Lena Kirsch, Ralph Hartmeier, Roger Wüthrich-Hasenböhler 08.10.2020

Wie Innovationen strukturiert vorangebracht werden können

Eine zeitgemässe Innovationsgeschwindigkeit kann nur gelingen, wenn Unternehmen ihr kreatives Potenzial optimal erschliessen, Ideen gezielt verfeinern und sich bei der Entwicklung darauf konzentrieren, was wirkliche Mehrwerte für die Kunden verspricht. Der Beitrag zeigt, wie ein Innovationsprozess aussehen kann, und beschreibt die Erfolgsfaktoren dafür.

Nur acht Prozent der Unternehmen glauben gemäss einer McKinsey-Studie, dass ihr derzeitiges Geschäftsmodell wirtschaftlich rentabel bleibt, wenn die betreffende Branche sich in der aktuellen Art und Geschwindigkeit weiter digitalisiert. Die digitale Transformation ändert alle bekannten Marktdynamiken. Auf der Kundenseite ändern sich die Erwartungen in immer kürzeren Zyklen. Auf der Seite der Anbieter werden die Markteintrittsbarrieren immer niedriger, sodass digitale, teilweise branchenfremde Unternehmen in den Markt eintreten und aggressiv Anteile übernehmen und den Markt disruptiv verändern.

Schnellere Innovationsprozesse

Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, durch Erhöhung ihrer Innovationsgeschwindigkeit neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle schneller zu entwickeln und an den Markt zu bringen, um im modernen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben und zugleich den Kundenanforderungen Rechnung zu tragen (Schlagwort: Customer Centricity).

Herkömmliche Innovations- und Produktentwicklungsmethoden reichen aufgrund der zuvor genannten Trends nicht mehr aus. Kapitalintensive, langwierige Prozesse und komplizierte Unternehmensstrukturen hemmen die Kreativität und sind oftmals zu wenig kundenorientiert und nicht dynamisch genug.

Obwohl viele Unternehmen wissen, wie wichtig Innovationen für sie sind, werden die meisten aufkommenden Ideen nicht konsequent weiterverfolgt und umgesetzt. Wenn Produkte und Services resultierend aus aufkommenden Ideen doch zur Umsetzung gebracht werden, sind diese in vielen Fällen an den Kundenbedürfnissen vorbei entwickelt worden und bringen somit nicht den gewünschten Erfolg.

kurz & bündig

  • Die meisten aufkommenden Ideen werden von Unternehmen nicht konsequent weiterverfolgt und umgesetzt.
  • Damit die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens langfristig gesichert werden kann, ist es sinnvoll, einen systematischen Prozess einzuführen.
  • Der Innovationsprozess muss es ermöglichen, auf sich verändernde Kundenbedürfnisse flexibel sowie schnell reagieren zu können.

Die Anforderungen

Um den beschriebenen Herausforderungen zu begegnen und Produkte beziehungsweise Services schneller und kundenzentrierter zu entwickeln und an den Markt zu bringen, müssen Unternehmen ihr kreatives Potenzial optimal erschliessen, Ideen gezielt verfeinern und sich bei der Entwicklung darauf konzentrieren, was wirklichen Mehrwert für die Kunden erzeugt. Damit die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens langfristig gesichert werden kann, ist es sinnvoll, einen systematischen Prozess einzuführen. Denn oftmals herrschen unter dem Vorwand der Kreativität eher chaotische und unkoordinierte Strukturen. Ein effektiver Entwicklungsprozess für innovative und digitale Produkte und Services sollte daher folgende Anforderungen erfüllen:

Customer Centricity

Der Innovationsprozess muss es dem Unternehmen ermöglichen, auf sich verändernde Kundenbedürfnisse flexibel sowie schnell reagieren zu können. Ausserdem ist es für einen erfolgreichen Prozess essenziell, dass das konkrete Kundenproblem umfassend erkannt wird und im Zentrum der Lösungsfindung steht.

Geschäftsmodell/Produktstrategie

Um langfristig am Markt bestehen zu können, sollte ein Geschäftsmodell beziehungsweise eine Produktstrategie vorhanden sein, welche das Produkt beziehungsweise den Service, dessen Zielgruppe, Partner, Kosten et cetera beschreibt
und auf die Unternehmensziele und die Mission einzahlt.

Kontinuierliches Lernen

Die Entwicklung von Produkten und Lösungen muss bewusst so gesteuert werden, dass frühzeitig und entlang des gesamten Prozesses Feedback, zum Beispiel von den potenziellen Kunden, eingeholt und aus Fehlern gelernt werden kann. Anderenfalls kann auf mögliche Veränderungen der Rahmenbedingungen nicht flexibel reagiert werden.

Von der Idee bis zur Umsetzung

Der Weg von der Idee bis zur erfolgreichen Markteinführung ist oft wenig planbar und von vielen Unsicherheiten geprägt. Die Produktentwicklung entlang eines strukturierten und systematisierten Prozesses kann dabei helfen, die Erfolgswahrscheinlichkeiten eines neuen Produktes am Markt zu steigern.

Für Unternehmen kann es hilfreich sein, sich an einem generischen Prozess zu orientieren, um den eigenen Innovationsprozess aufzubauen und diesem Systematik und Disziplin mitzugeben. Wichtig ist allerdings, dass die Spezifika jedes Unternehmens berücksichtigt und der Prozess individuell angepasst wird.

