Rosi Horat 04.06.2021

Kulturwandel – Mindset zur Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die Digitalisierung hält auch im Gesundheitswesen Einzug. Mit der gesetzlichen Grundlage für das EPD (Elektronisches Patientendossier) wurde der Stein definitiv ins Rollen gebracht und die Spitäler mussten ihre IT-Strategien und möglicherweise neue Geschäftsstrategien anpassen.

Ausgangspunkt für die Unternehmung

Das Bereitstellen eines neuen, stabilen und effizienten Klinikinformationssystem (KIS) reicht nicht für einen radikalen Kulturwandel aus. Bei dieser Transformation entstehen neue Herausforderungen insbesondere für die Führungskräfte [1]. Diverse Fragen zu Auswirkung, Veränderung, Motivation, Aufwand, Engagement, Kosten, Bedürfnissen der Patienten, Zuweiser, Datenschutz, etc. müssen im Vorfeld geklärt, evaluiert und ein neuer Business Plan muss erstellt werden [1]. Die Komplexität (VUCA) [3] der heutigen «Welt» und deren Wechselwirkungen im Change-Management sind nicht zu unterschätzen. Eine sorgsame, fundierte und vorausschauende Planung ist notwendig. Nur so gelingt es dem Unternehmen während der Veränderung agil zu bleiben. Bei einem solchen Wandel gibt es kein Richtig oder Falsch, die Betrachtungsweisen auf Veränderungen sind sehr individuell. Es ist essenziell, dass die Unternehmung ein gemeinsames Verständnis dafür schafft. Es gilt zu klären: «Wo stehen wir und wohin führt uns die Reise».

Digitales Mindset

Innerhalb der Unternehmung muss ein so genanntes digitales Mindset entwickelt werden. Dieses wird definiert als «…Mentalität oder Denkweise oder Haltung. Das Mindset, die innere Einstellung, basiert auf Prinzipien, Erfahrungen und Vernunftsätzen, die Menschen leiten, Dinge so oder so zu tun. Sind mehrere Menschen mit dem gleichen Mindset unterwegs, spricht man von Kultur. … Heute noch vielerorts dominieren dürfte dieses: «Wieso etwas ändern, läuft doch, haben wir schon immer so gemacht». [2]

Wo sind die Unterschiede: vorher – nachher?

Vor der Digitalisierung hatte jeder Arzt sein individuelles System, wie er Informationen in der Patientenakte dokumentierte. Handschriftliche Vermerke waren Alltag. Hinzu kamen mündliche Anweisungen, welche nicht dokumentiert wurden. Des Weiteren mussten Patienten öfters die gleichen Fragen bei verschiedenen Mitarbeitern mehrmals beantworten. Diese föderalistischen Arbeitsweisen bargen etliches Potential für Fehler.

Mit der Digitalisierung wird der Arzt aufgefordert, nach einem definierten Standard zu dokumentieren. Seine Eingaben muss er teils mit Tastenklick «als geprüft markiert» bestätigen. Per Klick sind die Inhalte automatisch durchgängig und für jeden medizinischen Mitarbeiter im Spital sichtbar. Sie können mitunter für den Patienten und dessen Zuweiser freigeschaltet werden. Dieser Ansatz bedeutete für einige, dass die grundsätzliche Art, wie sie arbeiteten, radikal verändert wurde. Der Abstrich an Individualismus war für manchen schwer zu verstehen und auch zu überwinden. Vordergründig wurde nur der Mehraufwand durch die Eingabe der digitalen Informationen gesehen und befürchtet, dass der Patientenfokus verloren geht.

Was braucht es für den Wandel?

