16.09.2024

Mithilfe von KI werden Schäden an Solarpanels gefunden

In Zusammenarbeit mit der SUPSI forscht Ralf Jandl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Laboratory for Web Science (LWS) der FFHS, an einer neuen Methode, die Defekte an Photovoltaik-Anlagen identifizieren soll. Dabei hilft nicht zuletzt auch künstliche Intelligenz.

Ralf, kannst du kurz das Ziel dieses Projekts erläutern?
Ziel ist es, eine neue Methode zur Erkennung von Defekten an Photovoltaik (PV) Modulen zu entwickeln. Durch Bildanalysen anhand Künstlicher Intelligenz (KI) sollen beschädigte PV-Module identifiziert werden. Solche Beschädigungen können einerseits zu potenziellen Leistungsverlusten führen, andererseits bestehen aber auch Sicherheitsrisiken, wenn die Defekte beispielsweise zu Überhitzungen führen. Grundlage der Analyse ist der Einsatz einer hochauflösenden Kamera, die Fotos in den Farbspektren von Ultraviolett (UV), Infrarot (IR) sowie dem normalen visuellen Licht aufnimmt. Im Rahmen des Projekts werden KI-Algorithmen zur automatischen Identifizierung von Defekten entwickelt, die dann sowohl in Forschungslabors als auch in Produktions- und Betriebsumgebungen zum Einsatz kommen können.

Wie läuft die Forschungsarbeit konkret ab?
In einem ersten Schritt erhalten unsere Kollegen bei der SUPSI PV-Module, die teilweise über 20 Jahre in Betrieb waren. In den Laboreinrichtungen in Mendrisio werden die PV-Module mit der erwähnten hochmodernen Spezialkamera fotografiert. Das Bildmaterial gelangt dann zu uns ans LWS und in einem ersten Schritt verwenden wir einen KI-Algorithmus, um innerhalb der Fotos die einzelnen Zellen eines PV-Moduls zu lokalisieren. Ein weiterer KI-Algorithmus analysiert dann die jeweiligen Bildausschnitte der Zellen, um normale funktionierende Zellen von beschädigten Zellen zu unterscheiden.

Von welchen Arten von Schäden sprechen wir und wie entstehen diese?
Wir wissen, dass hauptsächlich die Natur für die Schäden verantwortlich ist. Über die Jahre im Betrieb hat die Witterung mit dauerhafter Sonneneinstrahlung, Regen und Schnee einen grossen Einfluss auf Zellen. Ausserdem gibt es immer wieder Naturereignisse wie Stürme und Hagelschläge, die zu Beschädigungen führen können. All diese Einflüsse führen zu Korrosion, Rissen, Löchern aber auch zu verdunkelten Bereichen. Unsere Kollegen bei der SUPSI haben die Möglichkeit, auch neue PV-Module künstlich altern zu lassen, so dass wir nicht 20 Jahre warten müssen, um die entstandenen Beschädigungen zu analysieren. Dies ist besonders für einen möglichen Einsatz unserer Algorithmen für einen Hersteller von PV-Modulen interessant. Die SUPSI hat spezielle Maschinen, mit denen sie neue PV-Module mit Hagel beschiessen können, sowie die Witterungseinflüsse von Jahrzehnten innerhalb weniger Tage oder Wochen simulieren können.

Sind solche Schäden nicht mit dem menschlichen Auge zu erkennen? Wozu braucht es den Einsatz von KI?
Nun ja, man sieht selbstverständlich die grösseren Schäden mit blossem Auge. Die KI identifiziert aber auch sehr kleine Defekte, wo wir Menschen kaum etwas erkennen würden. Zudem wäre es sehr zeitaufwendig und damit teuer, wenn die Fotos sehr vieler PV-Module von einem Menschen analysiert werden müssten. Ziel ist es daher, dass unsere KI-Algorithmen den Grossteil der Fotos voll automatisiert analysiert, und der Mensch nur noch im Zweifelsfall zum Einsatz kommt, wenn sich die KI also nicht sicher ist, ob es sich tatsächlich um einen Defekt einer Zelle handelt.

