DR. TOBIAS HEILMANN, HANNAH INSTENBERG, MICHAEL ZURWERRA 20.07.2020

Diversity & Inclusion – Sinn oder Unsinn?

Diversity & Inclusion sind oft scheinbar politisch korrekte Begriffe, die nur das Image einer Unternehmung erhöhen. Doch es gibt handfeste wirtschaftliche Gründe. Wir zeigen, welche, und wie man es angehen kann.

Diversity & Inclusion (D & I) ist nicht nur ein ideeller Wert, der ein diversitätsgerechtes und inklusives Miteinander unterstützt und dabei gut oder politisch korrekt klingt. Diversity & Inclusion beeinflusst die Attraktivität und damit das Image von Organisationen signifikant(1). D & I wirkt sich vor allem positiv auf objektive Organisationsergebnisse, d.h. in Schweizer Franken, aus(2). Unternehmen werden kompetitiver, innovativer und generieren bessere operative Ergebnisse, z.B. Return on Assets (ROA) und den Return on Investment (ROI)(3). Ob Konzern oder KMU: Das Thema hat deshalb auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht viel Sinn. Es gibt noch zu viel brachliegendes Potenzial durch Arbeitskräfte, die Gruppen angehören, die bisher eher unterrepräsentiert sind, z.B. Frauen, ältere Arbeitskräfte, Immigranten oder LGBT(4) (lesbian gay bisexual transgender).

Was die Begriffe bedeuten

Diversity (= Vielfalt) bedeutet erst einmal ganz allgemein, dass es sich um sichtbare und gefühlte Unterschiede zwischen Menschen einer Gruppe handeln kann(5). D.h., Diversity bezieht sich auf alle denkbaren Dimensionen, die sich differenzieren lassen. In der Praxis sind damit fast immer die Dimensionen Alter, Behinderung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung, Herkunft/Nationalität und Religion gemeint. Das Konzept «Inclusion» (dt. Miteinbezogensein, Teilhabe) bedeutet, dass man sich als Mensch sowohl im formalen Informations- und Entscheidungsprozess als auch in informellen Prozessen, wie bspw. «Znünipausen» oder Lunchmeetings, bei denen Informationsaustausch und Entscheidungen oft informell erfolgen, eingebunden fühlt. Diversity & Inclusion kombiniert also das Wissen und die Anerkennung von Vielfalt, geht aber einen Schritt weiter und lässt Mitarbeitende spürbar fühlen, dass sie vollwertig dazugehören. Zusammengefasst bedeutet das: Die Förderung der Vielfalt geht einher mit dem Abbau von Diskriminierung. Final geht es darum, dass alle in der Organisation reibungsloser und motivierter Leistung erbringen können.

Vorgehen – gezeigt an einem Beispiel aus der Praxis

Aber wie sollen Organisationen denn nun überhaupt vorgehen und dies operativ umsetzen? Der wichtigste Tipp ist: Organisationen sollten sich zu Beginn nicht gleich überfrachten. Man muss pragmatisch sein; denn man kann vielleicht aus Ressourcengründen nicht gleich alle potenziellen Möglichkeiten ausschöpfen. Auch kleine Schritte können viel bewirken. Wir möchten das grundsätzliche Vorgehen anhand eines Beispiels der Fernfachhochschule Schweiz in verkürzter Form skizzieren. Die Vielfalt der Studierenden und Mitarbeitenden ist gewünscht und man ist der Überzeugung, dass dadurch innovativere Bildungslösungen für die vielfältige Studierendenschaft entwickelt werden. Daher startete die FFHS in einem klar strukturierten Prozess aus drei Phasen kleine, jedoch für die Organisation bedeutsame D & I-Bereiche. Sie formulierte strategische Ziele und setzte erste Massnahmen erfolgreich um.

Phase 1: Analyse & Initiierung

1. Schritt: Diversity & Inclusion wurde zur «Chefsache» gemacht. Damit wurde die Bedeutung des Themas nochmals von der Direktionsebene unterstrichen.