Es zeigte sich, dass ein starkes und gut aufgestelltes Projektteam mit motivierten und erfahrenen «Opinion Leadern» oder «Super Usern» der Schlüssel zum Erfolg war. Mit deren Unterstützung bei intensiven Schulungen, bei Präsentationsworkshops, bei Gesprächen über die Gründe für den Wandel, beim Demonstrieren des Patienten-/Zuweiser-Mehrwerts und nicht minder wichtig, ihre einzigartige Vorbildfunktion war der «Schlüssel» zum Arzt. Sie sprachen die gleiche Sprache, sie konnten schon früh in der Transformation mit Tipps und Tricks und eigenen Übungserfolgen überzeugen. Während all den Phasen der «Curve of Change» [4] braucht es die Rückendeckung wie auch die Verbindlichkeit der Führungsebene. Es ist wichtig, die mögliche initiale Überforderung oder den Frust der Ärzte ernst zu nehmen und sie durch diese Situation eng zu begleiten. Gelingt das dem Projektteam, werden sich Erfolge einstellen, das Verständnis für den Wandel wird ansteigen und weitere Mitarbeiter werden folgen. Die Veränderung der Haltung braucht Zeit und Erfolge als Nahrung. Macht der Arzt seine persönlichen Erfolgserlebnisse mit dem System, wird er an Sicherheit gewinnen. Er wird verstehen, dass mit der Routine der initiale Mehraufwand schwinden und die Sicherheit für den Patienten steigen wird.

Was gewinnt der Arzt mit dem Wandel?

Der Arzt ist nun bereit, das System aktiv in die Patientengespräche zu integrieren. Dies nicht nur zu Dokumentationszwecken, sondern auch als mögliche Visualisierungsunterstützung und «persönlicher» Sicherheitscheck. Denn das System meldet ihm mögliche Wechselwirkungen, schlägt Therapien vor und ermöglicht einen reibungslosen Patientenbehandlungspfad innerhalb des Spitals. Der Arzt lebt damit eine perfekte Patientenzentrierung. Mit der Integration der Digitalisierung sind der Patient und sein Zuweiser zu Partnern geworden und die Informationen sind für niemanden mehr «Bring-/Holschulden», sie fliessen automatisch per Klick bidirektional. Die Kommunikation ist uneingeschränkt jederzeit und beidseits möglich. Das Neue kann nun innerhalb des Spitals verankert werden.

Fazit

Die Veränderung in der Kultur ist erfolgreich [5], wenn das Unternehmen agil bleibt, das Konzept konsequent auf den Kunden gerichtet ist und die Kultur im Modus Transformation steht und alle Mitarbeiter befähigt sind, die Veränderung umzusetzen. Ein Kulturwandel geht alle, egal auf welcher Stufe im Unternehmen, etwas an und nur gemeinsam wird die Veränderung stattfinden.

Es wäre spannend einen Kulturwandel in der Industrie zu vergleichen und mögliche Parallelen zum Gesundheitswesen zu finden.

 

Literaturverzeichnis

[1] House of Digital Business,
[2] Digitales Mindset business-user.de/warum-die-transformation-ohne-ein-digital-mindset-nicht-gelingt/, Text Simone Schnell, 10. Mai 2019
[3] VUCA World, Führungstheorien nach Warren Bennis und Burt Narus,
energie-durch-entwicklung.com/vuca-komplexitaet-im-change-management/
[4] “Curve of Change”, Kübler-Ross-Kurve des Wandels
[5] www.crearium.ch/blog/drei-erfolgsfaktoren-im-umgang-mit-der-digitalisierung/

Autorin

Rosi Horat ist seit zehn Jahren als Qualitätsmanagerin im Luzerner Kantonsspital (LUKS) tätig und hat während Oktober 2017 bis Juni 2020 als Analystin und «Principal Trainerin Ambulatory» an der Vorbereitung und Einführung des neuen Klinikinformationssystems mitgearbeitet. Als erstes Spital im deutschsprachigen Raum hat das LUKS das amerikanische Klinikinformationssystem Epic eingeführt, das seit September 2019 von ca. 6'500 Mitarbeitern angewendet wird. Das LUKS ist seither punkto organisatorische und administrative Klinikabläufe digital unterwegs und bezieht diesbezüglich eine Vorreiterrolle.

Dieses Projekt gab Rosi Horat den Anstoss für die Teilnahme am CAS Digitale Unternehmenstransformation an der FFHS. 

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