Melanie Biaggi 03.07.2025

Die weite Reise der Avocado

Die Avocado gilt schon lange als Superfood. Bis die Frucht in der Schweiz gekauft werden kann, hat sie einen langen Weg hinter sich. Ihr Beispiel zeigt, wie wichtig Vertrauen ist und welche Nachhaltigkeitsfragen den globalen Lebensmittelhandel prägen.

Die Avocado, botanisch gesehen eine Beere, wächst an einem Baum, der in den feuchten Regenwäldern Mexikos und Zentralamerikas beheimatet ist. Mexiko ist mit fast 30 Prozent der Weltproduktion der grösste Avocado-Produzent. «Man muss den Bauern, der die Avocado anbaut, kennen und ihm vertrauen», sagt Willi Gärtner, Dozent Corporate Sustainability and Green Technologies an der FFHS. Wie Verbraucher getäuscht werden können, zeigte der Pferdefleischskandal 2013. In mehreren europäischen Ländern wurden als Rindfleischprodukte deklarierte Lebensmittel gefunden, die bis zu 100 Prozent undeklariertes Pferdefleisch enthielten. Betroffen waren vor allem Tiefkühlkost mit Hackfleisch, wie etwa Lasagne. Dazu Gärtner: «Egal um welches Produkt es sich handelt, es sollte es uns wert sein zu wissen, woher es kommt und was darin enthalten ist.»

Ökologisch, sozial und ökonomisch

Die Avocado wird unreif geerntet und vor dem Transport nach Europa, meist per Containerschiff, noch gereinigt und behandelt, um sie vor Pilzbefall und anderen Krankheiten zu schützen. Dank Globalisierung und Digitalisierung ist die Transparenz inzwischen sehr hoch. Mittels GPS-Tracking kann das Produkt jederzeit zurückverfolgt werden. Auch die Abfrage des Standortes oder der aktuellen Temperatur sind dank dieser Überwachung jederzeit möglich.

Willi Gärtner weiss, was es braucht, bis ein Produkt im Einkaufskorb eines Schweizer Kunden landet, denn er hat rund 25 Jahre beim Logistikunternehmen Planzer gearbeitet. Dort baute er das Qualitäts- und Nachhaltigkeitsmanagement sowie die Lagerlogistik auf und war Mitglied der Geschäftsleitung.

Guter Handel beruht für Gärtner auf drei Säulen. Er muss ökologisch, sozial und ökonomisch sein. «Die Bauern, die das Produkt anbauen, müssen zertifiziert sein. Das garantiert, dass sie beim Anbau Nachhaltigkeitsstandards einhalten oder auch, dass sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut behandeln und fair bezahlen.» 

Für solche Zertifizierungen gibt es internationale Standards. Auch Kundinnen und Kunden können sich über die jeweiligen Zertifizierungen informieren. Dazu Gärtner: «Als Konsument sollte man sich auch über die verschiedenen Labels wie Fairtrade informieren. Damit man weiss, welche Kriterien alle erfüllt sein müssen, damit ein Produkt ein solches Siegel bekommt.»

Onlinehändler fallen durch

Die Unternehmen ihrerseits werden durch das EU-Lieferkettengesetz verpflichtet, mehr Verantwortung bei der Herstellung und Lieferung ihrer Produkte zu übernehmen – entlang der gesamten Lieferkette. Das Gesetz sieht vor, dass Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards kontrollieren und durchsetzen müssen. Gärtner vermittelt an der FFHS sein Wissen über Distributionslogistik, Versorgungskonzepte, Waren- und Finanzströme oder auch der Rückverfolgbarkeit. Es ist ihm wichtig, dass sich die Studierenden bewusst sind, dass alle einen Fussabdruck hinterlassen. «Deshalb sollte am Anfang immer die Frage stehen, ob es gerechtfertigt ist, das Produkt zu importieren, zu verkaufen und zu essen», betont Gärtner.

Zurück zur Avocado. Der Grosshändler definiert die Lieferkette der Frucht bis zur Distributionsregion. Dort entscheiden Detailhandel und Grosshandel, wie die letzte Meile des Produkts gestaltet wird. Wie bei vielen anderen Lebensmitteln ist auch bei der Avocado die Haltbarkeit entscheidend. Unterliegt sie Temperaturschwankungen, kann sie verderben, die Kühlkette darf also nicht unterbrochen werden. Den Schweizer Grossverteilern und Detailhändlern stellt Gärtner in diesem Bereich ein gutes Zeugnis aus. «Wo sie Synergien nutzen können, tun sie das auch, damit nicht nur ein halber Lastwagen unterwegs ist.» Dem Onlinehandel stellt Gärtner ein deutlich schlechteres Zeugnis aus: «Es werden auch kleinste Mengen geliefert, Synergien werden nicht genutzt und manche Lastwagen fahren halb leer durch die Schweiz.»

Alle stehen in der Verantwortung

Die meisten Abfälle entstehen jedoch zu Hause beim Kochen. Jeder Einzelne könne etwas tun, um seinen ökologischen Fussabdruck zu verkleinern, so Gärtner: «Man könnte sich einen wöchentlichen Speiseplan machen und nur das kaufen, was auf der Liste steht, überschüssige Lebensmittel einfrieren oder auf unnötige Plastikverpackungen verzichten.» Als eine der grossen zukünftigen Herausforderungen für die Branche sieht Gärtner unter anderem die Verpackungen. Plastikverpackungen müssten zwingend durch andere Materialien ersetzt werden. «Aber auch die richtige Losgrösse beim Transport wird in Zukunft entscheidend sein. Hier müssen unbedingt Synergien genutzt werden. Das bedeutet aber auch, dass ich vielleicht etwas länger auf mein Paket warten muss – aber das sollten wir zum Schutz unserer Umwelt in Kauf nehmen.»

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