23.04.2020

Chat, Kalender und Ablage in einer App

Im fünften Semester der Bachelorstudiengänge Informatik und Wirtschaftsinformatik erarbeiten die Studierenden in einem interdisziplinären Projekt eine funktionsfähige Software-Lösung. Eine dieser Lösungen ist eine Chat-, Kalender- und Datenablage-App. Wir haben die drei Applikationsentwickler zu ihrem Projekt befragt.

Thomas, Simon und Christian, wie seid ihr auf die Idee dieser App gekommen?
Christian: Eigentlich haben Simon und ich die Entwicklung schon im letzen Semester mit dem Modul «Android App» gestartet. In der darauffolgenden Projektarbeit haben wir zusammen mit Thomas das Backend der Applikation, basierend auf Java, programmiert. Die Verwendung von Java war eine der wenigen Vorgaben, ansonsten waren wir völlig frei in den ganzen Kreativprozessen.

Simon: Wir haben das Projektthema gewählt, weil wir denken, dass die App wirklich nützlich ist. Die Funktionen der App hätten wir schon oft selber gerne genutzt, aber noch nirgends gesehen. Es ist eine Konsolidierung von bekannten Applikationen, um Synergien innerhalb der Daten nutzen zu können.

Wurde die App bereits veröffentlicht?
Simon: Noch nicht. Der nächste Schritt besteht darin, das in diesem Projekt entwickelten Backend mit dem im ESA Modul entwickelten Frontend zu verbinden.

Christian: Wir streben eine Weiterentwicklung unserer Idee bis hin zum Endprodukt an, jedoch bedeutet dies auch viel Zeitaufwand und somit Geld. Um unser Produkt wirklich als Innovation auf den Markt bringen zu können, sind wir auf Investoren angewiesen und aktuell auf der Suche danach.

Wie habt ihr als Gruppe zusammengearbeitet – wie seid ihr dabei vorgegangen?
Simon: Christian und ich sind beide schon lange in der Informatik tätig – zusammen kommen wir bald auf 30 Jahre Berufserfahrung. Wir arbeiten beide agil mit Scrum und haben damit gute Erfahrungen gemacht. Deswegen wollten wir, was das Projektmanagement anbelangt, keine Risiken eingehen und griffen auf Altbekanntes zurück. Auf der technischen Seite hingegen nutzen wir die Gelegenheit, um Erfahrungen mit den neusten und innovativsten Technologien zu sammeln.

Thomas: Ich komme noch nicht auf 15 Jahre Arbeitserfahrung in der IT; das Scrum-Modell war für mich sehr neu. Ich konnte aber sehr profitieren mit «erfahrenen Füchsen» zusammenzuarbeiten.

Wie sieht das Endprodukt aus? Könnt ihr die Funktionen für den Endbenutzer kurz (und für Laien verständlich) beschreiben?
Simon: Das Ganze entsteht als «Software as a Service». Das heisst, wir entwickeln das Produkt, übernehmen die Wartung für dieses und bieten den Support. Kunden werden Teile des Produkts gratis nutzen können. Für sie ist es dasselbe, wie wenn sie eine Messenger-App aus dem Android-Store installieren.

Im Messaging-Backend geht es im Wesentlichen um die bekannten Chat-Funktionen: 1:1-Chat, Gruppen-Chat, Telefonie und Videotelefonie, Textnachrichten. Wir nutzen diese Möglichkeiten, Nachrichten versenden zu können, aber nur als Transportmittel. Bei uns geht darum, noch viele weitere Informationen hin- und herzuschicken.

