Die Zukunft des Büros
Die Corona-Krise hat die Arbeit auf Distanz im Home Office gefördert. Traditionelle Führungsmodelle funktionieren nicht mehr, Büroräumlichkeiten und die Kommunikation in virtuellen Medien bekommen eine neue Bedeutung.
(Quelle: Patrick Perkins – Unsplash)
Unternehmen müssen sich Gedanken über ihr kulturelles Framework machen. Bei Neu- und Umbauten kann der Aspekt von Business-Design-Methoden gleich einbezogen werden. Ein Kulturbruch in den Arbeitswelten steht auf der Agenda.
Die Auswirkungen der Corona-Krise haben nicht nur Bewegung in das Thema Home Office gebracht. Auch die Vielfalt an Zusammenarbeits- und Arbeitszeitmodellen haben damit neuen Aufwind erhalten. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entspricht dies dem Bedürfnis ihrer eigenen Lebensgestaltung und eröffnet neue Perspektiven.
Auch für Unternehmen und Vorgesetzte verändert sich vieles: Traditionelle Führungs- modelle funktionieren nicht mehr, Büroräumlichkeiten bekommen eine neue Bedeutung. Ein grösserer Anteil an «Remote»-Arbeit oder hybridem Arbeiten stellt zudem neue Anforderungen an das betriebliche Gesundheitsmanagement. Welche neue Rolle hat der Arbeitsplatz im Unternehmen zukünftig und wie können Organisationen, Führungskräfte und Mitarbeitende ihn gemeinsam gestalten?
Home Office verändert unser Arbeiten
Home Office, Flex Office, Garden Office? Wie viel Arbeitszeit verbringen die Menschen noch in ihrem Büro im Geschäftsgebäude? In Zeiten, in denen Unternehmen wie Twitter, Siemens, Novartis und Co. das Home Office für immer ankündigen, stellt sich einmal mehr die Frage, welche Rolle der Arbeitsplatz beziehungsweise das Büro in Zukunft spielen wird. Langsam kennen wir sie, die privaten vier Wände unserer Bürokollegen aus virtuellen Sitzungen. Wir haben persönliche Einblicke in Wohnzimmer, Küche oder Büro erhalten, kennen Hund, Katze oder Kind besser als zuvor. Doch wirklich eingerichtet für das ständige oder längere Home Office sind die wenigsten Mitarbeitenden. Damit sich Mitarbeitende das passende Home Office einrichten können, unterstützen einige Unternehmen Mitarbeitende finanziell bei der Gestaltung eines ergonomischen Arbeitsplatzes. Dies ist gemäss Studien auch besonders wichtig, denn ein ergonomischer Arbeitsplatz verbessert die Gesundheit, reduziert Müdigkeit und kann so Höchstleistungen fördern. Umgekehrt geht es aber auch. In vielen privaten Arbeitszimmern stehen die falschen Tische und Stühle.
Produktives Arbeiten zu Hause
Um Effizienz und Produktivität auf meist kleinem Raum zu maximieren, braucht es ein wenig Planung und Aufwand. Adäquates Licht am Arbeitsplatz, idealerweise Tageslicht erhöht die Produktivität und schont die Augen. Zentral sind auch ein ergonomischer Bürostuhl, um Rückenprobleme zu vermeiden, und ein Schreibtisch oder die gesündere Alternative: ein Stehpult. Aber es gibt auch technische Herausforderungen. Nichts ist frustrierender als eine langsame Internetverbindung. Aus diesem Grund ist eine schnelle Inter- netverbindung eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten im Home Office.
Eine übersichtliche Ordnung am Arbeitsplatz hat nachweislich Einfluss auf die Art, wie wir arbeiten. Ein Durcheinander im Büro wirkt sich sowohl auf die Produktivität als auch auf die Motivation aus. Für eine effiziente und systematische Organisation der eigenen Unterlagen ist genügend Platz am Schreibtisch wichtig. Neuste Studien zeigen, dass Mitarbeitende produktiver sind, wenn sich Grünpflanzen am Arbeitsplatz befinden. Zudem kann die Pflege dieser Pflanzen Momente der Entspannung schaffen, was sich wiederum auf die Konzentrationsfähigkeit positiv auswirkt.
Gesund im Garden Office
Und wer noch etwas mehr Platz hat oder die Ruhe sucht und dem Rest der Familie die Wohnung oder das Haus überlassen möchte, findet mit einem Garden Office den perfekten Ort für das Büro zu Hause. Der aktuelle Trend aus England, das Garden Office oder der «Garden Pod» in der Stadt oder auf dem Land, lässt sich mittlerweile auch auf dem europäischen Festland finden.
Wichtige Aspekte zur Förderung der Gesundheit am Arbeitsplatz ändern sich auch im Home Office nicht. Doch sie erfordern von vielen Mitarbeitenden eine grössere Portion Eigenverantwortung und Disziplin, da Privat- und Geschäftsleben in den eigenen vier Wänden noch stärker verschmelzen. Bewegung bleibt auch am heimischen Arbeitsplatz wichtig. Gemeint ist dabei nicht der Gang zum nun nähergelegenen Kühlschrank. Wer den Basketballaufsatz bereits auf dem Papierkorb installiert und auch den Sitzball aus dem Keller geholt hat, kann mit einer Smart-Watch das eigene Bewegungsverhalten monitoren und sich erinnern lassen. Angemessene Pausen und das Beenden der Arbeit zu einem festgelegten Zeitpunkt sorgen für das Einhalten eines Zeitplans und erhöhen die Produktivität. Sich selber Grenzen zu setzen, ist wichtig, dies gilt jedoch auch für Ablenkungen durch andere Familien- bzw. Wohnungsmitglieder.
