Von der Sterneküche zur digitalen Bildung
Thomas Bissegger hat sich in der Welt des Fine Dinings einen Namen gemacht. Heute widmet sich der Sternekoch mit ebenso viel Leidenschaft der Ausbildung der kommenden Generation. Als Dozent und Programmleiter an der renommierten EHL Hotelfachschule Passugg teilt er seine Expertise und ist überzeugt, dass die Digitalisierung eine Schlüsselrolle in der Zukunft der Branche spielt.

Thomas Bissegger erkochte einen Michelin-Stern und sagt: «Die Jagd nach den Sternen hat auch eine Kehrseite». (Foto: EHL)
Der berufliche Weg von Thomas Bissegger begann durch einen Zufall. «Ich wollte ursprünglich Informatiker werden», erklärt er im Interview. Über Umwege landete er in einer Schnupperlehre als Elektromonteur. «Ich musste Steckdosen in einer Küche installieren», erzählt Bissegger, «und dabei habe ich den Köchen zugeschaut. Ihr majestätisches Auftreten und ihre Präzision haben mich so beeindruckt, dass ich wusste: Ich möchte Koch werden.»
Bissegger begann eine Kochlehre, nahm erfolgreich an Wettbewerben teil und wurde Mitglied der Schweizer Koch-Nationalmannschaft. Seine Karriere nahm Fahrt auf und der Weg zur Spitzengastronomie war geebnet. Bereits in jungen Jahren stieg er zum stellvertretenden Küchenchef im Hotel Palace in Luzern auf. Es folgten viele weitere Stationen im Ausland wie USA, Südafrika, Myanmar oder Australien.
Ein kulinarisches Vorbild: Daniel Humm
Ein Meilenstein in Bisseggers Karriere war seine Zeit in New York, wo er bei keinem geringeren als Daniel Humm arbeitete. Humms Restaurant Eleven Madison Park, zu dieser Zeit das beste der Welt, gehört noch heute zur internationalen Spitze. «Daniel Humm war in jungen Jahren mein absolutes Vorbild», sagt Bissegger. Humm ist ebenfalls Aargauer und drei Dörfer neben Bissegger aufgewachsen. «Ich habe ihm einen handschriftlichen Brief geschrieben, ob ich bei ihm arbeiten dürfe», erinnert er sich. Humm hat sich tatsächlich gemeldet. «Als er die Küche betrat, lief es mir kalt den Rücken runter.» Doch nicht nur die Perfektion in der Küche beeindruckte Bissegger, sondern auch der Mensch hinter dem kulinarischen Genie.
Die Jagd nach den Sternen
2019 übernahm Bissegger das Restaurant «1904 Designed by Lanoda» in Zürich und erkochte mit seinem Team nach nur acht Monaten einen Michelin-Stern. Doch die Jagd nach den Sternen in der Spitzengastronomie ist alles andere als einfach. «Es ist regelrecht eine Sucht», erklärt Bissegger. «Man will jeden Tag besser werden, noch perfekter arbeiten, immer mehr erreichen. Der Druck wächst, und das Leben besteht nur noch aus der Arbeit.» Bissegger ist überzeugt, dass er mit seinem Team einen zweiten Stern geholt hätte, was jedoch folgte, war ein harter Schnitt in seiner Karriere. Aufgrund der Coronapandemie wurde das Restaurant geschlossen, Bissegger stand von einem Tag auf den anderen vor dem Nichts. «Es hat mir den Boden unter den Füssen weggerissen», blickt er auf diese schwierige Zeit zurück. Er entschied sich, einen neuen Weg einzuschlagen und nahm ein Jobangebot der EHL Hotelfachschule Passugg an.
Ein neues Kapitel
Heute bildet Bissegger als Programmleiter und Dozent am EHL Campus Passugg junge Menschen für die Gastronomie aus. Er ist dort auch zuständig für die Themen Digitalisierung und KI und absolviert parallel den MAS Digital Education an der FFHS. Derzeit steht das Thema KI im Fokus, die Frage nach Reglementen, nach Schulungen für Dozierende und Studierende. «Es ist eine grosse Herausforderung, wie wohl für jede Schule». Doch versteht KI etwas von gutem Essen? «Gute Frage. KI kann Ideen liefern, Kombinationen, Raster. Sie kann ein ganzes Silvestermenü vorschlagen, mit kompletten Rezepturen, das klappt sehr gut», gibt er zu. Trotzdem: «Die wahre Kunst des Kochens bleibt dem Koch vorbehalten.»
Bissegger ist davon überzeugt, dass die Gastronomie der Zukunft stark von der Digitalisierung geprägt sein wird. Als Dozent für Entrepreneurship und Innovation fordert Bissegger seine Studierenden dazu auf, kreativ zu denken und neue Ansätze zu finden. «Die Studierenden müssen Innovationen entwickeln und lernen, wie sie ihre Visionen in der Praxis umsetzen können», erklärt Bissegger.
Nachhaltigkeit und emotionale Intelligenz
Für Bissegger ist Nachhaltigkeit mehr als nur die Reduktion von Food Waste. Sie betrifft sowohl den Verbrauch von Ressourcen als auch den respektvollen Umgang miteinander. «Achtsamkeit und emotionale Intelligenz sind ebenso wichtig wie Perfektion in der Küche», betont er. Er will seinen Studierenden vermitteln, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und Leadership eine grosse Rolle spielt. «Früher war der Umgangston in der Küche sehr rau, das hat sich gewandelt». Die Branche merkt langsam, dass sie sich anpassen muss, um für die Gen Z und die nachfolgenden Generationen attraktiv zu bleiben.
Auf die Frage, welches Gericht Emotionen in ihm auslöst, muss er nicht lange nachdenken: «Das Ragout, das meine Grossmutter immer gekocht hat.» Bissegger kocht seit vier Jahren nur noch privat, selten auch für Events, wenn er angefragt wird. Doch seine Liebe zum Kochen ist ungebrochen. Ob er die Jagd nach dem zweiten Stern aufgegeben hat? «Sag niemals nie», meint er schmunzelnd.