Vom tschechischen Forscher, der in Italien lebt, im Oberwallis arbeitet und zuhause Englisch spricht
Martin Hlosta ist seit 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fernstudien- und eLearningforschung (IFeL) der FFHS tätig und arbeitet an Projekten zum adaptiven Lernen in der Bildung. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf «Predictive Learning Analytics».
Meist sieht man nur Ausschnitte eines Menschen: Im Gespräch mit Martin Hlosta sind wir viel gereist und haben einiges mehr über ihn erfahren.
Martin, wie bist du zur FFHS gekommen?
An der FFHS bin ich seit Ende 2021 – inmitten der Covid-Pandemie habe ich meinen neuen Job in einem unbekannten Land angefangen. Ich kam ehrlich gesagt eher zufällig hierher, da ich aus privaten Gründen von England wegzogen bin, wo ich bis dahin ebenfalls schon als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet hatte. Ich war dort seit 2014 an der Open University in Milton Keynes tätig, 80 Kilometer nördlich von London.
Okay, Hand aufs Herz, wie kommt ein aufstrebender Forscher, der nur einen Steinwurf von Oxford und Cambridge arbeitet, auf die Idee nach Brig zu ziehen?
Nun, ich wohne ja nicht in Brig, arbeite nur dort. Ich bin mit meiner italienischen Freundin aus familiären Gründen nach Domodossola gezogen. Sie ist ebenfalls im akademischen Umfeld tätig und arbeitet in Bologna. Ich hatte zunächst eine Stelle in Mailand und Bologna resp. Norditalien gesucht, auch hatte ich daran gedacht, einen Job in der Industrie anzutreten. Erst beim Recherchieren, welche Möglichkeiten im Forschungs- und Hochschulbereich bestehen, bin ich auf das IFeL gestossen. Die FFHS hatte mich dann aber begeistert und überzeugt, auch geografisch passt sie perfekt in meine neue Lebenssituation.
Wie gefällt dir deine Arbeit und die Region um Brig herum und das Wallis generell?
Ich mag das beschauliche Brig mit der Natur rundherum und den vielen Outdoorsport-Möglichkeiten in der gesamten Region sehr. Ich halte mich für sehr naturverbunden und geniesse viele Aktivitäten an der frischen Luft, in der Natur – und dafür erscheint mir das Wallis optimal. Unser Fokus liegt aktuell aber ohnehin auf der kurz bevorstehenden Geburt unseres ersten Kindes jetzt im Februar.
Was sind deine Forschungstätigkeiten, welche Art Projekte konntest du umsetzen?
Ein Studiumsabbruch ist ein kritisches Problem insbesondere für Fernstudieneinrichtungen. Seit 2014 leiste ich Pionierarbeit in der Forschung im Bereich «Predictive Learning Analytics» und habe neue Tools entwickelt, die die Bindung der Studierenden an die Hochschule erfolgreich verbessern, indem sie sie frühzeitig warnen, wenn sie zu scheitern oder ihr Studium abzubrechen drohen. Ein besonderes Analyse-Tool beispielsweise verbesserte die berufliche Praxis der Dozierenden, die Ergebnisse der Studierenden und die Haltequote an der Open University. Es hat sich auch gezeigt, dass diese Instrumente die bestehenden Ungleichheiten im Bildungsbereich verringern können, da sie sich stärker auf Studierende mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund auswirken.
Darüber hinaus haben wir mit anderen Instrumenten die durchschnittliche Abbrecherquote von Studienanfängern an der Technischen Universität in Prag von 37% auf 19% gesenkt. Dies bewahrte 422 Studenten vor dem Abbruch ihres Studiums und verhinderte, dass die Fakultät mehr als 1 Million Euro an staatlichen Mitteln verlor.
Konntest du mit deiner Erfahrung dahingehend auch an der FFHS weiterarbeiten?
Ja absolut. Dank der digitalen Transformation und dem bald fertiggestellten Data-Warehouse tritt die FFHS in eine Ära ein, in der sie die Datenspurenmenge der Studierenden in erheblichem Masse nutzen kann – etwa, um neue Analysetools zu entwickeln, die sowohl Studierende als auch Dozierende unterstützen. Die vorhandenen Erkenntnisse und Daten haben das Potenzial, schwache Studierende zu identifizieren und ihnen zu helfen, ihre Ergebnisse und Selbstregulierungsfähigkeiten zu verbessern. Diese gehören zu den Soft Skills des 21. Jahrhunderts, die bei Schülern unbedingt gefördert werden müssen, damit sie mit den komplexen Gegebenheiten der modernen Welt zurechtkommen.
Diese neue Forschung kann dank der internen Fähigkeiten des IFeL und neuer Kooperationen ermöglicht werden. Diese werden sowohl innerhalb der Schweiz dank des BeLearn-Netzwerks als auch international dank unseres UNESCO-Lehrstuhls aufgebaut. In der Schweiz arbeiten wir zum Beispiel mit der Forschungsgruppe der Universität Bern zusammen, die alle Schweizer Assessments analysiert und im Rahmen der EDK arbeitet. Auf internationaler Ebene arbeiten wir etwa mit der Universität Johannesburg zusammen, um zu erproben, wie Learning Analytics die Reflexion und das Lernen künftiger Lehrkräfte verbessern kann.
