24.08.2016

Finanzierung sozialer Einrichtungen im Umbruch – Pauschalfinanzierung und Schwankungsfonds

Brig/Zürich – Behinderteneinrichtungen und Sonderschulen finanzieren sich weitgehend über kantonale Beiträge. Dabei wird die bisherige Defizitdeckung sukzessiv durch Leistungspauschalen abgelöst. Dieser Systemwechsel erhöht den wirtschaftlichen Druck auf die Betriebe. Dafür dürfen diese nicht verbrauchten Pauschalen vermehrt in einem sogenannten «Schwankungsfonds» zurückbehalten werden. Eine nationale Untersuchung der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) beleuchtet dieses neue Finanzierungsinstrument erstmals umfassend.

Behinderteneinrichtungen sind ein nicht zu vernachlässigender Wirtschaftszweig: So vertreten die beiden Branchenverbände CURAVIVA und INSOS über 1‘500 Einrichtungen, in denen gesamthaft etwa 90‘000 Personen leben und arbeiten. Alleine der Kanton Zürich verwendet dafür rund 4 % seines Gesamtbudgets. In diesen Zahlen nicht berücksichtigt sind Einrichtungen für Suchtkranke und sozial auffällige Jugendliche sowie Sonderschulen.

Systemwechsel: Schwankungsfonds als Konsequenz der Pauschalfinanzierung

Die Kantone haben im Rahmen der Finanzierung von sozialen Einrichtungen einen einschneidenden Systemwechsel vollzogen: die Umstellung von der betrieblichen Defizitgarantie hin zur Pauschalfinanzierung. Als Folge davon liegt es nun weitgehend in der Verantwortung der Betriebe, mit dem erhaltenen Geld ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen. In der Regel kommt es mit der pauschalen Leistungsabgeltung zu einer Differenz zwischen den erhaltenen Pauschalbeiträgen und den tatsächlich angefallenen Kosten für die Leistungserbringung. Haben die Einrichtungen im Vergleich zur vereinbarten Leistungsabgeltung wirtschaftlicher gearbeitet, entsteht ein Überschuss. In diesem Fall haben die Betriebe den Gewinn in ihrer Bilanz dem sogenannten «Schwankungsfonds» zuzuweisen. Reichen demgegenüber in einem bestimmten Jahr die kantonalen Beiträge für die Leistungserbringung nicht aus, sind die entstandenen Verluste dem Schwankungsfonds zu belasten. Vereinfacht gesagt: In guten Zeiten sparen die Einrichtungen im Schwankungsfonds Gelder an, aus dem sie in schlechten Zeiten die entstandenen Fehlbeträge eines Jahres ausgleichen können.

Offene Fragen werden geklärt

Eine neue Studie des Instituts für Management & Innovation (IMI) der FFHS beschäftigt sich eingehend mit dem geänderten Finanzierungsmodell öffentlich subventionierter Einrichtungen, insbesondere von Einrichtungen für behinderte Erwachsene. Im Zentrum steht dabei die Frage, inwiefern betriebliche Überschüsse aus der Leistungserbringung, die letztlich öffentliche Mittel darstellen, von den Institutionen einbehalten werden können und – falls ja – wie diese buchhalterisch zu behandeln sind. Dazu haben die Autoren die für die Behinderteneinrichtungen zuständigen kantonalen Verbindungsstellen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein sowie ausgewählte IV-Verbindungsstellen, betroffene Institutionen und Revisionsstellen befragt (Rücklaufquote = 100 %).

Trotz wesentlicher Fehlanreize: Pauschalfinanzierung und Schwankungsfonds unaufhaltbar

Mit Ausnahme der Westschweizer Kantone, welche vorerst an der betrieblichen Defizitdeckung festhalten, setzt sich das Pauschalsystem immer mehr durch. Allerdings zeigt die Befragung, dass hierzulande noch keine einheitliche Praxis zur Behandlung von leistungsbezogenen Fehlbeträgen existiert und es zu falschen Anreizen kommen kann: Wieso sparen, wenn ausschliesslich der Kanton über die angesparten Mittel befinden darf? Wesentlich hierbei sind die unklaren Verwendungsmöglichkeiten der Schwankungsfondsmittel. Diese stellen aus Sicht der Kantone nach wie vor öffentliche Gelder dar, sodass eine freie Verwendung der Gewinne (z.B. für Investitionen oder Qualitätsförderungsprojekte) nicht möglich ist. Zudem sind die Gewinne ab einer gewissen Grenze vollständig an den Leistungs-finanzierer zurückzuzahlen, während die Verluste von den Betrieben selbst zu tragen sind.

Ausblick

Die befragten Kantone schreiben dem Schwankungsfonds für die Zukunft eine wichtige Rolle zu, nicht nur als Konsequenz der Pauschalfinanzierung, sondern auch vor dem Hintergrund des zunehmenden Spardrucks der Kantone. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Pauschalfinanzierung gezielte Leistungskürzungen vereinfacht. Darüber hinaus nimmt der politische Druck, die Pauschalen sukzessive anzugleichen und kostengünstige Anbieter als Referenz zu betrachten, zu. Um die Betriebe zu effizienterem Handeln zu motivieren, verlangen die Institutionen jedoch zu Recht verlässliche Rahmenbedingungen. Dazu gehören nach der Meinung der Autoren auch einheitliche Grundlagen der Kostenrechnung. Alles in allem fördert der Schwankungsfonds bzw. das Pauschalsystem die von den Institutionen gewünschte Handlungsfreiheit sowie eine professionelle, unternehmerische Ausrichtung. Sowohl für die Kantone als auch die sozialen Institutionen ergeben sich verschiedene Vorteile, z.B. in Form von administrativen Erleichterungen, Flexibilität und gegenseitiger Planungssicherheit. Gleichwohl bestehen in der konkreten Umsetzung einige Unklarheiten. Die Kantone und die Politik sind gefordert, die Institutionen auch weiterhin in die laufende Modellentwicklung einzubeziehen und damit für eine Ausreifung des Konzepts zu sorgen.

 

Zöbeli, D./Schmitz, D. (2016): Der Schwankungsfonds – Finanzierung sozialer Einrichtungen im Umbruch, CEPS Forschung & Praxis Band 16, Basel: CEPS

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