04.03.2022

An der Schnittstelle zwischen Technik, Digitalisierung und Betriebsökonomie

Der Bachelor-Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen vereint Ingenieurwissenschaften mit Betriebswirtschaftslehre und bildet künftige Management- und Führungspersonen aus. Die zwei Studierenden Judith Sartory und Fabian Real berichten im Interview über ihren beruflichen Weg und wie das Studium dazu passt.

Erzählen Sie über Ihren Werdegang! Wie sind Sie darauf gekommen, Wirtschaftsingenieurwesen zu studieren?
Judith Sartory: In Freiburg im Breisgau aufgewachsen startete ich beruflich in einer Firma, welche im internationalen Ladenbau tätig ist. Ich kam bereits früh in Kontakt mit unterschiedlichsten Kunden, ihren Wünschen und den damit in Zusammenhang stehenden Anforderungen an Flexibilität im Projektmanagement. Das Interesse und die Erkenntnis über die Wichtigkeit des Supply-Chain-Management und einer beständigen Unterstützung der Wertschöpfungskette waren schnell da. Durch einen Arbeitskollegen in der Schweiz, welcher selber auch das berufsbegleitende Studium absolviert hatte und nach wie vor sehr angetan war, wurde ich auf die FFHS aufmerksam. Ich bin für diesen Wegweiser noch heute sehr dankbar.

Fabian Real: Direkt nach dem Lehrabschluss als Chemielaborant startete ich die Berufsmatura mit dem Plan, Chemie zu studieren. Das Chemiestudium war so langweilig, dass ich nicht einmal das erste Semester beendete und zurück in den Beruf wechselte. Als Laborant in der Klebstoffentwicklung konnte ich mich bei Sika zum Projektleiter hocharbeiten. Gleichzeitig war ich immer mehr bei Kunden und konnte technische Unterstützung im Bereich Klebstoffanwendung und Produktschulung sammeln. Dieser Mix aus technischem Wissen und verkäuferischem Geschick reizte mich. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts von der Möglichkeit eines Studiums in Wirtschaftsingenieurwesen und freundete mich mit dem Gedanken an, Betriebsökonomie zu studieren.

«Dieser Mix aus technischem Wissen und verkäuferischem Geschick reizte mich.»

Zuerst startete ich aber die Weiterbildung zum technischen Kaufmann, da ich sonst nicht alle Anforderungen für den Studieneintritt erfüllen würde. Zeitgleich startete ich einen neuen Job im technischen Verkaufsinnendienst und als Produktmanager im Bereich Verschleissschutz und Fördertechnik. Auf der Suche nach einer weiteren Weiterbildung bin ich auf den Wirtschaftsingenieur-Studiengang der FFHS gestossen. Der Studieninhalt und das Modell haben mich überzeugt und ich schrieb mich an der FFHS ein. Mir war es wichtig, die maximale Flexibilität bei der Gestaltung meiner Arbeit, Weiterbildung und Freizeit zu haben. Dank dem Modell der FFHS kann ich 100% arbeiten und habe keine finanziellen Einbussen, und ich bin effektiv nur jeden zweiten Samstag gebunden.

Noch vor dem Start ins Studium ergatterte ich mir eine ähnliche Stelle im technischen Verkaufsinnendienst mit Aussicht auf Abteilungsleitung. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurde die Abteilung erst einmal verkleinert und mir war schnell klar, hier kann ich nicht so schnell in die Rolle einer Führungskraft hineinwachsen. Nur wenige Meter neben meinem aktuellen Wohnort hat die Firma Kisling ihren Standort. Das Unternehmen produziert und vertreibt eigene Klebstoffe und als eine Stelle als Team Leiter Customer Service offen war, packte ich die Gelegenheit beim Schopf und konnte mir die Stelle sichern – auch dank der Tatsache, dass ich bereits seit 1.5 Jahren Wirtschaftsingenieurwesen studierte und aus der Klebstoffherstellung komme. Somit schloss sich ein Kreis für mich, ganz nach dem Motto «Back to the roots».

