Joachim Steinwendner 20.08.2019

Tech-Dominator China: Wie Schweizer KMU in Sachen KI gleichziehen können.

Selbst Napoleon hat bereits 1817 das englische Königreich mit dem Spruch gewarnt: «Lasst den chinesischen Drachen schlafen. Wenn er sich erhebt, erzittert die Welt.» Aktuell zittert man vor der beängstigenden Geschwindigkeit mit welcher die Digitalisierung im speziellen die KI-Technologien in China vorangetrieben wird. Wie betrifft es die Schweiz und ihre KMU-Landschaft und wie sollen wir damit umgehen?

Die Technologie-Strategie der chinesischen Regierung

Chinas Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz ist als Teil einer Digitalisierungs-Strategie zu sehen, die als «Made in China 2025»-Programm bezeichnet wird. Die chinesische Regierung will bis 2049 die führende Nation werden. China hat sich von einem Imitator und Umsetzer bereits zu einem Innovator vor allem im Bereich der KI entwickelt. China will aber nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im militärischen Bereich eine führende Rolle einnehmen. Im dreistufigen KI-Plan des chinesischen Staatsrats soll bis 2020 die USA eingeholt, bis 2025 überholt und bis 2030 die globale Führung gefestigt werden. Ein entscheidender Faktor ist der starke Einfluss der chinesischen Regierung auf private Firmen und deren Entwicklung. Teil dieser Strategie ist die Aufhebung der Trennung von ziviler und militärischer Forschung, was unterschiedliche Institutionen zusammenführt und sowohl die militärische als auch wirtschaftliche Entwicklung anschiebt.

 

Humankapital und Arbeitsethik

China verfügt über ein unglaublich grosses Humankapital, und das nicht nur aufgrund der Einwohnerzahl von ca. 1.4 Milliarden, sondern auch aufgrund der rasanten allgemeinen Entwicklung in den letzten 30 Jahren. Viele dieser Entwicklungen sind auch der schnell wachsenden Digitalisierung geschuldet. Aber auch die Arbeits«ethik» spielt eine entscheidende Rolle im Wachstum Chinas: «996» steht symptomatisch für den 12-Stunden-Tag 6 Tage die Woche, die nicht nur in der Tech-Branche üblich ist. Beruhigend mag sein, dass sich in China bereits Widerstand formiert vor allem von im Ausland ausgebildeten Chinesinnen und Chinesen. Aber auch diese Entwicklungen sind eher Randerscheinungen ohne wesentliche politische Macht.

Unterschiedliche Weltansichten

Wir versuchen China mit der westlichen Brille zu sehen und zu beurteilen, was uns das Verständnis dieses Landes erschwert. Nach unserem westlichen Verständnis (ca. 10% der Weltbevölkerung) sind Kapitalismus, Demokratie und Priorität der politischen Rechte über die wirtschaftlichen Rechte Voraussetzung für ein gutes Leben. In Entwicklungsländern (90% der Weltbevölkerung) stehen allerdings die Grundbedürfnisse, wie Nahrung, Wohnraum, Bildung, Gesundheitswesen vor politischen Errungenschaften. Die westliche Welt denkt Demokratie ist die Voraussetzung für wirtschaftlichen Aufschwung, tatsächlich aber ist wirtschaftlicher Aufschwung Voraussetzung für die Entwicklung einer Demokratie. China ist mit seiner Entwicklung in den letzten 30 Jahren eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte und konnte neben dem unglaublichen Ausbau der Infrastruktur des Strassen- und Schienennetzes auch die Armutsgrenze von 90% auf 1% senken, die Mittelschulausbildungsquote von 28% in 1970 auf 82 % in 2012 anheben.

Die Ausprägung der chinesischen Regierungsform führt allerdings zu Entwicklungen, die nicht nur mit Blick auf Menschenrechte bedenklich sind. Ein Sozialkreditsystem, dass mithilfe von auf KI-basierender Gesichtserkennung soziale Stabilität und Kontrolle gewährleisten sollen ist in unserer westlichen Welt undenkbar. San Francisco hat erst kürzlich die Verwendung von Gesichtserkennungstechnologie durch Behörden verboten, da der Stadtrat der Meinung ist, die Bedrohung der Bürgerrechte sei grösser als die behaupteten Vorteile.