Steht hinter diesem Projekt immer auch der Nachhaltigkeitsgedanke?
Ja natürlich, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, wird erneuerbare Energie immer relevanter und dabei spielen Solaranlagen eine grosse Rolle. Dies ist auch ein ausgewiesenes Ziel des Bundes, weshalb unser EAGLE-Projekt vom Bundesamt für Energie (BFE) finanziert wird. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es wichtig, dass solche Anlagen möglichst lange und effizient betrieben werden können. Schäden sollen schneller entdeckt werden, Reparaturen fallen weniger aufwendig aus und die Anzahl nicht mehr funktionstüchtiger Elemente kann reduziert werden.

Sind weitere Projektfinanzierer respektive Interessengruppen bereits involviert?
Nein, das Projekt haben wir gemeinsam mit der SUPSI eingereicht und es wird vollends vom BFE finanziert. Es läuft seit 2022 und dauert noch bis zum nächsten Jahr. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir aus EAGLE noch weitere Folgeprojekte entwickeln und umsetzen werden und ich hoffe, dass dabei das BFE wieder finanziell unterstützen wird. Wir betreiben Forschung, es ist aber naheliegend, dass Interessenten aus der Wirtschaft und Industrie auftauchen werden. Die Hersteller von Solarpanels sind sicherlich an einer solchen Technologie interessiert.

«Die Hersteller von Solarpanels sind sicherlich an einer solchen Technologie interessiert.»

Wie schätzt du den Nutzen eurer Forschungstätigkeit ein?
Für uns ist es wichtig, dass längerfristig ein tatsächlicher Praxisnutzen aus unserer Forschung entsteht. Ich wiederhole das riesige Potenzial für Produzenten, Verkäufer aber auch Nutzern von PV-Modulen. Dank unserer Methodik bekommen sie eine Hilfestellung, die wirtschaftlich sehr gewinnbringend sein kann. Zudem lässt sich das Label Nachhaltigkeit aufrichtig und wahrhaftig vermarkten. Und nicht zuletzt spielt im ganzen Projekt auch der Sicherheitsaspekt eine zentrale Rolle. Kleinste Beschädigungen wie Risse und Löcher können beispielsweise bei starker Sonneneinwirkung plötzlich sehr gefährlich werden. Sie können überhitzen, Brände entstehen. Auf Wohnhäusern – insbesondere auch auf Chalets oder bei Holzdachkonstruktionen – kann es dann schnell zu einem Sicherheitsrisiko führen.

Wie könnte eure Technologie eines Tages konkret eingesetzt werden?
Bisher werden die PV-Module unter standardisierten Laborbedingungen fotografiert und untersucht. In Zukunft ist jedoch vorstellbar, dass wir etwa mittels Drohnen die Photovoltaik-Anlagen direkt vor Ort fotografieren und mit unseren KI-Algorithmen auswerten.

Und noch zum Abschluss: Wofür steht eigentlich der Projektname EAGLE?
Es ist immer hilfreich, wenn man für ein Projekt einen kurzen und prägnanten Namen findet. In diesem Fall ist die Zusammensetzung EAGLE aus der englischsprachigen Betitelung «a dEep leArninG approach to photovoLtaics rEliability» entstanden, was ins Deutsche übersetzt Adler bedeutet – vielleicht etwas erzwungen, aber letztendlich ambitioniert und sympathisch, oder? Ich möchte an dieser Stelle auch kurz erwähnen, dass das Projekt von Seiten LWS durch Prof. Dr. Martina Perani initiiert wurde und dass die von mir beschriebene Forschung in enger Zusammenarbeit mit ihr durchgeführt wurde.

Der Projektverantwortliche vonseiten der FFHS: