Mirjam Eberhard, Mirjana Tschudi 26.10.2021

Gesunde Mitarbeitende lohnen sich

Fallen Mitarbeitende länger aus, bringt das gerade kleinere Unternehmen schnell in die Bredouille. Mit einem professionellen betrieblichen Gesundheitsmanagement lassen sich Absenzen reduzieren. Das ist zwar nicht gratis, aber langfristig sinnvoll.

Die Intensität der Arbeit hat in den letzten Jahren stetig zugenommen – und das schon vor der Pandemie. Anfang 2020 fühlten sich gemäss Job-Stress-Index der Gesundheitsförderung Schweiz drei von zehn Erwerbstätigen während der Arbeit gestresst, der Trend seit 2014 ist klar negativ. Stress wiederum wirkt sich auf die Gesundheit aus, Schlaflosigkeit und Herzprobleme können die Folge sein, Burnout oder Depressionen.

Gerade bei Burnout oder Depressionen sind Mitarbeitende häufig wochen- oder gar monatelang an der Arbeit verhindert – für Unternehmen eine teure Angelegenheit. Experten gehen davon aus, dass jeder ausfallende Mitarbeitende ein Unternehmen täglich 600-1000 Franken kostet. Darin enthalten sind direkte Kosten des Unternehmens, aber auch indirekte Kosten, die beispielsweise durch Überstunden andere Mitarbeitenden entstehen können, durch nötig werdende Umdisponierungen oder Produktionsausfälle. Für die verbliebenden Mitarbeitenden bedeutet jede ausfallende Person zudem eine nicht zu unterschätzende Mehrbelastung.

Es fehlt an Zeit und Know-how Es liegt also im betrieblichen Interesse jedes Unternehmens, der Gesundheit der Mitarbeitenden Sorge zu tragen – natürlich ganz abgesehen davon, einem das Wohlergehen der Mitarbeitenden meist auch persönlich am Herzen liegt. Grosse Unternehmen haben darum häufig ein internes betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), welches mit präventiven Angeboten die Gesundheit der Mitarbeitenden schützt, sich professionell um erkrankte oder verunfallte Mitarbeitende kümmert und diese bei der Wiedereingliederung unterstützt.

KMU hingegen betreiben häufig kein eigenes BGM. «Das betriebliche Gesundheitsmanagement steckt bei KMU häufig noch in den Kinderschuhen, es fehlt an Zeit und Know-how», weiss Dr. Mirjana Tschudi, Dozentin für Gesundheitsförderung an der Fernfachhochschule Schweiz. Das ist deshalb problematisch, weil der Ausfall eines Mitarbeitenden in kleineren Unternehmen ungleich stärker ins Gewicht fällt als in grösseren, wo die Arbeitslast auf mehr Schultern verteilt werden kann. Gerade KMU haben also ein grosses Interesse daran, die Gesundheit der Mitarbeitenden präventiv zu erhalten.

«Bei kleineren Unternehmen bis etwa 25 Mitarbeitende mit einer guten Unternehmenskultur funktioniert das Gesundheitsmanagement häufig noch gut über die persönlichen Beziehungen», so Mirjana Tschudi. Man kennt einander, fragt nach, wie es geht, ist nahe dran, weiss, wer wie oft krank ist. «Sobald jedoch eine gewisse Unternehmensgrösse erreicht wird, ist die Übersicht schnell verloren», so Expertin Tschudi.