(Quelle: airfocus – Unsplash)
Herausforderung von Komponenten
Wer Zusammenarbeit und Führung in virtuellen oder hybriden Teams nicht gewohnt ist, für den sind die Entwicklungen der Corona-Krise nicht nur neu, sondern häufig eine herausfordernde und belastende Situation. Führen im neuen Umfeld oder auf Distanz ist herausfordernd, da wir hauptsächlich per Telefon, per E-Mail und über Video kommunizieren. Der zentrale Aspekt der nonverbalen Kommunikation geht hierbei zu einem grossen Teil verloren oder fällt ganz weg. Hinzu kommt, dass wir uns zusätzlich mit technischen Herausforderungen, Unterbrüchen oder Ausfällen auseinandersetzen. Die Verständigung wird anspruchsvoller.
Die Bildschirmarbeit nimmt stark zu, nicht nur für E-Mails, sondern auch für Calls. Dieses hauptsächlich virtuelle Arbeiten verringert die Aufmerksamkeitsspanne und macht schneller müde. Grösser ist auch die Gefahr der Ablenkung, nebenbei noch etwas anderes zu machen, zum Beispiel E-Mails checken und SMS schreiben. Informelle Gespräche in der Kaffee-Ecke oder auf der Treppe entfallen gänzlich. Zufallsbegegnungen, welche die Innovationskraft stärken, Ideen generieren und zum Teambuilding beitragen, müssen aktiv eingeplant werden. Aufwendiger und herausfordernder in der Planung und Durchführung sind das Onboarding von neuen Kollegen oder das Führen von Konfliktgesprächen.
Kommunikation sicherstellen
Gemeinsame Ziele, Regeln und Vereinbarungen zu Prozessen erleichtern die Zusammenarbeit. Legen Sie in einer Team-Kick-off-Sitzung fest, wie man gemeinsam in den virtuellen Medien kommunizieren will und welche Abgrenzungsstrategien und Strategien gegen Informationsüberflutung man anwenden will. Zudem sind klare Absprache über An- und Abwesen- heiten, Erreichbarkeiten und Richtlinien zur zeitlichen Bearbeitung von E-Mails wichtig.
Im Dialog zu bleiben und dabei regelmässiges und konstruktives Feedback zu geben, ist zentral, denn ein regelmässiger Austausch fördert das gegenseitige Vertrauen. Um Nähe aufzubauen, sollten Austauschkanäle für persönlichen und aufgabenbezogenen Support eingerichtet werden, dazu zählen auch virtuelle Verabredungen wie Kaffeepausen. Erwartungen sollten klar kommuniziert werden, damit Termine, Absprachen und Deadlines eingehalten werden können. Dazu sind die Verantwortlichkeiten der einzelnen Teammitglieder klar festzulegen. Durch Transparenz und Regelmässigkeit in der Kommunikation kann dies unterstützt werden.
Teamgefühl schaffen
Soziale Aspekte müssen auf Distanz aktiv gefördert werden, zum Beispiel durch gemeinsame virtuelle Kaffeepausen oder Lunchdates. Auch vor und nach virtuellen Konferenzen sollte man sich aktiv Zeit für Smalltalk einplanen. Erreichte Ziele und Meilensteine in Projekten, Jubiläen und Geburtstage sollten auch weiterhin gefeiert werden, zum Beispiel durch virtuelle Apéros oder kleine Aufmerksamkeiten, die sich auch auf dem Postweg versenden lassen.
Die Wahrnehmung der Arbeitssituation, Stimmungslagen und Belastungen ist durch die fehlende physische Nähe erschwert. In diesem Kontext ergeben sich führungsspezifische Aufgaben in der Förderung informeller Kommunikation, um das Vertrauen beziehungsweise soziale Beziehungen unter den Teammitgliedern zu stärken. Zwischenmenschliche Probleme, Veränderungen im Arbeitsverhalten oder in der Leistung sind bessere Frühindikatoren als Absenzen. Je früher gesundheitliche Beeinträchtigungen erkannt und unterstützende Massnahmen eingeleitet werden, desto grösser ist die Chance, die Arbeitsfähigkeit einer Person zu erhalten.
Die Rolle des künftigen Büros
Mit der Corona-Krise hat sich die Arbeitswelt verändert und das Büro als physischer Ort eine neue Bedeutung erhalten. Daher ist es wichtig, dass sich Unternehmen einmal mehr Gedanken über ihr kulturelles Framework machen und überlegen, wie das Büro dieses widerspiegeln kann. Was steht neben dem wirtschaftlichen Gewinn an der zweiten und dritten Stelle des kulturellen Frameworks eines Unternehmens? Je mehr Zeit im virtuellen Raum verbracht wird, umso grösser wird die Sehnsucht, sich auch wieder physisch zu treffen. Austausch und Gemeinschaft machen den physischen Ort inskünftig aus.
Dass Architektur und die Gestaltung der Arbeitsumgebung einen Einfluss auf die Kultur des Unternehmens haben, ist vielen Unternehmen mittlerweile bewusst geworden. Bei Neu- und Umbauten wird daher neben Verdichtungsüberlegungen auch auf die Frage, wie wir in Zukunft arbeiten, ein besonderes Augenmerk gelegt und wie dies in der Architektur und Gestaltung berücksichtigt werden kann. Nicht selten entstehen genau hier vermehrt Orte der Begegnung, Möglichkeiten zum Coworking und dem Anwenden von Business-Design-Methoden.
(Erstpublikation in der Zeitschrift KMU Rundschau Ausgabe 1/2021)