Nicholas Morgan 07.02.2023

Augmented Reality revolutioniert die Fernwartung und -reparatur von Industrieanlagen

Mit Datenbrillen können Kunden unter Anleitung eines Experten in der Ferne die Instandhaltung vornehmen – in Echtzeit und Kosten minimiert. Nicholas Morgan, Absolvent des CAS Digitale Unternehmenstransformation an der FFHS, gibt einen Einblick über den Einsatz von Augmented Reality (AR) bei seinem Arbeitgeber, der SCHNEEBERGER AG.

Ein Maschinenausfall und damit oftmals ein Stillstand der Produktion kostet viel Geld. Nach Schätzungen von Senseye, basierend auf Kundendaten und einer Umfrage, verlieren Industrieunternehmen 3,3 Millionen Produktionsstunden pro Jahr, aufgrund ungeplanter Maschinenstillstände. Oft vergehen mehrere Stunden oder Tage bis ein Servicetechniker des Maschinenherstellers vor Ort ist und die Maschine repariert. SCHNEEBERGER AG möchte die Stillstände der Kundenmaschinen reduzieren. Roger Fankhauser testet Augmented Reality (AR), um Kunden unter Anleitung von SCHNEEBERGER-Experten zu befähigen, Instandhaltungen an ihren Maschinen vorzunehmen.

Spätestens seit dem Launch des Handy-Spiels «Pokémon Go» im Sommer 2016 ist der Begriff Augmented Reality in aller Munde. Die Spieler versuchen virtuelle Kreaturen zu fangen, während sie sich in der realen Welt bewegen. AR erweitert ihre Umgebung, indem der Live-Ansicht digitale Elemente hinzugefügt werden. Dabei lassen sich Computer-generierte Informationen, Daten, Bilder oder Videos auf Geräten wie Smartphones, Tablets oder Datenbrillen in eine reale Umgebung einblenden und dies, ohne das World Wide Web zusätzlich konsultieren zu müssen.

AR verkürzt einen Stillstand der Produktion

Wie kann AR bei einem Stillstand der Produktion eingesetzt werden? Hat ein Kunde von SCHNEEBERGER einen Maschinenstillstand, kann der Betriebstechniker das AR-Headset aufsetzen und mit seinem Finger die virtuelle 24h-Hotline-Taste drücken. Die AR-Brille des Betriebstechnikers liefert während des Videoanrufs dem Experten von SCHNEEBERGER Livebilder der Maschine. Dieser kann anhand von virtuellen Pfeilen und zusätzlich eingeblendeten Bildern dem Betriebstechniker zeigen, was er als nächstes tun soll. Die Fehlersuche wird dadurch erleichtert. Sobald der Fehler gefunden wurde, kann er behoben oder dem Kunden ein allfälliges Ersatzteil per Post zugestellt werden. Der Betriebstechniker und der Experte können das fehlerhafte Modul wiederum zusammen austauschen, wodurch die defekte Maschine oft nach kurzer Zeit wieder läuft. AR kann aber nicht nur für die Fernwartung und -reparatur, sondern auch für die Entwicklung von neuen Maschinen eingesetzt werden.

Die Digitalisierung verändert die Art, wie wir konsumieren, arbeiten, leben und miteinander kommunizieren. Unternehmen müssen diese ändernden Bedürfnisse in den Geschäfts-Strategien und -Prozessen berücksichtigen. Das St. Galler House of Digital Business unterstützt Unternehmen dabei, diese Herausforderung strukturiert zu meistern. Handlungsleitende Denkweise ist dabei die Nutzer-, Nutzungs- und Nutzenorientierung. Im skizzierten Praxisbeispiel mit dem AR-Headset wird dem Betriebstechniker ein massgeschneidertes Dienstleistungs-Bündel angeboten und das Bedürfnis einer raschen Lösung des Problems nutzerorientiert befriedigt. Der Betriebstechniker muss nicht nach Anleitungen im Internet suchen oder dem Experten das Problem mit Worten erklären. Durch die AR-Brille wird diese Aufgabe abgenommen und der Reifegrad der Dienstleistung erhöht, was zu einer verstärkten Nutzungsorientierung führt. Im Beispiel entfallen die Anfahrtskosten des Experten und es wird weniger Arbeitszeit durch den Stillstand einer Maschine verschwendet. Vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels ist dies besonders attraktiv, da mit weniger Experten in der Folge mehr Gewinn erwirtschaftet werden kann, was wiederum eine höhere Nutzenorientierung bedeutet.

Positive Erfahrungen

AR steht zwar erst in der Anfangsphase der Entwicklung, welche einige Herausforderungen mit sich bringt, aber Roger Fankhauser, der in den letzten Monaten eine AR-Brille getestet hat, konnte viele positive Erfahrungen machen.  Nach wie vor gibt es noch Einschränkungen, etwa dass die Internetgeschwindigkeit an vielen Orten noch zu gering ist. Es ist zu erwarten, dass der flächendeckende Ausbau von 5G hier für Abhilfe sorgen könnte. Momentan ist die Entwicklung einer AR-Anwendung noch zu teuer und zu kompliziert. Gemäss Fankhauser müssen die Entwicklungstools und die AR-Headsets benutzerfreundlicher und die Datenschutzthemen für den Einsatz in Unternehmen gelöst sein.