11.01.2024

«Der Nutzen wird sich durch Digisanté allein nicht einstellen»

Kürzlich hat der Bund seine Strategie zur Digitalen Transformation im Gesundheitswesen vorgestellt. Kann die Schweiz damit ihren Rückstand aufholen und welche Kompetenzen sind von den Akteuren jetzt gefordert? Martin Rüfenacht, Experte für E-Health und Dozent im CAS Digitalisierung und Ethik im Gesundheitswesen, im Interview.

Der Bund hat seine Strategie zur Digitalen Transformation im Gesundheitswesen präsentiert. Ihre Einschätzung?
Das enorme Potential der Digitalisierung wird im Schweizer Gesundheitswesen bisher zögerlich adressiert und schlecht orchestriert. Umso mehr ist ein Programm wie Digisanté zu begrüssen. Die Botschaft zu Digisanté beschreibt eine solide Basis für die Digitalisierung aus der Sicht des Bundes – aber leider nicht mehr.

Das Programm Digisanté soll bis Ende 2024 formuliert und bis Ende 2034 umgesetzt sein. Ist das aus Ihrer Sicht ein realistisches Ziel?
Ich zweifle nicht, dass die Ziele von Digisanté bis 2034 grösstenteils umgesetzt werden können. Dass man sich für die Umsetzung beim Bund mehr als 10 Jahre Zeit nehmen will widerspiegelt jedoch nicht den dringlichen Handlungsbedarf an der Front. Daher gilt es, die einzelnen Vorhaben nun richtig zu priorisieren, die Kantone abzuholen und alle Akteure einzubinden.

Wo sehen Sie die stärksten Herausforderungen von Digisanté in der Umsetzung?
Der Nutzen für unser Gesundheitswesen wird sich durch die Umsetzung von Digisanté alleine nicht einstellen. Hier brauchen wir einen Zusatz-Effort bei den Kantonen und den Akteuren. Sie müssen sicherstellen, dass die Vorhaben des Bundes an der Basis nicht als Zusatzaufwand und unnötige Bürokratie wahrgenommen werden. Damit das gelingt braucht es mehr Leadership, eine breit abgestützte Orchestrierung, verbindliche Rechtsgrundlagen - und bedeutend mehr Mittel. Hier kommt das Programm leider zu einer Zeit, wo die Ressourcen knapp sind und alle Stakeholder mit anderen Problemen zu kämpfen haben.

Ein echter Nutzen für Patientinnen und Patienten und ein Mehrwert für die Leistungserbringer müssen stärker im Vordergrund stehen.

Martin Rüfenacht
E-Health-Experte und Dozent CAS Digitalisierung und Ethik im Gesundheitswesen

Welche Chancen der digitalen Transformation im Gesundheitswesen sehen Sie als besonders vielversprechend?
Die Chancen und Möglichkeiten der digitalen Transformation im Gesundheitswesen sind vielfältig und individuell. Sei es Telemedizin, Gesundheitsdatenräume, Wearables oder die künstliche Intelligenz. Ein echter Nutzen für Patientinnen und Patienten und ein Mehrwert für die Leistungserbringer müssen stärker im Vordergrund stehen.

Was hat Sie motiviert, sich an der FFHS für das CAS Digitalisierung und Ethik im Gesundheitswesen zu engagieren?
Die Digitalisierung hat das Potenzial, die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Als Dozent kann ich heutigen und zukünftigen Fachkräften die Fähigkeiten und das Wissen vermitteln, um innovative Technologien im Gesundheitswesen zu verstehen und einzusetzen, damit sie die Versorgung in ihrem Verantwortungsbereich optimieren können.

Was können die Studierenden von Ihnen erwarten?
Es ist mir wichtig, pragmatisches Wissen auf dem Gebiet der Digitalisierung weiterzugeben. Ich möchte mit meinem Engagement Studierende befähigen, Herausforderungen zu verstehen und innovative Lösungen zu entwickeln, um diese anzugehen. Mit praxisnahen und rasch umsetzbaren Beispielen möchte ich sie ermutigen selber digitale Werkzeuge zu nutzen oder zu entwickeln.

Welche gesellschaftlichen oder globalen Entwicklungen werden im Lehrgang behandelt?
Allen Dozierenden ist es wichtig, nicht nur ein fundiertes Verständnis für die technologischen Aspekte der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu vermitteln, sondern auch die regulatorischen, ethischen und ökonomischen Dimensionen zu beleuchten. Die ständige Entwicklung neuer Technologien wie künstliche Intelligenz, Big Data-Analyse, Telemedizin und Wearables prägt das Gesundheitswesen. Diese Fortschritte wollen wir abdecken und den Einfluss auf die Gesundheitsversorgung, Patientensicherheit und Effizienz im Gesundheitssystem vermitteln.

Sie sprechen die regulatorische Dimension an, was gilt es zu berücksichtigen?
Die Schweiz unterliegt vielen spezifischen Gesetzen und Vorschriften im Gesundheitsbereich, die die Einführung digitaler Lösungen beeinflussen. Es ist wichtig, dass die Studierenden ein Verständnis für diese regulatorischen Rahmenbedingungen entwickeln. Datenschutz, Datensicherheit und ethische Fragen sind mit zunehmender Digitalisierung von grosser Bedeutung. Die Studierenden müssen sensibilisiert werden für die Herausforderungen im Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten und den ethischen Grundsätzen, die bei der Nutzung digitaler Gesundheitstechnologien zu beachten sind.

Zum Schluss: Welche zentrale Kompetenz wollen Sie den Studierenden mitgeben?
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen wie Medizin, Informatik, Ethik und Management. Unser Lehrplan zielt darauf ab, die Studierenden auf interdisziplinäre Teams vorzubereiten und ihnen die Fähigkeiten zu vermitteln, Fachwissen zu integrieren und effektiv zusammenzuarbeiten.

Vielfältige digitale Möglichkeiten für die Gesundheit

Zum Studiengang

  • CAS Digitalisierung und Ethik im Gesundheitswesen