Melanie Biaggi 04.03.2025

Emotionen gewinnen in der Arbeitswelt an Bedeutung

Wo Menschen sind, da sind auch Emotionen. Aber welche Gefühle dürfen in der Arbeitswelt gezeigt werden? Dr. Tobias Heilmann, Studiengangsleiter des MAS Wirtschaftspsychologie, ordnet die Funktion und den adäquaten Umgang mit Emotionen im wirtschaftlichen Kontext ein.

Jeder Mensch hat Gefühle. Die Emotionsforschung zeigt, dass unser Gefühlsspektrum deutlich über die sechs Basisemotionen hinausgeht. In Studien der Universität Berkeley wurden sogar 27 verschiedene emotionale Facetten identifiziert. «Gefühle haben verschiedene Funktionen und sie helfen uns, Entscheidungen zu treffen. Sie sind wie ein Navi, das unser Verhalten steuert und unsere Bedürfnisse sichtbar werden lässt. Ohne Emotionen wären wir nicht motiviert, unsere Ziele zu erreichen», sagt Dr. Tobias Heilmann.

Emotionen steuern unser Verhalten und wer seine Gefühle richtig benennen kann, verarbeitet sie schneller, darin sind sich Experten einig. Doch wie viel Raum dürfen Emotionen im Arbeitsalltag einnehmen? Fakt ist: Viele Erwerbstätige leisten heute sehr viel Emotionsarbeit. Sie lächeln zum Beispiel in der Teamsitzung, obwohl sie vielleicht frustriert oder wütend sind – die professionelle Fassade bleibt gewahrt. Das Unterdrücken von Gefühlen funktioniert aber nur bedingt und ist anstrengend. Dazu Heilmann: «Das Gegenüber spürt, wenn man versucht, seine Emotionen zu verstecken.» Bei Verhandlungen, Präsentationen oder Bewerbungsgesprächen rät Heilmann deshalb: «Menschen sind dann am besten, wenn sie authentisch sind. Aber natürlich immer dem Anlass angemessen.»

Sinnhaftigkeit und Teamgeist

Und was ist mit den Führungskräften? Wie viele Gefühle dürfen sie zeigen? Für Führungskräfte ist emotionale Sensitivität von entscheidender Bedeutung. Führen ist gemäss Heilmann mehr als der Versuch rationaler Entscheidungsfindung. «Eine Führungskraft muss ihre Mitarbeitenden auf einer emotionalen Ebene erreichen, ihre Kompetenzen anerkennen, positives Feedback geben. Das fördert positive Emotionen, erhöht die Produktivität, motiviert und stärkt die Bindung an die Organisation», erklärt Heilmann.

Studien zeigen, dass die Sinnhaftigkeit der Arbeit für die Arbeitszufriedenheit und Produktivität entscheidend ist. «Die Menschen wollen wissen, wofür und womit sie arbeiten. Sie wollen das grosse Ganze erkennen und fühlen. Sie wollen ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen und autonom handeln. Und diese Autonomie ist ein entscheidender Motivationsfaktor», fasst Heilmann zusammen.

Unternehmen müssen insbesondere auch auf die Dynamik in den einzelnen Teams achten. Funktioniert ein Team gut und ist es eingespielt, erhöht das die Produktivität, die Effizienz und auch die Bindung an das Unternehmen. Dazu Heilmann: «Die meisten Menschen wechseln den Job nicht aus mangelnder Sinnhaftigkeit der Arbeit, sondern weil das Miteinander im Team nicht funktioniert.» Umso wichtiger sei es, dass Unternehmenskulturen den Mitarbeitenden den Raum geben, ihre Emotionen und Erfahrungen offen zu teilen, sowohl die positiven als auch die negativen.

Auch eine Führungskraft kommt zuweilen in emotionale Situationen, etwa wenn sie eine Person entlassen muss. «Emotionen lassen sich nicht ausschalten, aber zu einem gewissen Grad kontrollieren. Solche Gesprächssituationen können und sollten immer wieder geübt werden», so Heilmann. 

Gute Werbung löst Probleme

Emotionen sind immer auch Informationsquellen, die sich nicht zuletzt auch Unternehmen zunutze machen können. Zum Beispiel in der Werbung für ihre Produkte. Neid etwa kann ein guter Treiber sein. Ein Kunde kauft sich vielleicht den schicken Sportwagen eher, wenn der jüngere Nachbar ihn schon hat. Heilmann sagt: «Ein billiges Auto würde vielleicht reichen, aber mit dem teuren zieht man vielleicht die Blicke auf sich und fühlt sich gut.»

Ohne Emotionen treffen Kunden keine Kaufentscheidungen, denn wir denken immer psychologisch und nicht rational. Wie Heilmann erklärt, ist eine Werbung dann gut, wenn sie Informationen und Argumente liefert, ein Problem löst, starke Emotionen auslöst und so den Kunden mittel- bis langfristig an ein Produkt und damit auch an ein Unternehmen bindet. Für gute Werbung gibt es jedoch keine vorgefertigte Schablone, die für jedes Produkt passt und angewendet werden kann. Im CAS Marken- und Werbepsychologie lernen die Studierenden an der FFHS unter anderem verschiedene Werbewirkungsmodelle kennen. «Das Wichtigste ist, die Zielgruppe für ein Produkt zu kennen, zu wissen, wie sie tickt und welche Bedürfnisse sie hat. Es gibt bestimmte Trigger, mit denen man werben kann und die dann auch helfen, ein Produkt zu verkaufen», erklärt Heilmann.

Und was ist mit den Produkten, die der Kunde nicht mit positiven Emotionen verbindet, die sogar banal sind, wie etwa Entkalkungssalz? Auch solche Gebrauchsgegenstände müssen beworben werden. In der Konsumentenpsychologie gebe es auch für diese Gegenstände einen Ansatz. «Hier sind die Emotionen eher versteckt. Hier kann die Werbung ansetzen – um negative Effekte und Emotionen zu vermeiden. Ich kaufe Entkalkungssalz, damit mein Wasserkocher oder meine Spülmaschine nicht verkalkt. So kann ich Schäden vermeiden», sagt Heilmann.