 

Schweizer KMU – was tun?

Es wäre natürlich absurd zu glauben, die Schweiz könne sich allein auf dem Feld der KI dem grossen China entgegenstellen. Aber wir dürfen auch nicht in Thukidides Falle tappen, die die Angst und Bedrohung beschreibt, die ein etablierter Staat bzw. Zivilisation gegenüber einem aufstrebenden Staat empfindet und das Verhalten dieser wesentlich beeinflusst bzw. lähmt.

Doch was können und sollen Schweizer KMUs tun, um sich zu wappnen? Prinzipiell ist festzustellen, dass die Schweiz bereits gut aufgestellt ist in Bezug auf Ausbildung, Investitionen, Innovation. Viele Entwicklungen der KI haben in der Schweiz ihren Ursprung, wie Jürgen Schmidhuber des Dalle Molle Institute for Artificial Intelligence der SUPSI betont. Doch wehe dem, der sich darauf ausruht, denn es braucht kontinuierliche Anstrengung, noch mehr spezifische KI-Ausbildung und mehr «Spielwiesen» für die KMUs. Diese Spielwiesen sollten nicht nur der Entwicklung sondern auch der aktiven Umsetzung und dem Markteintritt von KI-Produkten dienen und explizit ein Versagen ermöglichen.

Eine weitere Herausforderung der sich KMU gegenüberstehen ist das «neue Öl» - Daten, unabdingbar für den Einsatz von KI, die grosse Datenmengen zum Lernen benötigt. Das liegt u.a. natürlich auch an der Grösse der Unternehmen, die per se oft weniger Daten generieren als internationale Grossunternehmen, die im Falle Chinas auch noch staatlich unterstützt werden. Aber eine grössere Rolle spielt der geringere digitale Reifegrad in KMU, wo z. Bsp. Produktionsstätten nicht durchgehend mit Sensoren ausgestattet sind, die die relevanten Daten sammeln.

Nichtsdestotrotz sollten die Chancen einladen, das Potential der KI in KMU zu nutzen. Laut einer Erhebung in deutschen Mittelstandsunternehmen (2019) identifizieren die befragten Unternehmen die grössten Chancen durch KI im operativen Bereich wie bspw. der optimierten Logistik, gesteigerter Prozesseffizienz, und verbessertem Kundenservice. Aber auch Produktinnovationen und neue Geschäftsmodelle können durch KI realisiert, sowie das Wissensmanagement im Unternehmen unterstützt werden. Daten sind zwar das neue Öl, aber durch KI gewonnene Informationen das neue Gold – und darauf sollte man sich konzentrieren.

Trotz positiver Investitionslage bleiben proprietäre KI-Entwicklungen oft eine kostspielige Sache für KMU. Eine Möglichkeit, KI zu nutzen ohne sie zu entwickeln, bietet sich in sog. KI-as-a-Service Angeboten. Geringere Investition, rasches Time-to-Value, schneller Einstieg mit weniger IT-Knowhow sind überlegenswerte Vorteile. Für den Einstieg in die KI können Forschungsinstitute von FH’s Unterstützung leisten. Wenn es komplexer wird und Standardlösungen den individuellen Problemstellungen nicht mehr gewachsen sind, kann die Forschung mithilfe von FH-Forschungsinstituten und Zuschüssen von Innosuisse ausgelagert werden…

Am grössten ist die Herausforderung aber auch die Chance für die Politik. Sie ist dafür verantwortlich, dass neben der Förderung der Entwicklungs- und Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich KI die menschenrechtlichen und ökologischen Grundwerte und Interessen der Schweiz eingefordert und gesichert werden.

Wie ist ihre Meinung dazu? Haben wir eine Chance gegen China oder sind wir auf verlorenem Posten?

Autor: Dr. Joachim Steinwendner ,Forschungsfeldleiter am Laboratory for Web Science

 

Das Laboratory for Web Science (LWS) ist eine gemeinsame Forschungseinheit der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) und des Information Systems and Networking Institute (ISIN) der SUPSI. Die FFHS konzentriert sich auf die Forschungsfelder Data Science und GeoHealth Analytics.