Du scheinst allgemein sehr international unterwegs zu sein. Fühlst du dich manchmal auch etwas «lost in translation»?
Tatsächlich wuchs ich im tschechischen Frydek-Mistek auf, einer Stadt an der Grenze zu Polen. Studiert habe ich an der Brno University of Technology (in Deutsch heisst die zweitgrösste Stadt Tschechiens Brünn) und auch mein Doktorat in Information Technology dort absolviert. Während dieser Zeit bin ich bereits nach England gezogen, um dort meine Forschungstätigkeit auszuüben. Dass ich nun mit meiner Freundin in Italien lebe und im deutschsprachigen Wallis arbeite, sehe ich als grosse Bereicherung auf allen Ebenen. Ich lerne fleissig Italienisch, habe auch Kenntnisse in Deutsch, Französisch und Griechisch. Aber ja, ich spreche nicht überall fliessend und manchmal kann ich mich nicht so gut ausdrücken, wie ich es in meiner Muttersprache oder Englisch tun könnte.
Hast du ein besonderes Talent, etwas das niemand kann resp. kaum jemand von dir weiss?
Ich denke nicht, dass ich ein besonderes Talent habe, schon gar nicht etwas, das niemand anderes könnte. Obwohl mir etwas Lustiges einfällt: Ich kann «Waschbär» in rund 50 Sprachen sagen!
Und sonst bin ich – zumindest, wenn ich mehr Zeit habe – ein begeisterter Kletterer. Auch Wandern gehört zu meinen Hobbys. Ich verbringe gerne und viel Zeit mit meiner Freundin, wir sind gerne draussen unterwegs. Leider fehlt uns oftmals etwas die Zeit dafür.
Ich spiele zudem Piano, Keyboard und Drums; Musik ist eine Leidenschaft von mir. Und wie schon erwähnt, mag ich grundsätzlich Sprachen und interessiere mich für Kultur.
Was wolltest du als Kind einmal werden?
Uff, natürlich wollte ich Astronaut werden, und dann natürlich auch Fussballstar. Ich war ein eher unentschlossenes Kind und so waren meine Vorstellungen und Träume auch oft sehr situationsabhängig – davon, mit wem wo und in welchem Alter ich grad war. Ich wollte etwa bei der Kehrichtabfuhr arbeiten, fand diese orangegekleideten Typen ganz cool. Bei uns ist dies ein weit verbreiteter Bubentraum, weil man den ganzen Tag diesen tollen Truck fahren darf. Die vielleicht nachhaltigste Phase war aber diejenige, in der ich mich für alle Arten von Detektivarbeiten begeistert habe. Vielleicht liegt darin auch der Grund, wieso ich zu einem Forscher geworden bin, der eben gerne in Daten nachbohrt.
Welche drei Dinge würdest du auf eine Reise zum Mond mitnehmen?
Mit etwas Bedenkzeit aber dann doch sehr entschieden: meine Freundin, wenn das geht – ist ja kein «Ding», aber am liebsten würde ich sie auf diese Reise mitnehmen. Dann mein E-Book, die Reise kann ja etwas dauern. Und wahrscheinlich nähme ich auch ein Piano mit.
Mit welcher historischen Persönlichkeit oder welchem Promi würdest du gerne mal einen Kaffee trinken, und wo?
Ich denke, dass ich noch einmal mit meinem Vater auf ein Bier ins Letohradek Pub, das in Realität mittlerweile geschlossen ist, gehen würde. Leider ist mein Vater vor etwas mehr als einem Jahr verstorben. Wenn es eine berühmte Persönlichkeit sein soll, dann würde ich gerne Tomáš Baťa treffen, den tschechischen Unternehmer, dessen Name vor allem wegen der Schuhherstellungsfirma «Bata» bekannt sein dürfte. Auch ihn würde ich aber auf ein Bier anstelle eines Kaffees überreden wollen.
Welche Farbe würde dich am besten charakterisieren?
Das ist schwierig. Ich kann diesbezüglich aber etwas Lustiges preisgeben. Meine Freundin hat von meiner Schwester oder Mutter einen pinkfarbenen Regenschirm geschenkt bekommen und ich bin oft damit aus dem Haus gegangen. Es hat mich irgendwie fasziniert, wie die Leute darauf reagierten und wie sie mich beim Vorbeigehen anschauten. Und ganz ehrlich gesagt, tue ich das immer noch und es amüsiert mich jedes Mal aufs Neue.
Wenn du nur noch eine Band bis zum Lebensende hören dürftest, welche wäre das?
Queen. Ich hätte noch ein paar andere im Kopf. Aber von der musikalischen Bandbreite her und wenn ich bedenken muss, auch weiterhin unterschiedliche Stimmungen zu erleben: eindeutig Queen – einmalig und sehr divers im Stil.