24.02.2025

«Es reicht nicht, im Stelleninserat männlich, weiblich, divers zu schreiben»

Noch immer werden Menschen auf dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt. Diese Ausgrenzung geschieht manchmal schon im Stelleninserat. Dozentin Prof. Dr. Katharina Rehfeld erklärt, warum vielfältige Teams erfolgreich sind und wie Unternehmen Inklusion vorantreiben können.

Katharina Rehfeld, momentan häufen sich die Schlagzeilen, dass einige grosse US-Unternehmen ihre Diversity- und Inclusion-Massnahmen wieder zurückfahren wollen. Wegen des politischen Drucks? 
Ja. Wir beobachten das schon länger, nicht erst seit der Machtübernahme durch Donald Trump. Der politische Druck gegen Massnahmen für Diversity und Inclusion (D&I) steigt. Viele Unternehmen befürchten jetzt, dass man ihnen vorwerfen könnte, mit ihren D&I-Massnahmen gewisse Gruppen bevorzugt zu haben. Viele Unternehmen führen D&I-Massnahmen ohne genaues, messbares Ziel durch.  

Solche Massnahmen sind also messbar?  
Es muss messbar sein. Diversity und Inclusion ist keine Herzensangelegenheit. Für Unternehmen ist es ein Ziel, das erreicht werden muss. Überall in der Gesellschaft nehmen die Ängste aufgrund der politischen Lage oder auch der zunehmenden Arbeitsbelastung zu. Wir leben in einer sehr komplexen Welt. Mitarbeitende bringen ihre Ängste und Unsicherheiten in den Arbeitsalltag mit. Wenn ein Unternehmen weiter erfolgreich sein will, muss es dafür sorgen, dass es eine sichere, positive und inklusive Unternehmenskultur gibt.  

Halten Schweizer Unternehmen weiter an ihren Programmen fest? 
Ja. Im Gegensatz zu anderen Ländern gehen Schweizer Unternehmen bei der Umsetzung von D&I-Massnahmen bedächtiger vor. Aber auch in der Schweiz ist der wirtschaftliche Druck gross, vor allem auch angesichts des Fachkräftemangels strukturelle Programme zu implementieren. Insbesondere im Recruiting geht es darum, den Funnel, also den Trichterprozess, den Kandidatinnen und Kandidaten im Bewerbungsprozess durchlaufen, zu reflektieren. Oftmals unbewusst haben Unternehmen vielleicht bestimmte Gruppen ausgeschlossen. Unternehmen müssen sich also fragen, wen sprechen wir mit unseren Stellenanzeigen an und gibt’s es solche, die wir ausschliessen? 

Ausgrenzung kann also schon im Stelleninserat stattfinden? 
Absolut. Es reicht nicht, im Inserat «männlich, weiblich, divers» hinzuschreiben. Studien haben gezeigt, dass sich beispielsweise viel mehr Frauen bewerben, wenn die Stelle nicht für 100 Prozent, sondern zwischen 80 und 100 Prozent ausgeschrieben wird. Das zeigt, dass das Unternehmen flexibel ist. Wichtig ist, dass das Unternehmen weiss, welche Zielgruppe es mit dem Stelleninserat ansprechen will und dann das Wording anpasst.  

Wie steht es momentan um die Vielfalt in Schweizer Unternehmen? 
Grosse Schweizer Unternehmen, die auch im Ausland tätig oder eine internationale Belegschaft haben, sind in Sachen Diversity und Inclusion schon sehr weit. Solche Konzerne verfügen aber auch über ein grösseres Budget für solche Massnahmen. In der Schweiz haben wir aber auch sehr viele kleinere und mittelständische Unternehmen, die sich bisher noch keine Gedanken machen mussten oder gemacht haben. Durch den Fachkräftemangel stehen einige Betriebe jetzt aber auch vor der Aufgabe, etwas ändern zu müssen. Auch die Digitalisierung fordert verstärkte Massnahmen im Bereich Diversity & Inclusion, weil sie Arbeitsweisen, z.B. durch Remote Work, Anforderungen und Strukturen fundamental verändert. 

Wie kann ein Unternehmen Inklusion vorantreiben? 
Der Kern von Inklusion ist, dass sich Mitarbeitende geschätzt und integriert fühlen. Wollen Unternehmen inklusiv sein, sollten sie aufhören, auf die Unterschiede der einzelnen Mitarbeitenden zu schauen und sich mehr auf die Gemeinsamkeiten zu konzentrieren. Viele Massnahmen kommen nicht nur einer Gruppe zugute, sondern dienen allen. Nehmen wir zum Beispiel flexible Arbeitszeiten, die kommen nicht nur Müttern und Vätern entgegen, sondern auch dem älteren Mitarbeiter, der vielleicht seine pflegebedürftigen Eltern betreut oder Menschen, die bestimmte Hobbys haben und z.B. gerne am Morgen oder frühen Nachmittag noch Radfahren möchten.  

Sind gemischte und vielfältige Teams erfolgreicher als andere? 
In den USA gab es dazu eine gross angelegte Studie, vornehmlich ging es um die Nationalität. Es wurden interkulturelle mit homogenen Teams aus derselben Branche und in der gleichen Grösse verglichen, unter anderem anhand ihrer Businessergebnisse. Es hat sich gezeigt, dass die homogenen Teams erfolgreich sind, sie sind Selbstläufer, sprechen alle dieselbe Sprache, haben Kinder im gleichen Alter oder andere Berührungspunkte. Die Teams, die sehr erfolgreich waren, aber auch die meisten Schwierigkeiten hatten, waren interkulturelle Teams. Solche diversen Teams können zwar Spitzenresultate erzielen, sind aber keine Selbstläufer und müssen gemanagt werden. D.h. Diversität bringt viele Potenziale mit sich, aber es bedarf eines Diversity Managements. 

Die FFHS bietet dafür den CAS Corporate Diversity Management an. Was dürfen künftig Studierende erwarten?  
Viele Unternehmen möchten mehr Vielfalt und Inklusion in ihrem Unternehmen etablieren, wissen aber nicht, wie sie damit beginnen sollen oder welche Massnahmen es braucht und welche greifen. Unsere Weiterbildung richtet sich an Führungskräfte, Mitglieder der Geschäftsleitung oder Mitarbeitende, die sich für das Thema interessieren und etwas erreichen wollen. Wir werden das CAS weiter praxisorientiert ausbauen, denn wir sehen, dass es an konkreten Tools fehlt, die konkret in Unternehmen eingesetzt werden können.