Welche Art von Informationen könnte ich als Nutzer denn versenden?
Simon: Dazu vielleicht ein Beispiel: Ich mache Musik und möchte mich mit meinen Bandkollegen organisieren. Wenn sich die Bandprobe verschiebt, möchte ich diese Daten direkt in einer Chatnachricht teilen können. Dazu bräuchte ich einen «Knopf» innerhalb des Chats, der mir ermöglicht, einen Termin zu finden. Da der Teilnehmerkreis bereits bekannt ist, muss ich die Einladungen nicht an einzelne Adressen versenden, sondern kann diese direkt im Chat innerhalb dieses Raums versenden. Weil die Applikation auf alle Kalender zugreifen kann, könnte ich zum Beispiel nach dem nächsten freien Zeitpunkt abends um sieben Uhr suchen. Unsere Applikation ist im Prinzip eine Zusammenfassung der bekannten Applikationen wie Doodle, WhatsApp, Outlook und Dropbox.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus bzw. was geschieht mit den Daten?
Christian: Wir ziehen verschiedene Applikationen zusammen und spielen die Daten darauf. Wenn eine Nachricht in unser Backendsystem gelangt, wird dort geprüft, wer alles zu diesem «Raum» gehört und wohin diese Nachricht ausgespielt werden muss. Dazu benötigen wir nur die Telefonnummern und den Namen der Benutzer.

Simon: Die Nachricht wird auf den Endgeräten end-to-end-verschlüsselt, sodass wir diese serverseitig gar nicht erst entschlüsseln können. Prinzipiell werden wir also nicht wissen, was für Daten hin- und hergesendet werden. Gewisse Informationen benötigen wir, um Notifizierungen versenden zu können – zum Beispiel, dass es sich um einen Termin handelt, wann dieser stattfindet und wer daran teilnimmt. Chatnachrichten speichern wir nur solange, bis sie auf dem anderen Gerät empfangen worden sind – dies maximal zwei Wochen lang. Genaue Angaben werden in den gesetzlich geforderten Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen ersichtlich sein.

Simon Egli

arbeitet als technischer Architekt 100% in der Softwareentwicklung bei der Firma Bucher+Suter in Worblaufen BE. Er ist seit 10 Jahren ausgebildeter Informatiker EFZ. 2016 meldete er sich zusammen mit seinem Bruder Christian gemeinsam für die Aufnahmeprüfung der FFHS an, die sie im Frühjahr 2017 bestanden.

Christian Egli

arbeitet neben dem Studium 100% bei der DV Bern AG als Softwareentwickler. Er hat seine Lehre 2012 als Informatiker EFZ mit Richtung Applikationsentwicklung abgeschlossen. Das 100% Pensum kann er nur dank seinem sehr flexiblen Arbeitgeber bewältigen.

Thomas Plüss

arbeitet alsSoftwareentwickler 60% bei Mesch Web Consulting & Design GmbH. Thomas stammt aus der Chemie und ist Quereinsteiger in der Informatik.

Was war die grösste Herausforderung im Projekt?
Simon: Das Zeitmanagement – für mich. Bei der Arbeit mit Scrum sind wir uns gewohnt, dass ein Tag 8.4h hat. In diesem Projekt konnten wir aber pro Tag nur 2-2.5h abends am Projekt arbeiten.

Christian: Es war auch ein ziemlicher Balanceakt zwischen den persönlichen Interessen von uns Dreien und den anderen Modulen. Schlussendlich war der Freitagabend der Moment, der uns allen am besten passte für unsere Meetings. Mir wären auch andere Dinge eingefallen am Freitagabend zu tun, als für die Schule zu arbeiten. :-)

Wie war die Betreuung durch die Dozenten der FFHS? Wurden Sie bei Fragen unterstützt?
Simon: Wir wurden von zwei Dozenten betreut und hatten anfangs sehr interessante Diskussionen, die unseren Blickwinkel verändert haben. Es war eher eine Diskussion auf Augenhöhe als ein Frage- Antwort-Gespräch.