Ein Innovationsprozess umfasst alle Phasen von der Idee bis zur Umsetzung des Produkts. Die Einteilung in Phasen variiert je nach Modell, beinhaltet im Kern allerdings grösstenteils die gleichen Elemente und lässt sich grundsätzlich in die folgenden fünf Phasen einteilen (siehe Abbildung 1: «Fünf Phasen des Innovationsprozesses: Von der Idee bis zu Umsetzung»). Die Integration des Kunden und somit das nutzerzentrierte Weiterentwickeln einer Idee ist während des gesamten Prozesses und in jeder Phase von enormer Bedeutung.

Die Grundlage der Produktentwicklung sollte stets ein konkretes und tief greifend verstandenes Problem des Kunden sein. Denn nur wenn ein Produkt oder ein Service ein echtes Problem des Kunden löst, wird dieser zum Käufer beziehungsweise Nutzer. Somit startet alles mit einem klaren Verständnis der Problemstellung und der Bedürfnisse. Tatsächlich tendieren viele Unternehmen dazu, zu früh in Lösungen zu denken. Dies führt bestenfalls zur Aufwertung oder zu Verbesserungen des Bestehenden, hindert jedoch die Entwicklung von disruptiven Innovationen.

Ist das Kundenproblem verstanden und definiert, ist der nächste Schritt durch Kreativität und Offenheit geprägt: Es gilt, unterschiedliche Ideen als Lösungsansätze zu generieren und zu evaluieren. Hierbei spielen ein kontinuierlicher Austausch mit (potenziellen) Kunden und Nutzern sowie frühzeitiges Testen der Ideen eine zentrale Rolle. Mithilfe von Click-Dummies oder später auch Prototypen können die Ideen und Konzepte mit den Kunden iterativ verprobt und getestet werden, um festzustellen, ob die angedachte Lösung tatsächlich das identifizierte Kundenproblem löst. Kunden können hierbei neben reinem Feedback auch vielversprechende Ideen einbringen (Co-Creation).

Es empfiehlt sich, mit einem MVP (Minimum Viable Product) als erste, funktionsfähige Version des Produktes am Markt zu starten und dieses im Laufe der Zeit sowie mit dem Feedback der Nutzer weiter auszubauen.

Das Produkt und dessen Ausrichtung muss letztendlich zur übergeordneten Unternehmensstrategie passen und skalierbar sein, sodass das Business-Modell des Produktes im Gesamtrahmen funktionieren kann. Ist dies erfüllt, kann das Produkt iterativ und kontinuierlich weiterentwickelt werden und skalieren.

Prozess-Methode-Kultur

Der Innovationsprozess, der Einsatz von Methoden sowie eine innovationsfördernde Unternehmenskultur sind die Bausteine eines erfolgreichen Trios für die Innovation.

Prozess

Der Innovationsprozess gibt für alle aktiv und passiv involvierten Personen Orientierung darüber, wie in der Organisation mit dem Thema Innovation umgegangen wird. Ein strukturiertes Vorgehen hilft dabei, jedes Innovationsvorhaben auf die gleiche Art und Weise anzunehmen und so unter Berücksichtigung der definierten Teilschritte zum Erfolg zu bringen oder frühzeitig zu verwerfen.

Methode

Der Einsatz von Methoden erleichtert die Anwendung des Innovationsprozesses in der Praxis. Hilfreiche Werkzeuge oder Modelle geben im jeweiligen Prozessschritt die passende Unterstützung, erwecken den oft zu theoretisch wirkenden
Prozess zum Leben und stellen die konsequente Kundenorientierung sicher.

Kultur

Eine Unternehmenskultur, die Innovation fördert, ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Innovationsprozesses. Eine solche Kultur zu erschaffen, ist für viele Unternehmen eine grosse Herausforderung, zugleich aber auch der wirksamste Hebel. In einer positiven, lernorientierten Innovationskultur werden Kreativität, Motivation und Ideen aktiv gefördert.

Zusammenfassung

Bei einem Innovationsprozess geht es grundsätzlich für ein Unternehmen darum, dem oft chaotischen und unkoordinierten Vorgehen für Kreativitätsthemen einen Rahmen zu geben. Hierbei wird definiert, wie Ideen im Unternehmen eingegeben, weiterverfolgt und auf den Markt gebracht werden können. Der Prozess und die definierten Methoden helfen dabei, alle wichtigen Prozessschritte zur richtigen Zeit zu beachten, um Flops frühzeitig zu erkennen, die Erfolgsrate für Innovationen zu erhöhen und die verfügbaren Ressourcen effizient einzusetzen. Zusätzlich sollte ein kultureller Rahmen für offene Innovationen geschaffen werden, in welchem die Mitarbeiter gefördert werden, sich austauschen können und von der interdisziplinären Vielfältigkeit profitieren können. Die Voraussetzung für den Erfolg sind immer die richtigen Mitarbeiter und ein starkes Team.

(Erstpublikation im «KMU-Magazin», 7/8 2020»)

Ralph Hartmeier
Co-Founder, Leiter Wachstumsteam, Getkickbox powered by Swisscom Digital
M.A. in Business Administration, war bei Swisscom zunächst als «Open Innovation Developer » tätig und baute das Kickbox-Programm mit Coaching von Intrapreneuren, internes Marketing und Company Building auf. Seitdem das Programm bei anderen Unternehmen bekannt wurde, leitet Ralph das Wachstumsteam bei Getkickbox, das es anderen Organisationen ermöglicht, ihr eigenes Kickbox-Programm zu implementieren und zu skalieren, um auf ein «open innovation ecosystem» hinzuarbeiten.

Roger Wüthrich-Hasenböhler
Chief Digital Officer, Swisscom AG
Roger Wüthrich-Hasenböhler, Executive MBA, ist Chief Digital Officer bei der Swisscom AG und fokussiert auf Wachstumsfelder in den Bereichen Fintech, Digital Marketing, Blockchain, Drohnen oder Robotics.