Tipps für KMU

Klären Sie die Ausgangslage: Vergleichen Sie Kennzahlen zu Absenzen oder Fluktuation mit denjenigen anderer KMU derselben Branche – das Bundesamt für Statistik führt entsprechende Statistiken
● Falls es Handlungsbedarf gibt: Klären Sie den Ressourcenbedarf und involvieren Sie die Geschäftsleitung
● Holen Sie professionelle externe Unterstützung ins Boot, wenn intern das Know-how fehlt
● Führen Sie ggf. eine Mitarbeitendenbefragung durch. Wichtig: Diese sollte professionell und zielgerichtet sein und nur durchgeführt werden, wenn danach auch Taten folgen, sonst wecken Sie falsche Erwartungen bei den Mitarbeitenden
● Erstellen Sie ein Konzept anhand des spezifischen Handlungsbedarfes in Ihrem Unternehmen. Lassen Sie dieses von der Geschäftsleitung verabschieden
● Planen Sie die Massnahmen. Wichtig: Mit einem Workshop ist es nicht getan. Planen Sie kurzfristige, mittelfristige und langfristige Massnahmen für einen nachhaltigen Effekt
● Dem Führungspersonal kommt eine wichtige Rolle zu, berücksichtigen Sie das in der Planung von Massnahmen und Kommunikation
● Wiederkehrende Kommunikation nicht vergessen, die Informationen zum Angebot sollten Sie in möglichst viele Prozesse einbinden – beispielsweise bei Eintrittsgesprächen, Mitarbeitergesprächen usw.

Mirjana Tschudi ist Dozentin für Gesundheitsförderung an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS).

Corona-Pandemie führte zu sozialer Isolation

Das merkte auch die M&S Software Engineering AG, die in den letzten Jahren schnell gewachsen ist und aktuell über 130 Mitarbeitende zählt. «Wir hatten bisher nie aussergewöhnlich viele Absenzen und gemäss Umfragen auch keine grösseren Probleme mit Stress bei den Mitarbeitenden. Doch aufgrund unseres Wachstums, einigen personellen Wechseln und vielen grösseren, intensiven Projekten wollten wir einmal genauer hinschauen und die Lage analysieren », erzählt der Personalverantwortliche der M&S, Patrick Freiburghaus.

Das taten sie – und nutzten für die Mitarbeitendenbefragung zwei Jahre in Folge den so genannten Arbeitsklimakompass, einem Partnerangebot der AXA und DearEmployee. «Für uns war das insbesondere spannend, weil wir die erste Umfrage kurz vor Beginn der Corona-Pandemie durchführten und diesen Frühling dann nochmals. So konnten wir die durch die pandemiebedingten Veränderungen recht klar eingrenzen», erzählt Patrick Freiburghaus. So hätten sich die sehr erfreulichen Werte bei den Gesundheitsthemen der ersten Umfrage nach einem Jahr Pandemie doch etwas verschlechtert, insbesondere jüngere Mitarbeitende oder allein Lebende litten unter der sozialen Isolation.

Einzelmassnahmen bringen wenig

Patrick Freiburghaus analysierte gemeinsam mit DearEmployee die Ergebnisse der Befragung sorgfältig und leitete daraus einige Massnahmen ab, beispielsweise Workshops für spezifische Mitarbeitergruppen. Vor allem aber möchte er das Thema BGM nächstens ganzheitlich und professionell angehen – mit einer Strategie, zu welcher sich auch die Geschäftsleitung bekennt, und die klare Ziele beinhaltet.

Dieses Vorgehen kann Expertin Mirjana Tschudi nur befürworten. «Wer beim betrieblichen Gesundheitsmanagement etwas bewegen will, sollte sich keinesfalls in einzelnen Massnahmen verlieren, sondern das Thema als Ganzes angehen, sich den Rückhalt aus der Geschäftsleitung sichern und sich auch bewusst sein, dass es etwas kostet», sagt sie. Doch der Aufwand lohne sich.

«Wenn eine Erkrankung erst einmal da ist, können Arbeitgeber nicht mehr viel machen. Viel wichtiger ist es, dafür zu sorgen, dass ein Fall schon gar nicht eintritt. Burnouts beispielsweise bauen sich über ein bis zwei Jahre auf. Das ist viel Zeit, in der den Mitarbeitenden geholfen werden kann, bevor ihre Gesundheit längerfristig beeinträchtigt wird und sie im Geschäft ausfallen.»

(Erstveröffentlichung: Meine FIRMA 2/2021)