«Beratung kann man nicht auf Papier lernen»
Im Bachelor-Studiengang Ernährung und Diätetik lernen die Studierenden praxisnah, Menschen mit ihrer Ernährung zu helfen. Wie die berufspraktische Ausbildung abläuft und welche Ziele im Vordergrund stehen, erzählen Dozentin Franziska Almer und Studentin Billie Josephine Stump.
Das Bachelorstudium in Ernährung und Diätetik hat – wie auch das Berufsfeld der Ernährungsberatung – viele Facetten. Typische Arbeitsorte der Absolventinnen sind Spitäler, Rehabilitationszentren, Alters- und Pflegeheime oder eine Beratungspraxis. Doch wie kann professionelle Beratung erfolgreich trainiert werden?
Schritt für Schritt in die Praxis
Bereits im Präsenzunterricht werden Beratungssituationen fleissig geübt, meist in Dreiergruppen, bei denen jeweils die Rolle des Patienten, der Ernährungsberaterin und des Beobachters eingenommen wird. Diese Übungen sind wichtig, denn «Beratung kann man nicht auf Papier lernen», so FFHS-Dozentin und Praxisausbildnerin Franziska Almer. Jede Situation, in der die Studierenden lernen, mit Klienten zu kommunizieren, sei hilfreich. «Die Ansprüche der fachlichevidenzbasierten Welt mit denjenigen des individuellen Gegenübers zusammenzubringen, erfordert Übung.» Die Studierenden möchten gerne alles perfekt machen, aber da seien auch ein gewisser Pragmatismus und vor allem Erfahrung hilfreich. Und genau zu diesem Zweck werden Gespräche aufgezeichnet, damit die Studierenden sich selber reflektieren und verbessern lernen. Geübt wird auch ausserhalb des Unterrichts in vorgegebenen Gesprächsszenarien, die zum Beispiel mit dem Partner durchgeführt werden können. Den Schritt in die Realität machen die Studierenden dann ab dem siebten Semester, wenn je ein Berufspraktika im klinischen und im nicht-klinischen Bereich absolviert werden muss.
«Zufriedene Kinderherzen: Da sind alle investierten Stunden vergessen»
Vom Rollenspiel in den Beratungsalltag
Die Studentin Billie Josephine Stump ist im achten Semester und blickt positiv auf die absolvierten Praktika zurück: «Die Erfahrungen sind enorm wichtig, um die Selbstkompetenz zu fördern. Mit Unterstützung der Praxisausbildner konnte ich Vertrauen in die eigene Tätigkeit als Ernährungsberaterin gewinnen.» Dass zur Ausbildung der klinische sowie der nicht-klinische Bereich gehören, findet sie hilfreich, denn «nur im Berufsalltag lernen wir gezielt, was uns entspricht».
Das klinische Praktikum hat Frau Stump im Spital Linth in Uznach absolviert. Während sechs Monaten begleitete sie Patienten durch gezielte Ernährungstherapie. Dabei konnte sie breit gefächerte Massnahmen der Ernährungstherapie umsetzen. Ihr Fazit: «Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und der Austausch mit den Fachpersonen des Spitals gefielen mir besonders.» Auch die sichtbaren sowie messbaren Erfolge der Genesung waren ein Erfolgserlebnis für sie.
Ernährungstherapie im Spital
1. Auftrag an Ernährungstherapie
Eine stationäre Ernährungstherapie beginnt mit einer Verordnung des Arztes oder Anmeldung durch die Pflege des Spitals. Aufgrund des Screenings des Ernährungszustands und der Diagnoseliste wird die Ernährungstherapie bestimmt. Die vorhandenen anamnestischen Daten werden vor der ersten Ernährungstherapie zusammengetragen.
2. Patientengespräche
Im ersten Gespräch geht es darum, das Anliegen der Patienten in Bezug auf Essen und die Erkrankung aufzunehmen. Je nach Beratungsindikation wird die Ernährung im Spital individuell angepasst. Allgemein werden Ernährungsanamnese sowie Gewichtsverlauf erhoben und Ernährungsdiagnose, Therapieziel und der Nutzen für den Patienten formuliert. In der zweiten Sitzung wird das Ziel evaluiert und es werden gegebenenfalls Anpassungen vorgenommen.
3. Auswertung und Zielüberprüfung
Bei einigen Patientinnen ist die Behandlung nach der zweiten Sitzung abgeschlossen, da für den Aufenthalt im Spital alles optimiert wurde. Die Patienten werden auch darauf vorbereitet, wie sie die gelernten Massnahmen weiterhin zuhause anwenden können. Falls eine ambulante Nachbetreuung indiziert ist, wird eine Patientenübergabe der Ernährungsberatung an die anschliessenden Institutionen (Heim, Reha etc.) veranlasst oder eine weiterführende ambulante Ernährungsberatung eingeplant.
4. Nachbetreuung
Bei Patientinnen, die über längere Zeit betreut werden, gilt es, regelmässig die Ziele der Therapie anhand von messbaren Daten (etwa Gewichtsverlauf, Energiebedarfs deckung, Aufnahme von Eiweiss usw.) zu überprüfen.
Begleitung durch Praxisausbildnerinnen
Im nicht-klinischen Bereich konnte Billie Stump von unterschiedlichen Beraterinnen und deren individuellen Methoden und Stärken lernen. Auch die Klientel war sehr vielfältig. Ein besonderer Höhepunkt war die Teilnahme an einem Kinder-Diabetes-Lager im Graubünden. «Meine Aufgabe war es, den Kindern entsprechend den Vorgaben die Mahlzeiten abzuwiegen sowie vorzubereiten.» Hier war Mitdenken, Zusammenarbeit im Team sowie Kreativität gefragt. Viele Stunden in der Küche und wenig Schlaf forderten die Studentin heraus, jedoch kam auch viel Wertschätzung zurück: «Ich gewann dankbare und zufriedene Kinderherzen als Entlöhnung. Da sind alle investierten Stunden vergessen.»
Ihre Berufung sieht Stump im nicht-klinischen Bereich. «Meine Vision ist es, in einer eigenen Ernährungsberatungspraxis meine Berufung als Ernährungsberaterin auszuüben und Patienten bestmöglich in einer für sie individuell abgestimmten Ernährungsberatung zu unterstützen.»