Können Sie das Gelernte in Ihrem jetzigen Berufsalltag anwenden?
Judith Sartory: In der Tat. Die Kenntnisse der ökonomisch geprägten Module lässt uns Studierenden die Abhängigkeiten sehr umfangreich verstehen. Sachzusammenhänge aus nicht nur einer Perspektive kennenzulernen, das erlernte Wissen in den verschiedenen Ingenieurbereichen und auch in Führungsthemen zu erfahren, dies hilft mir am Arbeitsplatz ungemein weiter. Als Wirtschaftsingenieurin kann ich verstehen, wie die Natur mit ihren Grundgesetzen funktioniert.

Fabian Real: Ja absolut, ich hätte die heutige Stelle mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht bekommen, wäre ich nicht schon mitten im Studium gewesen. In einem KMU mit ca. 50 Leuten habe ich als Leiter Customer Service eine sehr umfangreiche Schnittstellenfunktion und täglich Kontakt mit unseren Kunden, unseren Technikern, dem Einkauf und der Produktion sowie mit den Finanzen, IT und Logistik. Im Studiengang Wirtschaftsingenieurswesen (WING) sind alle diese Inhalte vorhanden und erlauben es mir, mich besser in die einzelnen Abteilungen und Prozesse hineinzudenken und diese zu verstehen. Mit der Vertiefungsrichtung General Management liegt der Schwerpunkt jetzt auf den Bereichen Leadership, Organisation, und Strategie. Alles wichtige Bausteine, um meine Rolle als Leiter Customer Service gewissenhaft auszuüben und meine Mitarbeiter zu fördern und fordern sowie die Abteilung weiterzuentwickeln.

Was ist das Besondere an diesem Studium?
Judith Sartory: Der Studiengang des WING bietet ein generalistisches Gesamtstudium der Technik und Wirtschaft mit ihren aktuellen Anforderungen und befähigt uns, interaktiv zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen zu agieren. Das Bindeglied zwischen den technischen Verlangen, der Wirtschaft mit ihren Zusammenhängen und dem Management kann die Wirtschaftsingenieurin / der Wirtschaftsingenieur umfassend ausfüllen. Die Modulauswahl für diesen Studiengang ist vielseitig und wird durch Dozierende vermittelt, welche aus unterschiedlichen Zweigen und Praxiserfahrung kommen.

Ich selber arbeite als Projektleiterin in einer Unternehmung für Bauprojektentwicklung und -ausführung, welche sich auf das Entwickeln und Bauen hochwertiger Immobilien spezialisiert hat und mit dem fundamentalen Denken von Technologie, Nachhaltigkeit und mit Holz als wichtigsten Baustoff agiert. Flexibles Handeln, effizient den Kunden schnellstmöglich das Traumhaus verwirklichen und gleichzeitig eine stabile Zusammenarbeit mit Subunternehmen zu pflegen ist ein Teil der Herausforderungen. Diese Ebene zwischen Produktion und Bau ist von zunehmender Wichtigkeit. An diesem Studiengang ist besonders, dass wir Studierenden aus unterschiedlichen  Wirtschaftszweigen kommen und der Informationsaustausch, die Diskussionen und die Erarbeitungen von Lösungswegen miteinander enorm profitabel sind und Blickwinkel aus verschiedenen Richtungen zulässt.

«Der Studiengang des WING bietet ein generalistisches Gesamtstudium der Technik und Wirtschaft mit ihren aktuellen Anforderungen und befähigt uns, interaktiv zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen zu agieren.»

