20.03.2018

Ein neues Umfeld für die Beratung

Die neuen Technologien rütteln an bestehenden Denkmustern, woraus sich auch ein neues Umfeld für die Unternehmensberatung eröffnet. Beratende sind aufgefordert, neue Geschäftsmodelle zu verstehen, zu hinterfragen, zu testen und bisweilen auch ein Scheitern einzuräumen.

Nur wenige der Gäste am Business Breakfast glauben, dass die Digitalisierung ein Risiko darstellt. Mehr sind bereits der Meinung, dass es dramatisiert wird, aber gleichzeitig sind sich viele von ihnen sicher, dass sie eine persönliche Auswirkung auf ihre Karriere haben wird. Volker Schulz, Mitglied der Geschäftsleitung der Unternehmensberatung mm1 reflektiert den Beruf der Beraterin, indem er ihn in der neuen Konstellation der Digitalisierung beleuchtet.

  1. Know-how als Rohgut steht nicht mehr im Zentrum der Beratung sondern die Synthese. Was bislang die Herrschaftsdomäne der Beratung war, für die viel Geld bezahlt wird, scheint nun schnell und für jedermann auf dem Internet zugreifbar zu sein. Die Transparenz und Verfügbarkeit von Wissen und Informationen stellt dabei eine besondere Herausforderung dar.
  2. Die digitale Präsenz und die Authentizität der Beratenden werden immer wichtiger, denn der Kunde wird sich von der Professionalität seiner Betreuer online überzeugen.
  3. Expertenplattformen als booking.com der Beratung bieten die Vermittlung von zielgerichtetem Know-how
  4. Die Rekrutierung in der Beratung konkurrenziert mit dem hippen Zeitgeist der digitalen Start-ups. Was früher die Aspiration (fast) jeder Hochschulabgänger war, hat seinen Reiz verloren.
  5. Powerpoints reichen nicht mehr. Beratende werden vermehrt gebeten die Umsetzung ihrer Vorschläge und Ansätze einzuführen

Kooperationen und neue Entlöhnungsmodelle in der Beratung

Der Fokus auf Technologie und deren rasante Veränderung ist eine der grössten Herausforderung für alle Unternehmen. Das zeigt sich im Shift zu den gesuchten Beratungsleistungen, die vermehrt diese Themen in den Fokus stellen und sich damit an die digitalen Technologieberatenden von grösseren IT-Firmen wenden. Dabei entsteht für die Beratung eine hybride Welt, in welcher die Digitalisierung scheinbar das Spezialistentum verdrängt, aber die vielschichtigen Anforderungen eine generalistische Perspektive verlangen. Das stellt die Unternehmensberatung vor die Entscheidung: entweder bauen sie ihre Technologiekompetenz aus oder sie finden neue Wege, die möglicherweise auch in Kooperationen mit anderen Beratungsunternehmen münden, um den Kunden das vielschichtige Know-how bieten zu können. Dabei entstehen neue Entlöhnungsmodelle wie ein Risk-Sharing mit dem Auftraggeber oder die erfolgsabhängige Bezahlung.

Software, Daten und das Schwarze Loch

Was die Digitalisierung für viele Kundenunternehmen ausserdem mit sich bringt, und dessen sich die Beratende unbedingt bewusst sein müssen, ist der Druck ihre Kompetenzen komplett neu auszurichten. Die Hardware im Produkt, die Mechanik und die Einzelkomponenten werden überholt von der Bedeutung der Software, die allumfassend steuert und definiert. Der Wert der Daten wird das zukünftige Kapital der Unternehmung sein, illustriert am Kauf des deutschen Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Hausgerätehersteller Midea. Im Betätigungsfeld eines Unternehmens wird die Entwicklung der Technologie nicht die low-task jobs ersetzen oder die, die komplexe Aufgabenfelder bearbeiten. Das Schwarze Loch wird laut Scholz eher das Mittlere Management betreffen. Entwicklungen, die jede Beraterin hinsichtlich den Fragen zur Digitalisierung mit berücksichtigen muss.

SBB investiert in IT

Die Digitalisierung ermöglicht Spezialisierung, Differenziertheit und kleine Losgrössen eher als die Automatisierung, was laut Jochen Decker, IT-Stratege und Mitglied der Geschäftsleitung der SBB, bislang nicht die Kernkompetenzen der Bahngesellschaft darstellt. Trotzdem ist sich die SBB des Potenzials bewusst und sieht auch die Möglichkeiten beispielsweise in selbstfahrenden Autos für regional unterfrequentierte Strecken. Für ihre bisherigen Bestrebungen erhielt die SBB bereits 2015 den Preis für die Digitale Transformation und die Informatik spielt ganz klar einen hohen Stellenwert, wofür eine für die Transportbranche überdurchschnittlich hohe Summe investiert wird.

Interne Beratung ist der Schlüssel für komplexe Wertschöpfung

Doch am Schluss folgert Decker, ist die Digitalisierung nicht nur IT-Architektur und
-Steuerung, sondern primär eine Frage des Geschäfts. Bereits jetzt kommt der Grossanteil des Verdienstes nicht vom Betreiben der Züge sondern von den Immobilien: Der Zugpassagier ist Besucher am Bahnhof und den dort angesiedelten Geschäften und wenn diese gut frequentiert werden, ermöglicht das der SBB ein höheres Einkommen durch die Gebäude. Das zeigt, dass reines technisches Know-how nicht das Non-Plus-Ultra, sondern eine gehörige Portion Geschäftsverständnis viel wichtiger ist. Eine solche überraschende und äusserst komplexe Wertschöpfung kann laut Decker nur durch eine interne Beratung identifiziert und für den Ausbau der Digitalisierung genutzt werden. Die externe Beraterin liefert dabei punktuell Ideen und spezifisches Know-how, der Schlüssel liegt jedoch intern.

Transparenz, Authentizität und vor allem Ehrlichkeit sind gefordert

Dass die Digitalisierung kommt, ist keine Frage, doch sollte man sich nicht jeden Hype sofort mitmachen, sondern genau analysieren, was, wie, wann Sinn macht. Beratende, v.a. auch externe, müssen daher ehrlich, transparent und authentisch sein und die Bedürfnisse seines Kunden genau ausmachen können. Total überzogene Lösungen für Unternehmen oder das Vorgaukeln alle Aspekte der Digitalisierung zu kennen und zu können, ist weder ehrlich noch authentisch und führt die Beratung in eine Sackgasse.