Ist das Projekt in der Durchführung vergleichbar mit Projekten in der Arbeitswelt?
Simon: Es ist völlig etwas Anderes; Hochschulprojekte sind nie genau so wie schlussendlich gearbeitet wird. Die Leistung wird hier hauptsächlich anhand der Dokumentation bewertet. In der Berufswelt steht die Funktionalität im Vordergrund, und niemand scheint die Dokumentation zu lesen. Zumindest nicht da, wo ich bereits gearbeitet habe. Es gibt Kunden, die spezifische Teile der Lösung dokumentiert haben möchten. In der Produktentwicklung sind beispielsweise die Release Notes ein sehr wichtiges Dokument. Diese können aber mühelos automatisch erstellt werden.

Christian: Der Kunde sieht und möchte schlussendlich die Lösung. Dies ist, was zählt und das Geld einbringt. In der Regel ist es dem Kunden egal, mit welchen Methoden und Testplanungen wir arbeiten. Für jemanden mit weniger Erfahrung könnte es sicher hilfreich sein, ein Schema aufzuzeichnen, um die Prozesse und Zusammenhänge besser zu verstehen. Je mehr Erfahrung man hat, desto automatischer und vernetzter läuft dies ab.

Simon: Das ist ein wichtiger Punkt. Es gibt Untersuchungen darüber, dass Novizen ein grosses Regelwerk benötigen und erst durch einfache Tätigkeiten geführt werden müssen. Mit der Erfahrung ist es dann möglich, dass man projektspezifisch reagieren kann, weniger Regeln benötigt und dementsprechend intuitiver arbeiten kann. In der Hochschule lernt man sozusagen das «Novizendasein», das saubere und nachvollziehbare Arbeiten nach klaren Konzepten; in der Privatwirtschaft gibt es viele Experten, die lange im Business tätig sind und mehr nach Erfahrungsschatz vorgehen.

Wie sieht es denn in Ihrem Studiengang aus – sind die meisten Studierenden schon lange in der Informatik tätig?
Simon: Es ist ganz verschieden. Wir haben Quereinsteiger, Studierende mit wenig Berufserfahrung und andere, die seit Jahren dabei sind und das Studium als Weiterbildung anschauen.

Thomas: Es gab also schon richtige Kaltstarter, z. B. war anfangs ein Anwalt dabei.

Christian: An der FFHS wird ein Einstiegskurs zum Programmieren angeboten, der Einsteigern empfohlen wird, um den Start zu erleichtern.

Ein Tipp für künftige Student/innen? Was erwartet sie für ein Studium?
Simon: Es kommt aufs Vorwissen an. Wir konnten von unserer jahrelangen Berufserfahrung sehr profitieren. So hatten wir weniger zu tun, als zeitlich vorgegeben war. Studierende ohne Vorwissen erwartet sehr viel Arbeit, vor allem bei den Kernthemen. Es gibt Themen, mit denen kann man sich ein Jahr lang beschäftigen und erst dann macht’s Klick und das Verständnis ist da, beispielsweise das objektorientierte Programmieren. Dies braucht einfach Zeit. Aber das Studium ist machbar. An künftige Studierende: Nicht einfach nur lesen, sondern anwenden, üben und ausprobieren – so lernt man am besten.

Christian: Ich erinnere mich noch an den ersten Präsenztag unseres Studiums. Der Studiengangsleiter Informatik, Oliver Ittig, hat uns begrüsst und darauf hingewiesen, dass die Zeit unser wertvollstes Gut im Studium sein wird und dementsprechend die Planung das A und O ist. Dies würde ich mittlerweile auch unterschreiben. Ich würde empfehlen, dass man sich feste Zeiten fürs Studium einplant und darauf konzentriert.

Thomas: Schlussendlich ist die Planung auch wichtig, damit man sich seine Inseln schaffen kann, bei denen man auch noch etwas Anderes unternehmen kann. Weg von der Arbeit, weg vom Studium.

Danke für das interessante Gespräch und weiterhin viel Erfolg mit eurem Vorhaben der App!