Dr. Thomas Punz 21.09.2021

Das Potenzial der Blockchain

Die Blockchain durchläuft momentan ähnliche Phasen wie die Computer und das Internet in ihren Anfangsjahren. Damals konnte sich niemand ihr wahres Potenzial auch nur annähernd vorstellen.

Technologien wie der Computer und das Internet konnten bereits viele unserer Probleme lösen. Global vernetzt zu sein, weltweit gemeinsam arbeiten zu können oder das Internet als Wissensdatenbank zu nutzen, ist heute für viele Menschen auf der ganzen Welt schlicht Normalität. Doch das war nicht immer so. Es hat ungefähr ein halbes Jahrhundert gedauert, bis das Internet für den Menschen den heutigen Stellenwert erreichte. Aussagen wie die des ehemaligen IBM-Chefs Thomas Watson (1943): «Ich denke, dass es weltweit einen Markt für vielleicht fünf Computer gibt», oder die des Zukunftsforschers Matthias Horx (2001): «Das Internet wird kein Massenmedium», sind rückblickend nicht verwunderlich, schliesslich konnte sich kaum jemand die neu zu erschliessenden Anwendungsgebiete vorstellen.

Das Internet war im Jahr 1996 vergleichbar mit der Blockchain-Technologie im Jahr 2021 – ein Sammelbecken für Nerds und Visionäre. Die Experten des World Economic Forums prognostizieren, dass im Jahr 2027 10 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts auf der Blockchain liegen wird. Die Entwicklung dieser Technologie stellt viele Unternehmen sowie die Gesellschaft vor grosse Herausforderungen. Zugleich werden dadurch aber auch neue Möglichkeiten und Chancen für sicherere und effizientere Geschäftsmodelle geschaffen.

Eine Blockchain ermöglicht es, vereinfacht gesagt, mithilfe einer dezentralen und von vielen Teilnehmern gemeinsam genutzten Datenbank, Informationen fälschungssicher zu übermitteln. Diese Datenbank wird als verteiltes Register («Distributed Ledger») bezeichnet. Sie wird von sämtlichen Teilnehmern («Nodes») eines Blockchain-Netzwerks gespeichert. Zudem werden alle Transaktionen geprüft und dokumentiert. Eine Blockchain ist sozusagen ein dezentrales Transaktionsregister. Die wichtigsten Merkmale sind:

  • Daten werden in einer Datenbank dezentral gespeichert.
  • Die Datenbank wird auf den Nodes des Netzwerks redundant vorgehalten und es wird sichergestellt, dass die Datenbankversion auf allen Nodes identisch ist.
  • Die Blockchain ist strikt additiv; das bedeutet, dass nichts rückwirkend verändert oder entfernt werden kann.
  • Die Blockchain wächst durch das Hinzufügen von Daten.
  • Die Blockchain stellt durch Algorithmen sicher, dass nur zulässige Datensätze hinzugefügt werden können.

Anwendungen der Blockchain

Der aus den Medien wohl bekannteste Anwendungsbereich der Blockchain-Technologie ist die Kryptowährung. Die Blockchain-Technologie bietet jedoch weitaus mehr Einsatzmöglichkeiten auch ausserhalb der Finanzbranche. Eine Untersuchung der Non-Profit-Organisation Computer Technology Industry Association (CompTIA) ergab im Oktober 2017, dass die Blockchain bereits im Kontext von Kryptowährung, Smart Contracts, verteilter Speicherung, Compliance/Audits, Asset Management und Tracking sowie für digitale Identitäten eingesetzt wird. Inzwischen sind weitere Anwendungen hinzugekommen.

Das «Car Dossier» für den Gebrauchtwagen unter anderem von AdNovum, dem Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau und dem Astra ist ein Blockchain-Vorzeigeprojekt. Im Asset Management hilft die Blockchain beispielsweise bei der Verwaltung von digitalen Echtheitsbestätigungen (Zertifikate). Hierdurch kann die Originalität und die Übertragung von digitalen Gütern bewiesen werden, ohne dass dabei deren Kopierbarkeit beeinträchtigt wird. Beim Warentransport sowie beim Betreiben von Anlagen und bei deren Wartung lassen sich beispielsweise Sensorinformationen wie Ausrichtung, Temperatur, Vibrationen sowie Wartungsaktivitäten sichern und deren Echtheit nachweisen. Somit kann Dienstleistern und Lieferanten eine korrekte Handhabung über den gesamten Lieferprozess beziehungsweise die Servicedienstleistung nachgewiesen werden.

Der «Internet Computer»

Durch die Dezentralität der Blockchain, also das Wegfallen eines zentralen Servers, werden Abhängigkeiten aufgelöst. Deutlich wird das am «Internet Computer» von Dfinity. Die Vision von Initiant Dominic Williams ist, dass der «Internet Computer» als dezentrales Netzwerk arbeitet, das bereits heute die Rechenleistung von über 40 Rechenzentren bietet und beliebig skalierbar ist. Er soll damit quasi eine dezentrale Meta-Cloud darstellen. Diese soll Anwendungen und Daten bereitstellen, fälschungssichere Identitäten verwenden sowie über ein Governance-System verfügen, das von der Community geleitet wird.

Blockchain in der Zukunft

Bereits heute hat die Blockchain grosse Zustimmung gefunden – besonders im Bereich der Kryptowährung. Dieser Prozess wird unterstützt durch die Einführung von Krypto-/ ICO-Regulierungen (Initial Coin Offering) in immer mehr Ländern – unter anderem auch in der Schweiz. In naher Zukunft sind viele der heutigen Skalierungsprobleme und Kinderkrankheiten gelöst und auch die Anwendungssicherheit wird gesteigert. Letzteres wird besonders Benutzern ohne Fachwissen ermöglichen, die Blockchain zu nutzen. Dann wird das Bezahlen mit Kryptowährungen zum Alltag gehören. Die Sicherheit wird bei kritischen Anwendungsfällen durch zentralisierte Kontrollstellen verbessert. Hierbei wird der dezentrale Ansatz durch zentralisierte Kontrollstellen erweitert, was als hybride Lösungen zunehmend in «Private Blockchains» münden wird. Letztlich werden durch Smart Contracts etliche Prozesse in Unternehmen automatisiert. Dies erstreckt sich auch auf die Kommunikation der Maschinen untereinander.

(Erstveröffentlichung: Computerworld, August 2021)