Herr Real, Sie sind kürzlich Vater geworden. Herzliche Gratulation! Wie schaffen Sie es, das Studium mit Arbeit und Familie zu vereinen?
Fabian Real: Die Frage habe ich mir ehrlich gesagt im Vorfeld des Studiums nie gestellt und mich auf die Erfahrungen aus den vorherigen Weiterbildungen verlassen. Zwischendurch etwas Folien oder Bücher lesen und vier Samstage im Jahr Semesterprüfungen schreiben. Das Lernen für die Prüfungen fiel mir leicht und ich machte mir wenig Druck. Seit der Geburt unserer ersten Tochter ist es etwas anders, das Studium neigt sich dem Ende zu und es sind mehr Projekt- und Gruppenarbeiten fällig. Es reicht nicht mehr, zwei bis drei Tage frei zu nehmen vor der Prüfung und zu büffeln. Ich merke, wie ich mich jeden Abend entscheiden muss zwischen Zeit mit der Familie oder weitere ein bis drei Stunden für das Studium zu investieren. Hinzu kommen immer kürzere und unruhigere Nächte. Die letzten Semesterprüfungen im Januar waren echt hart, noch nie fühlte ich mich so schlecht vorbereitet. Zum Glück haben wir ein super Umfeld und können jederzeit auf die Unterstützung von Familie und Freunden zählen. Ich habe mich entschieden, mein Pensum auf 80% zu reduzieren. Zum einen, weil meine Frau auch wieder in Ihren Beruf vor der Geburt zurückgeht und dieser ein 60% Pensum voraussetzt, zum anderen damit ich bewusst einen Tag mit meiner Tochter verbringen kann. Ich freue mich jetzt schon auf diese Zeit und bin überzeugt, dies gibt mir die nötige Energie, um das Studium erfolgreich abzuschliessen!

Studium, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen ist in der Tat kein leichtes Unterfangen. Es braucht Disziplin, Mut, Verständnis und Unterstützung aus dem Umfeld und ich habe schnell gelernt, die eigenen Ansprüche zu reduzieren und auch mal eine 5 gerade stehen lassen.

«Wer sich nicht nur mit trockenen Zahlen aus der Finanzmathematik und Marktanalysen herumschlagen möchte ist im WING genau richtig aufgehoben.»

Wem würden Sie dieses Studium empfehlen?
Judith Sartory: Ich würde diesen Studiengang jedem empfehlen, der Freude an Technik und zugleich an Wirtschaftsbereichen hat, Eigenorganisation mitbringt und Freude an der Zusammenarbeit mit Studierenden hat. Ein Einzelkämpfer hat es meiner Meinung nach schwer in diesem Studienmodell.

Wer an der FFHS berufsbegleitend studieren will, muss eine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft an den Tag legen. Doch man entdeckt sich in einer erweiterten Sichtweise und entwickelt durch die Freude am Erreichten einen enormen Schwung. Ebenfalls möchte ich erwähnen, dass dieses Studium geeignet ist für Frauen und Männer. Aktuell sind wir Frauen noch sehr wenig vertreten, aber vielleicht entwickelt sich das noch :-)

Fabian Real: Wer sich nicht nur mit trockenen Zahlen aus der Finanzmathematik und Marktanalysen herumschlagen möchte ist im WING genau richtig aufgehoben. Es muss einem bewusst sein, dass man nach dem Abschluss nicht einem Elektro- oder Maschineningenieur das Wasser reichen kann, aber genug Wissen hat, um Projektteams und Abteilungen führen zu können, die aus solchen Spezialisten bestehen.

Ich empfehle das Studium auch Personen, die schon Ende 20 sind und eine eigene Wohnung oder Familie haben und auf ein gewisses Mindesteinkommen angewiesen sind. Das Arbeitspensum kann grundsätzlich sehr hoch gehalten werden und bei Bedarf müssen nicht immer vier Module/Semester besucht werden. Für mich hat sich die Samstags-Präsenzveranstaltung bewährt, da ich so unter der Woche genug Zeit zum Lernen, meine Hobbies und das Sozialleben habe.

Wie bringt Sie das Studium Ihren Karrierezielen näher?
Judith Sartory: Da ich im berufsbegleitenden Studium sehr gefordert bin, merke ich an mir, zu was ich als Person allem fähig bin. Ich beobachte eine Leistungsbereitschaft, die mich unweigerlich motiviert und mich zur Erreichung meiner Karriereziele puscht. Diese Eigenschaften haben mir neue Wege eröffnet, meinen Horizont erweitert und das vielseitige Spektrum an Wissen kann ich bereits wertvoll in meinem Beruf in Entscheidungen einbinden.

Fabian Real: Mein Ziel ist es in den nächsten 8-10 Jahren noch einen Masterabschluss zu erlangen und Geschäftsführer eines KMUs zu werden. Ob das bei meinem jetzigen Arbeitgeber oder einem anderen Unternehmen ist, ist für mich sekundär.