabhängige Nebenwirkungen hervorrufen. In einer Studie an älteren Patienten wurden entweder 15, 50 oder 150 mg Fe über drei Monate verabreicht. Während die Effektivität am Ende der Studie ähnlich war, zeigten sich in den Gruppen, die 50 und 150 mg Febekamen, mehr Nebenwirkungen [11].

Eisen erhöht die Hepcidinkonzentration für mehrere Stunden. Bei Dosen von ≥60 mg Fe nimmt das Hepcidin nach der Gabe eines Eisensupplements dosisabhängig zu und bleibt bis zu 24 Stunden erhöht. Diese Zunahme ist assoziiert mit einer Absorptionsverminderung um rund 35%. Aus diesem Grund können Eisensupplemente zur Steigerung der Absorptionseffizienz bei gleichbleibender Dosis jeden zweiten Tag verabreicht werden [12]. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass eine Aufteilung der Dosierung innerhalb des gleichen Tages (z.B. 2× 60 mg Fe statt 1× 120 mg Fe) keinen Mehrwert im Sinne einer erhöhten Absorption aufweist [13].

Dosen <60 mg Fe haben wahrscheinlich eine kleinere Wirkung auf das Hepcidin. Ausserdem können kleinere Dosen nicht nur effektiv Eisenmangel vorbeugen, sondern sind auch nebenwirkungsärmer [14]. Zu beachten ist, dass bei der oralen Supplementierung in kleineren Dosen zwar die prozentuale Absorption steigt, die gesamthaft absorbierte Eisenmenge aber abnimmt. Bei der Empfehlung einer alternierenden Eisengabe muss also auch der Eisenstatus in Betracht gezogen werden. Mögliche Nebenwirkungen müssen mit dem zu erzielenden Effekt abgewogen werden.

Bei ausgeprägtem, symptomatischem Eisenmangel mit Anämie wird intravenöses Eisen als Primärtherapie empfohlen [1]. Diese wird generell gut toleriert und weist nur selten Nebenwirkungen auf. Allfällige negative Auswirkungen auf das Darmökosystem, z.B. bei vorbelasteten Patienten, werden umgangen. In der Schweiz evozierte die häufigere Anwendung intravenöser Therapien allerdings auch Kritik, vor allem aufgrund der höheren Kosten [15]. Das Bundesamt für Gesundheit hat nun einen «Health Technology Assessment» initiiert.

Die Therapie für Eisenmangel und Eisenmangelanämie sollte personalisiert erfolgen. Die Wahl der «richtigen» Therapie sollte mögliche Ursachen, den Grad des Eisenmangels, Komorbiditäten, die Dauer des Mangels sowie die Präferenzen des Patienten einbeziehen. Nebst klinischen/physiologischen Gründen spielen bei sonst gesunden Patienten die Ernährung und der Lebensstil (Sport, Kontrazeption) eine wichtige Rolle bei der Prävention von Mangelzuständen respektive dem Erhalt eines gesunden Eisenstatus nach der Therapie.

(Erstpublikation: medizinonline.ch, 01/2019»)

Literatur

1. Camaschella C: Iron deficiency. Blood 2019; 133(1): 30–39.
2. Zimmermann MB, Hurrell RF: Nutritional iron deficiency. Lancet 2007; 370(9586): 511–520.
3. Milman N, et al.: Iron status in pregnant women and women of reproductive age in Europe. Am J Clin Nutr 2017; 106(Suppl 6): 1655S–1662S.
4. Van der Merwe LF, Eussen SR: Iron status of young children in Europe. Am J Clin Nutr 2017; 106(Suppl 6): 1663S–1671S.
5. Hentze MW, et al.: Two to tango: regulation of Mammalian iron metabolism. Cell 2010; 142(1): 24–38.
6. Daru J, et al.: Serum ferritin as an indicator of iron status: what do we need to know? Am J Clin Nutr 2017; 106(Suppl 6): 1634S– 1639S.
7. Cook JD: Diagnosis and management of iron-deficiency anaemia. Best Pract Res Clin Haematol 2005; 18(2): 319–332.
8. Lynch S, et al.: Biomarkers of Nutrition for Development (BOND)­Iron Review. J Nutr 2018; 148(Suppl 1): 1001S–1067S.
9. Hurrell R, Egli I: Iron bioavailability and dietary reference values. Am J Clin Nutr 2010; 91(5): 1461s–1467s.
10. WHO/FAO: Vitamin and mineral requirements in human nutrition: report of a joint FAO/WHO expert consultation. Genf: WHO/FAO 2004.
11. Rimon E, et al.: Are we giving too much iron? Low­dose iron therapy is effective in octogenarians. American J Med 2005; 118(10): 1142–1147.
12. Moretti D, et al.: Oral iron supplements increase hepcidin and decrease iron absorption from daily or twice­daily doses in iron­depleted young women. Blood 2015; 126(17): 1981–1989.
13. Stoffel NU, et al.: Iron absorption from oral iron supplements given on consecutive versus alternate days and as single morning doses versus twice­daily split dosing in iron­depleted women: two openlabel, randomised controlled trials. Lancet Haematol 2017; 4(11): e524–e533.
14. Bialkowski W, et al.: Estimates of total body iron indicate 19 mg and 38 mg oral iron are equivalent for the mitigation of iron deficiency in individuals experiencing repeated phlebotomy. Am J Hematol 2017;
92(9): 851–857.
15. Giger M, Achermann R: [Iron substitution in outpatients in Switzerland: Increase of costs associated with intravenous administration].
Z Evid Fortibld Qual Gesundhwes 2013; 107(4–5): 320–326.