2. Schritt: Sichtbar wurde das Thema in den Leitlinien der Strategie 2019 bis 2023 formuliert.

3. Schritt: Damit einhergehend – und passend zur Organisationsgrösse – wurde 2019 Diversity & Inclusion personell verstärkt; in diesem Bereich werden mögliche Themenfelder analysiert und interne Initiativen angestossen.

4. Schritt: Die Leitlinien, welche letztlich Werte definieren, wurden innerhalb der Organisation kommuniziert. Alle sind gefragt und eingebunden.

5. Schritt: Erste Schwachstellen wurden auf Basis von Interviews analysiert und es wurde festgestellt, dass das Thema «Vereinbarkeit von Familie und Beruf» ein wichtiges Thema für Studierende und Mitarbeitende gleichermassen war. Das wich erst einmal stark von den üblichen Diversity-Kategorien ab. Aber man stellte fest, dass sowohl weibliche als auch männliche Mitarbeitende und Führungskräfte, die durch Kinderbetreuung stärker eingebunden sind, sich öfter in der Einbindung von Organisationsprozessen benachteiligt sahen. Sie empfanden durch familiäre oder andere gesellschaftliche Verpflichtungen weniger Chancengleichheit.

Phase 2: Umsetzung

6. Schritt: Auf Basis der ersten Analyse war eine konkrete Massnahme die Anpassung des Personalreglements, um den Mitarbeitenden durch (a) flexible Arbeitszeiten und (b) Homeoffice sowie (c) noch mehr Unterstützung bei Teilzeitpensen von Führungskräften eine stärkere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten.

Phase 3: Controlling

7. Schritt: Die Erfolgsmessung der Massnahme wurde durch Mitarbeiterbefragungen vorgenommen. Die Resultate verdeutlichten eine sehr hohe Zufriedenheit mit der D & IMassnahme, die bspw. in einer Auszeichnung als überdurchschnittlich familienfreundliches Unternehmen von ProFamilia Schweiz mündete. In der praktischen Umsetzung innert neun Monaten sieht die FFHS eine hohe Wertschätzung des neuen Angebots und eine aktive Nutzung.

Sinnvolle Anpassung und gelebte D & I-Massnahmen

Die FFHS merkte schnell, dass mit der praktischen Umsetzung erster Diversity & Inclusion-Massnahmen nicht nur Zufriedenheit, sondern auch mehr Engagement und Loyalität – und damit Leistung – erzielt wurde. Weitere Diversity & Inclusion-Themen sind nach wie vor relevant. Die Priorisierung und Ausgestaltung der Massnahmen richten sich dann jeweils spezifisch an die Gegebenheiten, d.h. dort, wo «der Schuh drückt». Damit werden auch mehr Akzeptanz für diese Themen und bessere Ergebnisse erzielt.

(Erstpublikation in der Zeitschrift «Organisator, 4-5/2020»)

 

Literaturverzeichnis

(1) Madera, J. M., Ng, L., Sundermann, J. M., & Hebl, M. (2019). Top management gender diversity and organizational attraction: When and why it matters. Archives of Scientific Psychology, 7(1), 90.
(2) Lee, H. W., & Kim, E. (2020). Workforce diversity and firm performance: Relational coordination as a mediator and structural empowerment and multisource feedback as moderators. Human Resource Management, 59(1), 5–23.
(3) Erhardt, N. L., Werbel, J. D., & Shrader, C. B. (2003). Board of director diversity and firm financial performance. Corporate governance: An international review, 11(2), 102–111.
(4) Jungmann, F., Wegge, J., Liebermann, S. C., Ries, B. C., & Schmidt, K. H. (2020). Improving Team Functioning and Performance in Age-Diverse Teams: Evaluation of a Leadership Training. Work, Aging and Retirement, 1–20.
(5) Van Knippenberg, D., & Schippers, M. C. (2007). Work group diversity. Annu. Rev. Psy-chol., 58, 515–541