Matthias Holthaus 17.06.2020

Personalisierung in Lernumgebungen

Um es vornweg zu sagen, zurzeit wird uns zweifellos gezeigt, was wirklich zählt: Solidarität – nicht Ich, sondern Wir! Und dieses Wir ist für das Individuum im gesellschaftlichen Kontext viel wichtiger als das Ich und entsprechende Personalisierungen. Trotzdem: Die Forschung im Bereich der technologiebasierten Personalisierung schreitet weiter voran, mit Vor- wie auch Nachteilen.

Ein Kommentar von Matthias Holthaus 

Ich ärgere mich nicht selten über personalisierte Leseempfehlungen basierend auf meinen bisherigen Suchen im Internet. Ja, vielleicht machen diese Empfehlungen mein Leben einfacher. Und ich folge diesen auch mitunter, bleibe so aber immer wieder bei denselben Themen ‘hängen’. Die personalisierte Werbung empfiehlt mir Dinge, die mich wirklich glücklich machen, ich aber auch wirklich nicht brauche. Und dies im Zeitalter von grenzenlosem Konsum, Ressourcenvergeudung und Umweltzerstörung. Mensch kann und sollte technologiebasierte Personalisierung also sehr kritisch sehen. Ein Instruction Designer sollte mit dieser Haltung arbeiten, wenn er Personalisierungen in digitalen Lernumgebungen einführt, um diese in eine lernunterstützende Richtung zu lenken. 

Die Idee des technologiebasierten personalisierten Lernens ist, den Lernenden die passenden Lerninhalte automatisiert anzubieten. Passend etwa mit Blick auf den aktuellen Wissensstand oder die Interessen. Dies kann das Lernen vereinfachen und Langeweile, Überforderung oder sogar den Lernabbruch verhindern. Durch automatisierte Feedbacks, die in personalisierten Aufgaben eingebettet sind, kann der Lernende darüber hinaus unabhängiger lernen. Das interaktive Lernsystem zeigt mögliche Wissenslücken sofort auf und bietet Hilfe an. Der Lernende kann so seinen Lernprozess fortsetzen, ohne erst mit einem Dozierenden Rücksprache zu halten. Gerade für schwächere Lernende, die den Lernprozess weniger leicht steuern können, sind diese Feedbacks und Empfehlungen ein Mehrwert. 

Es besteht jedoch noch erheblicher Forschungsbedarf, wie am Onlineverhalten erkannt werden kann, wie gut ein Lernender selbstreguliert lernen kann und dementsprechend weniger Empfehlungen braucht. Dies systematisch zu erkennen ist Aufgabe des noch sehr jungen Forschungsbereichs Learning Analytics. Ein personalisiertes Lernszenario sollte aber nicht vorrangig von den technischen Möglichkeiten, sondern vor allem von lerntheoretischen Überlegungen geleitet werden. Dies ist die Herausforderung, um personalisierte Lernumgebungen zu entwickeln, die den Lernenden – besonders auch in Wochen wie den letzten und kommenden – wirklich helfen.

Matthias Holthaus ist Soziologe und arbeitet seit 2016 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Instruction Designer am Institut für Fernstudien- und eLearningforschung (IFeL) an der FFHS in Brig. In seiner Arbeit an der FFHS beschäftigt er sich mit adaptiven (Online-)Lernen, der Usability von Online-Lernangeboten und Learning Analytics. Ebenso ist er Dozierender für empirsche Forschungsmethoden und Soziologie.